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379 Anzeigen, 150 wegen sexueller Gewalt30-60-370plus

Das Öffentlichmachen der Übergriffe in Köln hat betroffenen Frauen Mut gemacht, Anzeige zu erstatten. Bisher haben sie oft geschwiegen.

60? 170? Die Dunkelziffer liegt wohl noch höher. Foto: dpa

Erst waren es 30. Dann waren es 60. Dann mehr als 370* Frauen, die in der Silvesternacht im und vor dem Kölner Bahnhof sexueller Gewalt oder Diebstahl ausgesetzt waren und dies angezeigt haben. Innerhalb kürzester Zeit vervielfacht sich die Zahl und zeigt das Ausmaß sexueller Gewalt, die dort möglich war. Ich war nicht in Köln, aber das hier hab ich mir andernorts zu anderer Zeit schon mal angehört: „Hey, darf ich deine Fotze lecken. Hey, du willst es doch.“

Am Anfang trauten sich nur wenige betroffene Frauen in Köln, eine Anzeige zu erstatten. Warum? Weil Frauen es gewohnt sind, Übergriffe wegzustecken oder sie zu vergessen, sobald sie sie überlebt haben. Weil Scham da ist, aber auch die Erfahrung, dass es in Deutschland in der Regel nicht viel bringt, sexuelle Übergriffe zu melden.

Das sukzessive Öffentlichmachen der kriminellen Handlungen rund um den Bahnhof und den Dom hat geholfen, diese Schwelle zu überwinden. Und es weist auf die Dunkelziffer hin. Denn drei Viertel der Frauen hätten vermutlich nicht ausgesagt, wäre nicht publik geworden, was das erste Viertel erlebt hat. 30-60-370+.

Wie groß die Scham und die angenommene Ignoranz der Verfolgungsbehörden sind, wenn es um sexualisierte Gewalt geht, zeigt sich auch daran, dass am Anfang nur wenige Frauen, die eine Anzeige erstatteten, von sexueller Gewalt berichteten sondern vorwiegend von Diebstahl. Sukzessive aber wurden es mehr. Wird also deutlich, dass ein sexueller Übergriff kein Einzelfall, sondern ein Muster ist, dann wird auch der Mut größer, ihn öffentlich zu machen.

Und dies, obwohl Frauen, wenn es um sexuelle Gewalt geht, bis heute die Erfahrung machen, dass, was sie zu sagen haben, auf eine Weise gehört wird, die nicht ihrer Wahrnehmung entspricht. Ihre Wahrnehmung kann jederzeit infrage gestellt werden. „Bist du sicher, dass er es so gemeint hat und er nicht nur im Gedränge an dich kam?“

Die Position der Opfer bleibt ein blinder Fleck

Bisher wird die Tatnacht in Köln vorwiegend aus der Perspektive der Täter dargestellt und beurteilt. Vermutlich waren es zu hundert Prozent Männer: Sie zündeten Böller, sie warfen Raketen in die Menge, sie schossen mit Leuchtkugeln auf Menschen, sie soffen, sie umzingelten Frauen, sie fassten sie an, sie beraubten sie, sie vergewaltigten. Mit ihnen beschäftigt man sich seitens der Justiz, der Polizei und der Medien. Was heißt das im Umkehrschluss? Die Position der Opfer – vorwiegend Frauen – bleibt, wie oft, blinder Fleck. Es gibt keine Abbildungen, keine Videos; in den ersten Statements der Polizei wusste diese von nichts.

Ist, was nicht zu zeigen ist, auch nicht passiert? Wer sich die Filme aus der Silvesternacht anschaut, sieht Männer, die Feuerwerkskörper als Waffen gegen Menschen benutzen. Die Waffen, die sie gegen Frauen nutzten, sind nicht als solche zu erkennen: Die Waffe waren die Männer selbst. Das gilt es, festzuhalten: Es gibt sichtbare Gewaltexzesse und es gibt unsichtbare. Die unsichtbaren haben etwas mit sexueller oder sexualisierter Gewalt zu tun.

