2020 bringt noch ein Ost-West-Jubiläum: Wessis, es geht wieder los

Sie haben dieses Jahr genug über den Osten gehört? Ich muss sie enttäuschen, 2020 rollen wir das alles nochmal auf. Zum Glück!

Statue: Zwei ineinandergreifende Hände

Dieses Denkmal in Marienborn, Sachsen-Anhalt, soll an die Wiedervereinigung erinnern Foto: dpa

Wenn Sie gehofft hatten, dass es jetzt wirklich mal gut ist mit diesem Ostthema, dann haben Sie sich geschnitten. Entschuldigen Sie, liebe Kolumnenleserschaft, bitte den leicht genervten Ton – fest steht: Die gefühlte Ruhe nach den drei so frustrierenden ostdeutschen Landtagswahlen des zurückliegenden Jahres war lediglich eine kurze Unterbrechung. Jetzt beginnt 2020 und es wird noch mal richtig hässlich.

Denn 2020, das ist dreißig Jahre 1990. Und 1990 – da war nix mehr mit „Ein paar mutige Menschen riskieren was und schwups wird die Chose zur Revolution“. 1990 – das ist Kohl und Treuhand und Stasi.

Und Westdeutsche, die vor sächsischen Reihenhäuschen vorfahren, um sie erst zu fotografieren und dann einen Anwaltsbrief zu ­schreiben. Mag sein, dass unsere liebe Bundesregierung versuchen wird, Vorgänge wie die Währungsunion und Betriebsschließungen als leicht schmerzhafte, aber eben auch notwendige Erinnerungen zu verkaufen. Als historischen Prozess, bei dem ein paar Leute leider ein paar Nachteile in Kauf zu nehmen hatten. Und hey, kriegen nicht selbst die Ostler mit den „Umbruchserfahrungen“ alle heute ihre Rente, obwohl sie ein Schrottland aufgebaut haben? Siehste! Die soziale Marktwirtschaft lässt niemanden im Stich.

Aber so wird es nicht laufen. Und Sie, liebe nachgeborene (und im Grunde ja auch nix dafür könnende) westdeutsche Mitbürger, werden sich 2020 die ganze Geschichte noch mal von vorne anhören müssen. Oder, wie es der Ostbeauftragte der Bundesregierung – eine Art regierungsseitig beeidigter Gutfinder namens Christian Hirte – gerade im Interview mit der Welt gesagt hat: „Es gibt auch im Osten große Unterschiede. Wir Deutsche müssen lernen, diese Unterschiede auszuhalten.“ „Wir Deutsche“ – das sind wir alle. Aber aushalten mussten das, was im Jahr 1990 passiert ist, ausschließlich die Ostdeutschen.

Meldet euch, wenn ihr so seid wie wir!

Wer meint, dass das Jahr 1990 sich für die Ostdeutschen wie ein Aufbruch zu neuen Gestaden angefühlt haben mag, liegt richtig. Aber richtig ist eben auch, dass – dort angekommen – niemand drauf gewartet hat, dass 16 Millionen Neubürger in ihr aktuell auch nicht gerade prosperierendes Arbeits- und Sozialsystem einsteigen. Aus Brüdern und Schwestern, hinter der Grenze sicher weggehalten, wurde schlagartig Passinhaber mit Ansprüchen.

Es nützte leider auch nicht viel, die Ostler als schlecht angezogene, schlecht ausgebildete und irgendwie drollige Neuankömmlinge abzutun. Nach dem Motto: So bitte, hier euer Westgeld, jetzt wieder an die Arbeit (wenn ihr noch welche habt). Meldet euch, wenn ihr so seid wie wir. Ich weiß gar nicht, was die dümmere Entscheidung des Westens war: Uns Ostler zu verzwergen oder uns zu verleugnen. Dass alles jetzt, dreißig Jahre später, noch mal hochkommt, dass an Küchentischen, in den Kneipen und Feuilletons Zeugnis abgelegt wird, mag anstrengend sein. Ist aber notwendig.

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1965, ist taz-Parlamentsredakteurin. Sie berichtet vor allem über die Unionsparteien und die Bundeskanzlerin.

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