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30 Jahre Archiv der sozialen BewegungenBrandgeruch in der Nase

Das Archiv der sozialen Bewegungen ist in der Hamburger Roten Flora zu Hause. Nun feiert es sein 30-Jähriges Bestehen.

Heimat auch für das Archiv der sozialen Bewegungen: Die Rote Flora in Hamburg Foto: dpa

Hamburg taz | Akten neben Akten, Mappen auf Mappen, Broschüren hier, Flugblätter da. Im ersten Stock der Roten Flora befindet sich das „Archiv der Sozialen Bewegungen“, das wie die Rote Flora das 30-Jährige Bestehen feiert. Seit 1989 archivieren die Mitarbeiter Materialien und katalogisieren Zeitschriften, Broschüren, Texte, Zeitungsartikel, Flugblätter und Plakate. Denn das Archiv möchte das „kollektive Gedächtnis“ der sozialen Bewegung sein und der Öffentlichkeit die politischen Quellen zugänglich machen.

Am Montagnachmittag kann das Archiv besucht werden, Termine können auch nach Absprache getroffen werden. Rechter Seiteneingang, Klingelknopf links oben. „Bis heute bringen Aktive uns ihre privaten Sammlungen“, sagt ein Mitarbeiter des Archivs. Selbst wenn Gruppen oder Bewegungen zusammenbrechen, würde das darum kaum zum Verlust des Materials oder der Debatten führen.

Der Anfangsbestand kam aus dem Infoladen Schwarzmarkt und dem Foto-Archiv-Kollektiv. Die Archivierungsstruktur orientiert sich an den Aktionsfeldern der sozialen Bewegungen, Stichworte sind „Umstrukturierung“, „FrauenLesbenTransgender“, „Antirassismus“, „Antifaschismus“, „Internationalismus“, „Anti-AKW“, „Soziale Kontrolle“, „Knast und Justiz“ und vieles mehr. Daneben führt das Archiv rund 80 Titel als Freiabos.

Die staatlichen Archive und Bibliotheken verfügten nur über wenig Material dieser sogenannten „grauen Literatur“, heißt es auf der Webseite des Archivs, das nach eigener Auskunft von „unbezahlter Arbeit“ getragen wird. Träger ist „Zeitpunkte – Verein zur Förderung der politischen Bildung“.

Wie wichtig es ist, ein Archiv aus der linken Szene zu haben, zeigte sich 2011. In Eisenach wollte die Polizei zwei Bankräuber stellen – und stieß zufällig auf das NSU-Kerntrio. Doch die ersten Bilder von Uwe Mundlos, Uwe Böhnhardt und Beate ­Zschäpe kamen nicht von den großen Redaktionen, sondern von den antifaschistischen Archiven – in den 90er-Jahren hatten sich die Medien kaum für die rechtsextreme Szene interessiert.

Wenn man früher rechts die Balustrade hoch durch die Fenster schaute, saß dort eine Mitarbeiterin, die Material der rechten Szene archivierte und analysierte. Solche Bestände aus der vordigitalen Zeit helfen noch heute, die Biografien rechter Personen nachzuvollziehen. Wer stand im Impressum eines Szenemagazins? Wer unterzeichnete Einladungen?

Als im November 1995 das Archiv und mit ihm der ganze erste Stock ausbrannten, sei das ein schwerer Schlag gewesen, sagt ein Archivmitarbeiter. Feuer und Wasser sind die Feinde eines Archivs. Noch heute habe er den Brandgeruch in der Nase. Drei Jahre lang war das Archiv in Übergangsräumen. 1998 zogen sie zurück. Über 200 Personen bildeten den „Paper-Move“, um den Bestand zurück in die Flora zu tragen.

Heute ist der Bestand größer als vor dem Brand. Die Materialien sollen nicht bloß politischen Initiativen nutzen. Auch für Hausarbeiten und Referate könne reingeschaut werden, schreibt das Archiv auf seiner Webseite. Ein Angebot, das der Staatsschutz nicht so gern sehen dürfte.

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