Insofern ist es ein Quantensprung, der derzeit deutlich wird: denn immerhin wird die sexuelle Gewalt benannt. Warum? Weil sie mit einer möglichen Herkunft der Täter verknüpft wird. Diese Verknüpfung hinterlässt einen schalen Geschmack, da sie berechtigt und unberechtigt zugleich ist. Berechtigt: weil es kein Verbot geben darf, die Herkunft der Täter zu benennen. Unberechtigt: weil der Blick ausschließlich auf die Herkunft der nichtdeutschen Täter fällt.

Die Würde der Frau wird bei uns nur vom Kopf her benannt, nicht vom Gefühl, vom Herzen. Sie ist antastbar. Warum? Weil sie es nie nicht war.

An dieser Stelle ein Einschub: Ich sage „sexuelle“ oder „sexualisierte“ Gewalt. In den Berichten und Kommentaren wird dagegen meist von Belästigung, von Nötigung, von Anmache, von Umzingelung, von Begrabschen, von Anfassen, von Ablenken, von Bedrohung gesprochen. Immerhin: Bedrohen ist schon nah an Gewalt – nur noch nicht ausgeübte.

In den Berichten wird immer wieder erwähnt, dass die Täter am Kölner Bahnhof sexuelle Gewalt als Mittel einsetzten, um die Frauen zu bestehlen. Sie sollten abgelenkt werden, ihre Aufmerksamkeit sollte auf ihren Körper, nicht auf ihre Tasche, ihren materiellen Besitz, konzentriert sein. Die sexuelle Gewalt, die eingesetzt wurde, wird zur Ablenkung – und damit im Grunde bedeutungslos. Nicht wahrgenommen wird, dass, wer die Brüste der Frauen gegen ihren Willen anfasst, wer seinen Finger in ihre Haut bohrt, wer ihnen in den Hintern kneift, sie auf eine zweite Art bestehlen will: Er will ihnen ihre Würde rauben.

Einmal wollte ich nachts die Haustür aufschließen, als ein Mann wie aus dem Nichts hinter mir auftauchte. Er streckte seine Hand vor mich, die in einem schwarzen Handschuh mit metallenen Stacheln an den Fingerspitzen steckte: „Soll ich deine Möse kraulen?“, raunte er. In Panik schaffte ich es noch irgendwie in den Flur, stemmte mich gegen die Tür. Dort konnte ich mich nicht mehr vom Fleck bewegen, so zitterte ich. Ich fühlte mich versehrt, beraubt. Aber sowohl Raub als auch Verletzung waren nicht sichtbar. (Natürlich hab ich ihn nicht angezeigt. Wen? Das Phantom?) – Halt, stopp, individuelle Erlebnisse zu benennen gilt als Ablenkung. Als ginge es dann nicht mehr um die Sache, sondern um mich. In einer Erhebung der Europäischen Union von 2014 geben 55 Prozent der Frauen an, sexuelle „Belästigung“ erlebt zu haben. Und die Dunkelziffer? 30-60-370+.

Sexuelle Gewalt ist Diebstahl, nein Raub. Raub, weil Täter und Opfer in einer gefährlichen Konfrontation sind. (Bei Diebstahl, vor allem dem, der erst später bemerkt wird, bezahlt noch nicht einmal die Versicherung.)

Eine Demonstration von Macht

Sexuelle Gewalt ist zudem eine Demonstration von Macht. Bekannt ist, dass sie hierzulande in allen Milieus vorkommt, vom Außenseitermilieu bis zur Elite. Als bisher unbekannt dagegen gilt nun laut Polizeibericht die Gruppenbildung der Täter; dass diese in Gruppen die Frauen umzingelten und ihnen sexuelle Gewalt antaten. Unbekannt sei auch gewesen, dass diese sexualisierte Gruppengewalt in aller Öffentlichkeit geschehen könne. Oder müsste ich sagen: Es war nur vergessen, dass so etwas möglich ist? Denn es gibt eine Parallele, die im historischen Gedächtnis gespeichert sein müsste: Vergewaltigung im Krieg.

