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10 Jahre VäterzentrumDie Papas vom Prenzlberg

Seit zehn Jahren kämpft das Väterzentrum dafür, dass Männer ihre Vaterrolle wahrnehmen. Das Jubiläum wird gefeiert – mit Müttern und Kindern.

Wer hat noch einen Tipp für die Kitaplatz-Suche? Kaffeeklatsch beim Papa-Café

Alle, wirklich alle Artikel, die in den letzten Jahren über das Väterzentrum in Prenzlauer Berg geschrieben wurden, bemerken die Carrera-Bahn an der Wand. Und den Boxsack in der Ecke, und die Fußbälle, die zu Dekozwecken aus der Wand schauen. „Natürlich spielen wir da mit Stereotypen“, sagt Eberhard Schäfer, der den Vätertreff in der Marienburger Straße vor inzwischen zehn Jahren mitgegründet hat – am Samstag wird das Jubiläum groß gefeiert (siehe Infokasten). „Aber ein bisschen Selbstironie“, sagt Schäfer mit Blick auf die Jungsdeko in seinem Ladenlokal, „darf man uns da ruhig auch unterstellen.“

Selbstironie ist durchaus eine nützliche Eigenschaft, wenn man einen Vätertreff ausgerechnet im durchgentrifizierten Prenzlauer Berg betreibt. Gerne wird Schäfer vorgeworfen, er bediene mit seinen Angeboten – Papa-Café, Kurse für werdende Väter – ein Klientel, das es eigentlich nicht mehr nötig habe, darauf aufmerksam gemacht zu werden, dass auch Männer wickeln können und Teilzeit nicht nur eine Option für Frauen ist.

Schäfer sagt, er könne diesen Vorwurf nachvollziehen – ungerecht findet er ihn trotzdem. Denn auch hier, im Prenzlauer Berg, würden sie noch gebraucht mit ihrem politischen Anspruch, „eine aktive Vaterschaft zu fördern“.

Fragt man die Väter, die an diesem Donnerstagvormittag mit ihren Kleinkindern auf dem Teppich sitzen, Croissants und Schokowaffeln essen und sich über die Tücken von Kitaplatzbeantragung und Babyschwimmkursen („Meine Große hat die ganze Zeit bloß geschrien.“) unterhalten, sagen die meisten tatsächlich: Zwei Monate nehme ich Elternzeit, den Rest macht meine Partnerin. Damit entsprechen sie dem statistischen Durchschnitt: Mehr als die Hälfte der Berliner Elternzeit-Väter traut sich für maximal zwei Monate in Vollzeit an den heimischen Wickeltisch.

Papa-Party zum zehnten Geburtstag

Mit einer Papa-Party feiert das Väterzentrum am Samstag ab 14 Uhr auf dem Stadtplatz Marie und auf dem Schulhof der benachbarten Grundschule in der Marienburger Straße sein 10-jähriges Jubiläum.

Für die Kleinen gibt es eine Carrera-Bahn, einen Mitmachzirkus und ein Bonbonkatapult. Auch ein Zauberer kommt. Für die Großen diskutieren die lokalen Direktkandidaten für den Bundestag zu „zeitgemäßer Familienpolitik“: Canan Bayram (Grüne), Pascal Meiser (Linke), Cansel Kiziltepe (SPD), Timur Husein, (CDU) und Athanasia Rousiamani-Goldthau (FDP).

