350 Jobs in Bremerhaven in Gefahr: Die neue Schiffbau-Krise

Die Lloyd-Werft ist von der Schließung bedroht. Die Bremer Politik will sie retten, mit Geld aus Berlin. Interesse hat ein Investor aus der Region.

Lloyd-Werft, von der Weser aus gesehen

Bevorzugt gelegen, aber strukturell gefährdet – die Lloyd-Werft Foto: Ingo Wagner/dpa

BREMEN taz | Es geht um viel mehr als nur um 350 Arbeitsplätze in Bremerhaven. Es geht um Tradition und Identität, um Geschichte und auch um das Selbstverständnis Bremerhavens. Die akut existenzbedrohte Lloyd-Werft habe für die Stadt „einen hohen symbolischen Wert“, sagt ihr Oberbürgermeister Melf Grantz (SPD). Ihr Ende wäre „eine Katastrophe für Bremerhaven“, sagt die Wirtschaftssenatorin von der Linkspartei Kristina Vogt, und dass Aufgeben „nicht infrage kommt“. Das ist die Fallhöhe der Debatte, die am Mittwoch in der Bremischen Bürgerschaft stattfindet.

Am vergangenen Freitag hatte die Geschäftsführung der Belegschaft verkündet, dass die Lloyd-Werft zum Jahresende geschlossen wird. Für immer. Dann wird sie ihr letztes Großprojekt abgeliefert haben, eine Luxusjacht, die unter dem Namen „Solaris“ gehandelt und für einen anonymen Superreichen gebaut wird. Nach dieser Ankündigung trat das ein, was die IG Metall eine „Schockstarre“ nennt.

In Bremerhaven geht es um 350, an der Ostsee aber gleich um über 1.000 Jobs

Einst, nach dem Krieg, waren noch 5.000 Menschen auf dieser 1857 gegründeten Werft beschäftigt, Mitte der Achtziger, als der später untergegangene Bremer Vulkan hier das Ruder übernahm, waren es immer noch 1.300. Die Historie reicht zurück in das Zeitalter großer Passagierschnelldampfer, die über den Atlantik fuhren, und in Jahre im vorvorletzten Jahrhundert, in denen hier das größte Trockendock der Welt stand.

Seit 2015 gehört das alles zu den MV-Werften in Mecklenburg-Vorpommern, die wiederum dem Genting-Konzern aus Hongkong gehören. Und der verdient mit Kreuzfahrten und Schiffen sein Geld, mit Tourismus und auch ein bisschen mit Glücksspiel, jedenfalls in Branchen, die im Zuge der Coronapandemie „stark zusammengebrochen“ sind, wie der SPD-Wirtschaftspolitiker und Gewerkschafter Volker Stahmann sagt. In den Ostsee-Werften des Konzerns könnten deshalb 1.200 Jobs wegfallen.

„Die Situation ist schwierig, aber nicht hoffnungslos“, sagt Kristina Vogt. Denn inzwischen ist ein möglicher Investor aufgetaucht, und er kommt diesmal sogar aus der Region: Die aus 14 Firmen bestehende Rönner-Gruppe, die sich zwischen klassischem Schiffbau, der Zulieferindustrie und allerlei Metall- und Industrieanlagenbau bewegt. „Wir überlegen jetzt, wie es weitergehen kann, wie wir eine Übernahme finanzieren können und wie wir die Menschen beschäftigen können“, wird deren Chef Thorsten Rönner bei Nord 24 zitiert.

Ingo Tebje, Wirtschaftspolitiker und Gewerkschafter der Links-Fraktion im Parlament, würde diese Lösung „sehr favorisieren“. Ihn treibt aber die Sorge um, dass die Lloyd-Werft in den Sanierungsverhandlungen der anderen MV-Werften in Wismar, Rostock und Stralsund „zwischen die Mühlen“ geraten könnte. Schließlich geht es da um noch mehr Jobs.

Rettendes Geld aus dem Bremer Haushalt gibt es zumindest nicht, soviel machen die Koalitionäre klar. Volker Stahmann hofft auf Geld aus dem im Zuge der Coronakrise aufgelegten Wirtschaftsstabilisierungsfonds des Bundes. Und wenn die ostdeutschen Genting-Standorte finanzielle Hilfe von Land und Bund bekämen, müsse auch Bremerhaven etwas abbekommen, sagte der Sprecher von Melf Grantz. Auch Vogt hat bei Radio Bremen bereits Bundesgelder für die Lloyd-Werft eingefordert, die Gespräche laufen schon. Schließlich sei der Standort in Bremerhaven „durchaus überlebensfähig“, so Vogt.

Auftrag ohne Ausschreibung?

Während die einen die Zukunft der Lloyd-Werft eher auf dem Reparatursektor sehen, setzen andere auch weiterhin auf Neubauten. Wie Politiker der Linken und Grünen auch hofft SPD-Politiker Stahmann noch auf den anstehenden Neubau der Polarstern II des Alfred-Wegener-Institutes (AWI) in Bremerhaven. Schließlich wird auch die Polarstern I auf der Lloyd-Werft gewartet.

Das europaweite Vergabeverfahren des Bundes für den Neubau des Forschungsschiffes war im vergangenen Jahr zunächst gestoppt worden. Politiker aus Bremen und Mecklenburg-Vorpommern hatten sich hernach dafür starkgemacht, dass die angeschlagenen MV-Werften ausnahmsweise und direkt den Zuschlag kriegen – und damit auch die Lloyd-Werft. Das Bundesforschungsministerium und das AWI hatten aber abgewunken. Bei dem Auftrag geht es um fast 900 Millionen Euro.

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