taz.am wochenende

Das Hormonmittel Duogynon galt in den sechziger Jahren als Innovation. Dann kam es zu Fehlbildungen an Kindern. Besteht der von Betroffenen vermutete Zusammenhang? Was unsere Autorin in erstmals geöffneten Akten gefunden hat, lesen Sie in der taz. am wochenende vom 9./10. Dezember. Außerdem: Der Astronaut Alexander Gerst erzählt im Gespräch, wie Krieg aus dem Weltall betrachtet wirkt. Und: Der US-Wahlkampf wird auf dem Rücken illegaler Einwanderer ausgetragen. Warum stört das einen konservativen Farmer? Das und mehr gibt es am Kiosk, eKiosk oder im praktischen Wochenendabo.

Vergewaltigung im Krieg ist ein Mittel, dem Gegner seine Überlegenheit zu demonstrieren. Die Frauen sollen entwürdigt werden. So soll über den Umweg der Frauen dem Gegner die Würde genommen werden. Auf dem Bahnhofsplatz verhielten sich Täter, als wären sie im Krieg. Sie schossen mit Leuchtkugeln auf Menschen, ihre Körperhaltungen diejenigen erfahrener Kämpfer. Das zumindest geben die Videos her.

Die Silvesternacht in Köln zeigt: Die Würde der Frauen ist antastbar. Warum? Weil sie es nie nicht war. Trotz aller positiven Entwicklungen der letzten Jahre; trotz Männern, die wissen, dass sie – vor allem nachts – Abstand halten sollen zu Frauen, die allein unterwegs sind; trotz Männern, die bereit sind, Frauen zu helfen, die sexueller Gewalt ausgesetzt sind; trotz der öffentlichen Thematisierung von Vergewaltigung und Missbrauch.

Sie wollen es nicht wahrnehmen

Aber da gibt es auch dieses Andere, und es wiegt schwer: Im ersten Reflex wollte die Kölner Polizei nicht wahrnehmen, was sich wirklich am Bahnhof abspielte. Fast wäre sie damit durchgekommen, weil die Würde der Frau in unser Gesellschaft nur vom Kopf her benannt wird, aber nicht vom Gefühl, vom Mitgefühl, vom Herzen. Sonst gäbe es nicht die juristischen Windungen, mit denen die Asylanerkennung bei geschlechtsspezifischen Fluchtgründen erschwert wird.

Sonst würden Opfer in Vergewaltigungsprozessen nicht bis heute oft gedemütigt. Sonst wäre nicht die Frau angezeigt worden, die auf dem Oktoberfest 2015 dem Mann, der sexuelle Gewalt ausübte, im Reflex den Bierkrug gegen den Kopf haute, sondern er.

Die Täter, die rund um den Kölner Bahnhof Frauen sexuelle Gewalt angetan haben, werden für diese Taten vermutlich ebenfalls nicht zur Verantwortung gezogen werden. Es knallte, es war dunkel, es floss Alkohol: Jede Verteidigung der Welt wird es leicht haben, mögliche Täter da rauszuhauen. Die Zeuginnen haben keine Fotos, keine Beweise. Im Klartext: Als Zeuginnen sind die Frauen nicht glaubwürdig.

Dass Frauen so behandelt werden können, geht alle an. 30-60-370+.

* Anmerkung der Redaktion: Zahl der Anzeigen laut Angaben der Polizei bis Samstagabend, 9. Januar 2016.

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24 Kommentare

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  • Waltraud Schwabs Texte schätze ich sehr - nicht anders geht es mir mit diesem. Zu recht verweist sie auf die - öffentliche, polizeiliche, juristische - Ignoranz gegenüber sexueller Gewalt. Das muß immer wieder thematisiert werden, bis Besserung eintritt. - Trotzdem, unabhängig von der Qualität dieses Textes, behaupte ich:

     

    "Köln" lenkt ab! Merkt ihr nichts? (http://www.taz.de/!5263321/#bb_message_3327262)

     

    Und wenn schon "Köln", dann bitte viel mehr akribische Recherche, Fakten, Skepsis gegenüber den öffentlichen Verlautbarungen: http://www.taz.de/!5267676/#bb_message_3328224

  • Liebe Leserinnen und Leser,

     

    ich verabscheue das, was in Köln geschehen ist, und hoffe, dass die Täter alle ermittelt und hart bestraft werden. Ob das nun Gefängnisstrafen oder Ausweisung bedeutet!