Das Papa-Café findet immer donnerstags ab 10 Uhr in der Marienburger Straße 28 statt. Für Väter in Elternzeit und ihre Kinder. (akl)

„Teilzeit ist super“

Allerdings schläft hier im Papa-Café auch Ida, drei Monate, auf der Krabbeldecke, deren Eltern beide bereits wieder in Teilzeit arbeiten. „Teilzeit ist super“, sagt Idas Vater Simon. Auch Uli, der Babyschwimmen-Erprobte, erzählt: „Meine Frau hat ihre Stelle reduziert, ich auch.“

Wenn er den Vätern zuhöre, sagt Schäfer, dann seien es auch die Mütter, die einer gleichberechtigteren Aufteilung von Familie und Job oft im Weg stünden. „Die Frauen reklamieren das Babyjahr für sich. Da gibt es gesellschaftliche Konventionen, die offenbar sehr hartnäckig sind.“ Viele Mütter wie Väter halten diese Erzählung von der Schuld der Mütter für Quatsch – andere zitieren bei dieser Gelegenheit gerne das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung, das im Frühjahr 6.500 Frauen befragt hatte. Ergebnis: Rund 60 Prozent von ihnen finden, Mütter sollten die ersten drei Jahre zu Hause bleiben – und erst wieder Vollzeit arbeiten, wenn das Kind mindestens sieben Jahre alt ist.

Die Jugendverwaltung fördert das Väterzentrum, das neben Papa-Café auch Rechtsberatung für Väter in Scheidung anbietet, mit jährlich 100.000 Euro. Man kann sich fragen, was zehn Jahre Väterförderung im Prenzlauer Berg gebracht haben, wenn die Mütter dort „bis 15.30 Uhr weitgehend unter sich sind auf dem Spielplatz“, wie ein Vater erzählt. Natürlich gebe es noch viel zu tun, so Schäfer. „Aber ich bin grundsätzlich Optimist.“

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1 Kommentar

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  • Zitat: „Die Frauen reklamieren das Babyjahr für sich. Da gibt es gesellschaftliche Konventionen, die offenbar sehr hartnäckig sind.“

     

    Da haben wir es wieder: Schuld sind die Frauen. Aber mal Spaß beiseite: Nein, es sind nicht die Konventionen. Jedenfalls nicht nur. Wenn Frauen das Babyjahr für sich „reklamieren“, dann ist das eine Re-Aktion. Es ist eine Frage der Selbstermächtigung. Es hat (unter anderem) mit einem Berufsumfeld zu tun, das sie an einer entscheidenden Stelle nicht zufriedenstellen kann und will.

     

    Auch Frauen wollen selbstbestimmt arbeiten. In einer Welt, in der sich Männer noch immer sehr viel mehr über ihre Führungsrolle als über Fußball definieren, kommen sie bloß nicht all zu oft dazu. Dass sie nach einem Ausweg aus der Misere suchen und diesen in der Kindererziehung sehen, in die ihnen niemand reinreden kann, so lange Papa im Büro ist, wundert mich nicht. Dank Konvention ist das „the easyest way out“. Rücksicht auf Väter? Wieso? Die kümmern sich doch prima um sich selbst!

     

    Prenzlauer-Berg-Frauen sind überdurchschnittlich gebildet und überdurchschnittlich anspruchsvoll, habe ich gehört. Ihre Bedürfnisse sind andere als die von Fließbandarbeiterinnen ohne Schulabschluss. Sie haben Erwartungen ans Leben, die andere Frauen (noch) nicht haben. Mit einer Realität konfrontiert, die so gar nicht ihren modernen Vorstellungen entsprechen will, greifen sie zur Selbsthilfe. Durchsetzungskraft, schließlich, ist ihnen schon in die Wiege gelegt worden. Solidarität und Gesellschaftsreflexion leider nicht.

     

    Das Kind ist psychologisch unglaublich wertvoll für anspruchsvolle, im fairen Kampf um Gleich-Berechtigung ungeübte Frauen. Die Zahl der Kinderwagen, die im Prenzelberg vor Altbauwohnungen mit hohen Decken parken, scheint mir Recht zu geben, höre ich.

     

    Auch ich bin "grundsätzlich Optimist". Aber das mit dem unfairen Wettbewerb wird wohl doch noch eine Weile ein Problem bleiben. Auch in den Familien und sogar am Prenzlauer Berg.