2G-Protest in Hamburg: „Kinder verdienen Normalität“
Die „Initiative Familie“ demonstriert am Sonntag gegen 2G für Kinder und Jugendliche. Die Falschen würden vom kulturellen Leben ausgeschlossen.
taz: Frau Kuricova, warum gehen Eltern Sonntag in Hamburg auf die Straße?
Anna-Maria Kuricova: Wir wenden uns dagegen, dass die 2G-Regelung auch für Kinder von zwölf bis 17 Jahren gilt. Die hätten nur Zutritt zu Orten wie Restaurants oder Theater, wenn sie geimpft oder genesen sind. Auch Schwangere und Stillende werden durch die Regel von Teilhabe ausgeschlossen.
Wieso? Ältere Kinder und Schwangere können doch geimpft werden.
46, hat zwei Kinder und ist Schauspielerin. Sie ist aktiv in der „Initiative Familie“, die für Sonntag zur Demo aufruft.
Der Hamburger Senat stellt Veranstaltern frei, sich für 2G oder 3G mit Test zu entscheiden. Aber so schiebt er die Verantwortung ab. Das bringt nicht nur Veranstalter in eine prekäre Situation, sondern auch uns Familien. Wollen Veranstalter die Hütte voll bekommen, müssen sie andere ausschließen. Ab dem 25. September müssen Kinder geimpft sein, um Zutritt zu bekommen.
Wo ist das geregelt?
Es wurde vom Senat so angekündigt. Kinder sollten sechs Wochen Zeit haben sich zu impfen, danach gelte 2G auch für sie. Es soll jetzt am Dienstag im Senat aber noch mal besprochen werden, ob man die Kinder doch ausnimmt aus dieser Regelung.
Mal praktisch gefragt: Eine Pizzeria wendet 2G an. Können Zwölfjährige da rein?
Nur wenn geimpft sind.
Und jüngere Kinder?
Die könnten Pizza essen.
Was spricht dagegen, 12- bis 17-Jährige zu impfen?
Nichts. Die „Initiative Familie“ ist Impfbefürworter. Wir haben eine hohe Impfquote in unserem Verein. Wir sind total dafür und freuen uns, dass diese Kinder jetzt eine Empfehlung der Ständigen Impfkommission, der Stiko, haben. Nur kritisieren wir scharf, dass soziale Teilhabe und Bildung von diesem Status abhängig gemacht wird. Auch die Stiko sagt, bei Kindern darf Impfung nicht Voraussetzung für soziale Teilhabe sein. Das wird mit dieser Regelung ignoriert.
Bildung ist ja weiter offen. Die Schulen haben kein 2G.
Aber wenn die Schule zum Beispiel Ausflüge ins Museum macht, dann stehen da die ungeimpften Kinder draußen vor. Und jetzt kommt die Zeit der Weihnachtsmärchen, der Theaterbesuche, da sind die raus. Oder Sportveranstaltungen, das zieht ja große Kreise.
Ungeimpfte Kinder werden von Kultur ausgeschlossen?
Ja.
Könnte 2G nicht Ansporn sein, Kinder schnell zu impfen?
So ist es gedacht. Aber bei 17 Millionen ungeimpften Erwachsenen, den Druck bei den Kindern zu erhöhen, ist falsch. Es sollten Aufklärungskampagnen für Erwachsene gestartet werden, sich impfen zu lassen. Es wurde anfangs Solidarität mit den vulnerablen Gruppen eingefordert, wo bleibt jetzt die Solidarität mit den Kindern?
Laut Plan gilt 2G für ältere Kinder ab dem 25. September?
Vermutlich. Die momentane Verordnung endet an diesem Tag. Danach könnten Zwölf bis 17-Jährige betroffen sein. Und es gibt schon Betreiber, die sich klar zu 2G bekennen. Wir verstehen das. Die hatten durch die Krise wirtschaftliche Einbußen und müssen gucken, dass sie die Säle wieder füllen. Aber was machen wir mit unseren Kindern? Wenn eine Gruppe von 14-Jährigen ins Kino will und da sind zwei ungeimpfte dabei, bleiben die dann draußen? Das ist eine Diskriminierung.
Was ist Ihre Forderung?
Der Senat sollte die 2G-Regelung für Kinder zurücknehmen. Man könnte Niedersachsen folgen. Dort werden alle bis im Alter zu 17 Jahren aus der 2G-Regelung ausgeklammert. Ich hörte von einem großen Sportverein hier in Hamburg. Die sagen: Wir kontrollieren, dass die Erwachsenen 2G sind. Dafür durften die Kinder auch rein, wenn sie nicht geimpft waren.
Haben Sie denn schon mit dem Senat gesprochen?
Wir bemühen uns immer wieder um Gespräche mit den Verantwortlichen. Wir machen Aktionen, schreiben offene Briefe und gehen ins Gespräch, um die Situation zu verbessern.
Ist denn eine Demo nötig?
Ja. Vielen ist nicht klar, dass die Kinder ausgeschlossen werden und was für Folgen das hat. Wir hören, dass Lehrer sich da einen Spaß draus machen und auf dem Sportplatz abfragen: Und, alle mal Arme hoch, wer ist geimpft? Da werden Kinder stigmatisiert.
Sie wollen, dass der 17-Jährige anders behandelt wird als jemand, der über 18 ist?
Sagen wir so: Die Kinder haben wegen Corona viel eingesteckt, wir sehen viele Kollateralschäden. Bildungschancen wurden eingeschränkt, die Gewalt nahm zu, die Belastung für alle Familien war groß. Kinder litten an Bewegungsmangel, es gibt Übergewicht, Magersucht, Depressionen. Ich arbeite auch mit Jugendlichen und habe viele gesehen. Kinder verdienen jetzt vor allem eins: Normalität. Schließt man sie jetzt von Freizeit und Sport aus, sind Kinder nach 18 Monaten Pandemie wieder die Leidtragenden.
Wie blicken Sie auf den Herbst? Kommt es wieder zu Schulschließungen?
Es ist bei vielen Eltern die große Sorge, dass es eine Dauerschleife gibt, ein Albtraum, der nicht endet. Die Schulen zu schließen, war immer das schnellste Mittel. Das Öffnen dauert Monate. Das können wir so nicht mehr dulden. Andere Länder verzichten jetzt auf Masken in Grundschulen. Das wollen wir auch. Es braucht kindgerechte Hygienemaßnahmen an den Schulen.
Wäre es dafür nicht gut, dass viele Kinder geimpft sind?
Stimmt. Aber ungeimpfte Schüler dürfen jetzt nicht die Begründung für erneute Schulschließungen sein.
Treffpunkt der Demo „Bedingungslose soziale Teilhabe für Kids & Teens!“ ist Sonntag, 16 Uhr, beim Grünen Jäger an der Feldstraße
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