     

    Dennoch möchte ich an dieser Stelle auch eine Tatsache beleuchten, die bisher scheinbar keine Rolle in der Öffentlichkeit spielt. Ich behaupte hiermit, dass wir in unserer deutschen Gesellschaft einen erheblichen Mangel an Zivilcourage haben. Und dass nicht erst seit dem Fall „Dominik Brunner“! Als gebürtiger Münchner kenne ich dieses Problem schon lange. Dies musste ich selbst oft miterleben. Liegt ein Mensch in der Stadt am Boden, so gehen die Leute einfach vorbei! Randalieren oder lärmen Jugendliche in der S- oder U-Bahn, so schreitet keiner ein! Einer von Tausend reagiert und verhält sich richtig. Alle anderen schweigen oder schauen weg!

     

    Durch die Medien bekomme ich folgendes Bild der Geschehnisse von Köln, die für mich wie folgt aussehen:

     

    Zur Silvesternacht befanden sich über 1000 Ausländer und Asylanten vor dem Kölner Dom, und zusätzlich viele Frauen. Ich frage mich, was die anderen 1000en von Menschen, die dort ebenfalls gefeiert haben, gemacht haben bzw. wo diese waren? Wie viele von denen haben dem abscheulichen Treiben der Straftäter zugesehen und nichts unternommen? So wie ich das einschätze, waren es wohl die meisten. Ich war zwar nicht vor Ort und kann deswegen nur mutmaßen. Aber ich lasse mich von jemanden, der selbst vor Ort war, gerne eines besseren belehren.

     

    Wegschauen und weglaufen ist eine Krankheit unserer Gesellschaft geworden.

     

    Keine Frage, die Straftäter müssen gefunden und entsprechend hart bestraft werden! Aber auch diejenigen, die weg geschaut haben, haben sich schuldig gemacht. Unterlassene Hilfeleistung ist in Deutschland auch ein Vergehen.

     

    Ich hoffe wirklich, dass sich dies in Zukunft ändern wird. Wir dürfen nicht einfach wegschauen, wenn jemand Hilfe braucht!

  • wenn die taten nur sehr schwer zu verfolgen und zu ahnden sind, wie verhindern Polizei, Regierung und zivilgesellschaft dass es erneute Attacken gibt? die Täter können sich ja nahezu sicher fühlen.

     

    alle bisherigen vorschläge sind doch bullshit, außer vielleicht den die Polizeikräfte aufzustocken und Großveranstaltungen polizeilich abzusichern. aber was ist mit der ganz "alltäglichen" gewalt auf unseren Straßen? wer hier auf hilfe und schutz vom Staat hofft ist doch verloren. hier hilft nur Selbstschutz in form von vorsichtig sein, bestimmte Straßen, plätze zu meiden, aggressiven gruppen bzw. rudeln weiträumig aus dem weg gehen, selbst in einer gruppe unterwegs sein und ganz einfach gefahrensituationen meiden. leider. Freiheit ist natürlich was anderes. insofern hat der Terror schon ein stück land erobert, und es wird sehr sehr lange dauern dies zurückzuerobern, wenn das überhaupt möglich ist.

    und wenn es dennoch zum worst case kommt?

    ich empfehle eine farbpistole mit wasserfester roter farbe und einen schrillalarm. der schrillalarm schafft auf kurze Distanz Verwirrung auf lange Distanz Aufmerksamkeit und die farbe kennzeichnet einen Täter zweifelsfrei. beides erhältlich in einschlägigen läden zur selbstverteidigung.

