25 Jahre LSVD: Ein Lob dem Verein

Der Lesben- und Schwulenverband feiert Jubiläum. Er darf sich als erfolgreich verstehen. Alternative Milieus sind trotzdem voller Groll. Warum bloß?

Plakat für die Respect Games in Berlin (Archivbild, 2013). Bild: imago/CommonLens

In unseren, alternativen wie linken Kreisen ist ja der Verein als solcher verdächtig. Er gilt als knöchrig, verkrustet, verpanzert, doof und funktionärshaft – also als Gegenteil von lebendig und erfrischend. Eine Kritik, die in gewisser Weise ans Etablierte adressiert ist.

Denn in Deutschland gibt es mehr als 500.000 Vereine – und einer von ihnen, kein unwichtiger, feiert heute 25. Geburtstag. Es ist der Lesben- und Schwulenverband Deutschland. Er funktioniert wie alle Vereine in Deutschland. Er vertritt Interessen, trägt sie lobbyierend in politische Gremien, organisiert in eigener Sache Goodwill und will durchgesetzt wissen, was die Mitgliedschaft verwirklicht sehen will.

Vereine haben unverdientermaßen einen schlechten Leumund. Ein Boom des Vereinswesens begann im 19. Jahrhundert – heute ehrwürdige Institutionen wie die Patriotische Gesellschaft in Hamburg sind Vereine, die als Bürgerinitiativen begannen. Ohne Vereine nicht das, was als Zivilgesellschaft verstanden wird. Also das Unterfutter einer differenzierten Gesellschaft, die in die und mit den Staatsapparaten kooperieren muss und es auch will: weil der demokratische Staat auf die Impulse der Vereine angewiesen ist.

Der LSVD war insofern für Menschen der Schwulen- oder Lesbenbewegung eine Provokation, weil diese, aus der Kultur der Siebzigerjahre hervorgegangen, lieber auf informelle Strukturen, auf flüssige Formen der politischen Gesellung setzen mochten. Allein: Der Bundesverband Homosexualität, aus dem Teile sich abspalteten, um sich dem aus der DDR-Bürgerrechtsbewegung hervorgegangenen Schwulenverband Deutschland anzuschließen, war keine Organisation mit transparenten Strukturen. Kurz: Wie alle alternativen Zirkel ohne Vereinsstruktur leben diese von Platzhirschen und -kühen, also von Ellenbogenmenschen.

Nichts für queere Szeneasten

Seit dem 23. April 1990 gibt es den SVD, seit dem März 1999 LSVD, weil etliche lesbische Frauen wie Halina Bendkowski fanden, dass die (homo)sexuellen Selbstbestimmung wie auch die bürgerrechtliche Gleichstellung von Lesben, Schwulen, Trans* und Inter nur mit schwulen Männern zusammen errungen werden könne.

Für queere Szeneasten, die mehr ihre sexualpolitische Identität und gern auf alternativen CSD-Umzügen (etwa in Kreuzberg oder Neukölln) das eigene Sein als politisch an sich ausstellen, ist das alles nichts: Der LSVD ist eine bürgerrechtliche Serviceagentur, die Rechtshilfe leistet, Flashmobs organisiert, international vernetzt ist im Übrigen – und ebenso dazu beiträgt, dass Straßen zugunsten von queeren BürgerInnen (wie Magnus Hirschfeld) umbenannt werden. Und er leistet durch vorzügliche Kontakte in die wissenschaftliche Juristenszene Arbeit am Verfassungsrecht: Der Triumph dieses Verbands war das Karlsruher Urteil zum Lebenspartnerschaftsgesetz 2001. Seither ist das Grundgesetz nicht mehr heteronormativ interpretierbar.

Wie dem auch sei: Beim LSVD können JournalistInnen anrufen, wenn sie eine Frage haben – Medienmenschen mithin, die nicht in die letzten Verästelungen der LGBTI-Chiffrenlogik eingeweiht sind und lieber für ihre LeserInnenschaften in der Provinz fragen: Dürfen Standesbeamte auch „Ehe“ statt „Eingetragene Lebenspartnerschaft“ sagen? (Nein, leider.) „Wie geht das mit Adoption von Kindern der/des Liebsten?“ (Kompliziert.) „Kann ich rechtlich rehabiliert werden, wenn ich 1965 nach Paragraph 175 in der Nazifassung verurteilt wurde?“ (Nein, noch nicht.) Und: Die Telefone sind besetzt, die Experten gleich bei der Hand – Professionalität gilt überhaupt in Vereinen nicht als Macke von HysterikerInnen.

Ein Stück Definitionsmacht

Vereine wie der LSVD – das unterscheidet ihn nicht von einer Megavariante von Verein wie dem DGB – sind in alle Teilsysteme des bürgerlich-demokratischen Systems integriert. Wobei man sagen sollte: Das musste errungen werden. Neulich wurde erst der LSVD – dank rot-rot-grüner Initiative Thüringens – in den Fernsehrat des ZDF aufgenommen: Nun können etwa die christlichen Kirchen dort nicht mehr allein (ihre Vorstellung von) Sittlichkeit definieren.

Natürlich kann ein Verein, der sich am Samstag in Berlin auf seinem Verbandstag in Anwesenheit von Justizminister Heiko Maas, den Bundestagsvizepräsidentinnen Petra Pau und Claudia Roth sowie Berlins Sozialsenatorin Dilek Kolat feiert, auf die Nerven gehen. Weil er beansprucht, für alle Homos zu sprechen; und weil er nüchtern-unpompös um Einflüsse in der heterosexuellen Welt kämpft und auf Befindlichkeiten der autonomen Queerbewegung nicht eingeht.

Wichtiger wird dem sich parteineutral verstehenden LSVD sein, dass zu seinem Geburtstag eine konservative Leitfigur wie Kanzlerin Merkel nicht kommt. Ganz bürgerlich wird er dies als Ansporn nehmen: dass es in 25 Jahren Christdemokraten nicht mehr bang wird, bei den einstigen Parias der bürgerlichen Gesellschaft zu Gast zu sein.

Der Autor war von 1993 bis 2006 Mitglied des LSVD.

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