  • "Daher auch für Männer verständlich, die genau diese Angsterfahrungen von Frauen vor Übergriffen so gut wie nie selbst erleben, zumindest keine sexuellen oder sexualisierten Übergriffe. "

    auch ich als erwachsener, normal kräftiger mann habe aus einschlägigen gewalterfahrungen gelernt, bestimmte gruppen die rudel bilden zu meiden wie es nur irgend geht. "was gugst so blöd?", "willst was, schwule sau?" waren da noch die harmloseren der dann erfolgten Gewalttaten. und nein, ich habe nicht zurück provoziert sondern wollte so schnell es geht land gewinnen,

    auch dieses umkreisen, umzingeln dass man keine Chance mehr hat ist mir als mann nicht unbekannt.

    übrigens, ca 90% der opfer von körperlicher (aber nicht sexueller) gewalt sind Männer!

  • und wieder ein mal wird nicht über sexuelle gewalt gegenüber männern gesprochen. so ist zum Beispiel vor kurzem ein 16-jähriger in Stuttgart von 3 männern so brutal vergewaltigt worden, dass er stationär behandelt werden musste.

    auch erst vor kurzem wurde ein 18-jähriger in einer rathaustoilette von einem ca 50 jahre alten mann vergewaltigt.

    in beiden fällen waren die opfer übrigens Immigranten.

    ich frage mich wie hoch hier die Dunkelziffer ist.

    • @doublebass:

      Ja, sollte auf jeden Fall in der Diskussion nicht fehlen.

       

      Wie schätzen Sie denn das Gewaltpotential und das Ausmaß von Männern gegenüber (jüngeren) Männern ein?

       

      Wann und warum üben Männer gegenüber anderen Männer sexuelle Gewalt aus?

       

      Was muss da in der Regel zusammen kommen, damit es möglich wird?

  • Und vielleicht zeigen nun auch endlich mal alle ihre "netten" Verwandten, Nachbarn und sonstige Bekannten an, wenn diese versucht haben "nett" zu sein - in Form von Vergewaltigung oder versuchter Vergewaltigung.

     

    Wie hoch ist der Anteil der sexuellen Gewalttaten aus dem direkten Umfeld nochmal?

     

    Und wie hoch ist die geschätzte Dunkelziffer?

     

    Diese Tatsachen entschuldigen mit nichts die Vorfälle an Silvester in Köln und anderswo. Ich möchte nur daran erinnern, dass sexuelle Gewalt auch in Deutschland eine lange und dunkle "Tradition" hat. Man bzw. frau redet nur nicht drüber. Teils aus Angst, teils aus Scham und weil es meist auch nichts bringen würde.

  • 1G
    12294 (Profil gelöscht)

    Zitat: Berechtigt: weil es kein Verbot geben darf, die Herkunft der Täter zu benennen.

     

    Das sieht Kollege Bax aber anders.

     

    Eine Gegenthese: Die Gewalt gegenüber Frauen kommt zur Sprache, nicht weil, sondern obwohl es sich um nicht-deutsche Täter und insbesondere um Asylbewerber und Flüchtlinge handelt. Dass in Deutschland die Hemmungen besonders groß waren, Straftaten dieser Gruppe publik zu machen, wird ja nach Köln immer deutlicher (ich verweise auf Michael Hanfeld in der FAZ, aber auch auf Jakob Augstein). Schön, wenn sich dies nun ändern würde.

  • 1G
    19412 (Profil gelöscht)

    Ich muss eindringlich darum bitten, hier mit den korrekten Zahlen zu berichten !

     

    Zitat: "In zwei Dritteln der Anzeigen geht es um sexuelle Gewalt."

    lt. offiziellem Polizeibericht Köln von heute geht es in 40 % der Anzeigen um sexuelle Übergriffe (sind das drei Viertel?) http://www.presseportal.de/blaulicht/pm/12415/3220633 http://www.polizei-presse.de/feeds/polizeipraesidium-koeln

  • Was ist eigentlich mit den Übergriffen in der Bielefelder Discothek. Da muss es ja auch schlimm gewesen sein.

    • @Christiana:

      Kann man wohl sagen.

       

      "Bis zu 500 Männer versuchten die Diskotüren zu stürmen. Die Täter fassten Frauen in den Intimbereich und präsentierten sie gegen ihren Willen als "Girlfriend""

      http://www.nw.de/lokal/bielefeld/mitte/mitte/20674877_Boulevard-Erschreckender-Bericht-eines-Tuerstehers-zu-den-Silvestervorgaengen.html

      • @Capt. Cool:

        Dafür dass Sie an anderer Stelle, den Artikel des Spiegelreporters Jan Fleischhauer, über den, die Leser instrumentalisierend an die "Nannyhand" nehmenwollende Presseartikel empfahlen, sind Sie hier erstaunlich kurz und bündig in Ihrer Rezeption, gegenüber wie auch immer Türstehermeldungen?-

         

        Könnte ja sein, dass all das, was Sie damit herausgearbeitet sehen wollen, tatsächlich richtig ist, und sich zukünftig auch weiterhin bestätigen wird. Ich wundere mich nur, dass jemand Ihrer Profession so schnell, so kurz und bündig hier auftritt.

  • Ein hervorragender Artikel, sehr einprägsam und nachvollziehbar geschrieben. Daher auch für Männer verständlich, die genau diese Angsterfahrungen von Frauen vor Übergriffen so gut wie nie selbst erleben, zumindest keine sexuellen oder sexualisierten Übergriffe.

     

    Und völlig richtig, dass die Täter von Köln, solange sie nichts geklaut haben, vermutlich auch straflos bleiben, nach heutiger Gesetzeslage. Da können noch so viele Empörungsorgien gefeiert werden, wenn es nicht endlich zu Gesetzesänderungen und Strafverschärfung in Sachen sexuellen Gewalt und Vergewaltigung kommt.

     

    Wer zeigt, als Frau, heutzutage überhaupt sexuelle Übergriffe an, wenn es sowieso so gut wie gar keinen Zweck hat? Dank der 'Helden von Köln' bekommen wir nun hoffentlich endlich eine Veränderung! Selbst wenn es unter dem Aspekt der Abwehr 'alkoholisierter Horden' aus Nordafrika und arabischen Ländern geschieht. Weil man Gesetze nun einmal nicht auf die Herkunft von Tätern abstimmen kann, bleibt es gut.

     

    Es wäre dann auch alle anderen Tätergruppen im Visier. Egal wie und warum es geschieht: Sexuelle Gewalt muss endlich strafbar werden, ohne die Opfer zu stigmatisieren, ihnen körperliche Gegenwehr fast bis zum Tod abzuverlangen!

    • @robert2112:

      "Und völlig richtig, dass die Täter von Köln, solange sie nichts geklaut haben, vermutlich auch straflos bleiben, nach heutiger Gesetzeslage. Da können noch so viele Empörungsorgien gefeiert werden, wenn es nicht endlich zu Gesetzesänderungen und Strafverschärfung in Sachen sexuellen Gewalt und Vergewaltigung kommt."

       

      das Problem ist kaum die gesetzeslage, sexuelle Belästigung, in den schritt fassen, in den po kneifen etc. ist eindeutig gewalt und strafbar. Diebstahl und raub auch.

      das Problem ist, einzelnen Individuen die tat zweifelsfrei nachzuweisen. ohne bildbeweise, Tatzeugen...

      es war dunkel, die Attacken folgten aus der menge, oftmals können die Frauen gar niemanden zweifelsfrei identifizieren weil es so viele waren und die situiation purer stress. das wird vor gericht äußerst schwierig werden.

      insofern sind die rufe nach der vollen härte des Rechtsstaats und sofortiger Abschiebung populistisch. aber irgendwas müssen die Politiker ja fordern, am besten mit der Formulierung: "man muss"

    • @robert2112:

      Ja, interessanter Artikel.

       

      Aber die Taten sind nicht durch Gesetzesänderungen strafbar zu machen.

       

      Das Problem ist, dass einem Täter eine Tat nachgewiesen werden muss - die Unschuldsvermutung mag unbequem sein, aber stellt den wesentlichen Kern eines Rechtsstaats dar.

       

      Ein Nachweis der sexuellen Gewalt ohne Spuren ist aber extrem schwierig - erst recht in der unübersichtlichen Situation und mit Tätergruppen.

       

      Und deswegen ist das öffentliche Krakele ziemlich sinnlos - es wird praktisch keine Verurteilungen geben.

      Traurig ist nur, dass unsere Politik mit den hochgehaltenen Ansprüchen nun den Rechten in die Hände spielt - viel reden + aber nix machen...

       

      Umgekehrt wäre es sicher auch kein Fortschritt, wenn die Behauptung sexueller Gewalt (oder vielleicht auch nur die Anwesenheit dabei?) ohne jeden Beweis zur Einkerkerung des angeblichen Täters führen würde...

      • @mensch meier:

        hätt ich Ihren Kommentar früher gelesen hätte ich meinen gar nich schreiben müssen.

        die große frage ist, wenn die taten nur sehr schwer zu verfolgen und zu ahnden sind, wie verhindern Polizei und zivilgesellschaft dass es erneute Attacken gibt? die Täter können sich ja nahezu sicher fühlen.

        ich empfehle jedem eine farbpistole mit wasserfester roter farbe und einen schrillalarm. der schrillalarm schafft auf kurze Distanz Verwirrung auf lange Distanz Aufmerksamkeit und die farbe kennzeichnet einen Täter zweifelsfrei. beides erhältlich in einschlägigen läden zur selbstverteidigung.

  • ich bin froh das die geschehnisse ans licht des neuen jahres gekommen sind. Durch den mut des anzeigens in köln haben auch frauen die ganz ähnliches in anderen städten wie hamburg oder frankfurt erlebt haben anzeige erhoben.

    ich hoffe das hier menschen sensibilisiert werden, vor allem auch die polizei, dass sie solche situation erkennen, und den ernst darin.

    • @Domi Martin:

      Ich habe nun Hoffnung, dass sexuelle Gewalt (genannt Übergriffe) auch in anderen Zusammenhängen in Deutschland eher zur Anzeige gebracht wird und entsprechend Ernst genommen wird. Z.B. Oktoberfest, Fanmeilen etc.

       

      Und trotzdem bleibt auch das wahr: Nicht jede Anzeige wegen sexueller Gewalt hat einen tatsächlichen Hintergrund:

      http://www.lvz.de/Mitteldeutschland/Polizeiticker-Mitteldeutschland/Frau-taeuscht-in-Dresden-Vergewaltigung-durch-Auslaender-vor

      • @Hanne:

        gut, von solchen falschbeschuldigungen mit verheerenden folgen hört man ab und zu, was ich aber gemeint hab, ist dass die polizei situationen wie sie am hbf entstanden sind ernst nimmt und dazwischen geht, die frauen im gespräch fragt ob alles ok ist etc.. sowas eher, im nachhinein ist das immer eine schwierige frage.

      • 7G
        7965 (Profil gelöscht)
        @Hanne:

        Klaus Püschel, der Direktor des Rechtsmedizinischen Instituts Hamburg, das die größte deutsche Opferambulanz betreibt, stellte im Jahr 2009 fest, bei ärztlichen Untersuchungen hätten sich 27% der angeblich Vergewaltigten als Scheinopfer erwiesen, die sich ihre Verletzungen selbst zugefügt hatten. In 33% der Fälle habe die Tat rechtsmedizinisch nachgewiesen werden können, in den restlichen 40% sei das Ergebnis der Rechtsmedizin nicht eindeutig. Die Tendenz zur Falschbeschuldigung sei laut Püschel in den letzten Jahren erheblich gestiegen, zuvor habe sie über Jahrzehnte konstant bei fünf bis zehn Prozent gelegen. [Aus Wikipedia]

         

        In Bayern haben im Jahre 2000 7,4 % der angezeigten Vergewaltigungen zu einer Anklage wegen falscher Verdächtigung geführt. [aus Wikipedia ]

         

        Wie auch immer: die genannten Zahlen zu vorgetäuschten Vergewaltigungen sind besorgniserregend hoch.

         

        Mit der nun vom Maasmännchen eingebrachten Gesetzesreform soll der Vergewaltigungtatbestand in der Weise erweitert werden, dass selbst das subjektive Empfinden einer Zwangslage des Opfers, ohne dass dem Täter dies bekannt ist(!), für die Erfüllung der Straftat ausreichen soll. Das ist rechtsstaatlich höchst bedenklich.

         

        Der Richter am Bundesgerichtshof, Thomas Fischer, allgemein als “linker“ Störenfried bekannt, hat dazu zwei kritische Aufsätze geschrieben:

        http://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2015-02/sexuelle-gewalt-sexualstrafrecht-schutzluecke/komplettansicht http://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2015-02/sexuelle-gewalt-sexualstrafrecht/komplettansicht

        • @7965 (Profil gelöscht):

          "Wie auch immer: die genannten Zahlen zu vorgetäuschten Vergewaltigungen sind besorgniserregend hoch."

           

          Wer Einblick in die Studie nimmt, kann dort erfahren, dass etwa die Hälfte der "Falschbeschuldigungen" (61 von 140) von bzw. im Namen von Minderjährigen zur Anzeige gebracht werden. Allerdings handelten in dieser Studie lediglich sechs "aus eigenem Antrieb", die übrigen vermeintlichen "Opfer" wurden entweder von ihren - zumeist männlichen - Angehörigen gegen ihren Willen dazu gedrängt, eine Anzeige zu machen (32 Fälle) oder diese Personen handelten ohne Wissen des "Opfers" (23 Fälle).

           

          Hier handelt es sich wohl in der Regel um "erste sexuelle Erfahrungen Heranwachsender" mit Gleichaltrigen - und dem einen oder anderen "entnervten" Elternteil.

           

          Insgesamt gehen lediglich 40 der 140 vermeintlichen Opfer "aus eigenem Antrieb" zur Polizei, auch bei den Erwachsenen spielen Angehörige - hier vor allem der (eifersüchtige?) Partner - eine wichtige Rolle. Die meisten Frauen geben bei einer Falschaussage also einem äußeren Zwang nach, z.B. um einen Seitensprung zu verheimlichen.

           

          "Daneben gab es noch eine Vielzahl anderer Mitteiler, die bei verschiedensten Gelegenheiten von einer angeblichen Sexualstraftat gehört hatten, sowie zwei anonyme Anrufer, die „vertraulich“ über eine

          „Straftat“ berichteten". Insgesamt 23 der 140 Fälle (16,5%) gingen hier also ebenfalls überhaupt nicht auf das Konto von Frauen.

           

          Wenn man das alles berücksichtigt, beträgt der tatsächliche Anteil von erwachsenen Frauen, die vorsätzlich und ohne (erkennbaren) Zwang eine falsche Beschuldigung im zusammenhang mit einem Sexualdelikt (Vergewaltigung, sexuelle Nötigung) vorbringen auf etwa 2%.

          • 7G
            7965 (Profil gelöscht)
            @cursed with a brain:

            Das Herunterrechnen der falschen Verdächtigungen auf 2 % ist lächerlich. Aus was für Motiven oder wodurch angetrieben die Anzeigeerstatter zur Polizei gehen, ist für die Frage, ob dem Beschuldigten ein Strafverfahren ins Haus steht, völlig ohne Belang.

             

            Mit der eingebrachten Gesetzesreform wird auf das subjektive Empfinden des Opfers von einer Zwangslage abgestellt, ohne dass dem Täter diese bekannt ist(!).

             

            Was glauben Sie denn wohl, was die von Ihnen herausgerechneten „Opfer“ zu dieser Zwangslage wohl aussagen werden, wenn sie sich aufgrund von Fremdbestimmung zu einer Anzeige entschlossen haben?