+++ Nachrichten zum Ukrainekrieg +++: Gefangene US-Bürger vorgeführt
Die Ukraine will mit Russland im August wieder verhandeln. Die Bundesnetzagentur warnt vor Erdgas-Kürzungen in der Wirtschaft.
Schwierige Lage für ukrainische Zivilisten in Sjewjerodonezk
Zivilisten in der schwer umkämpften ukrainischen Stadt Sjewjerodonezk müssen nach Einschätzung britischer Geheimdienstexperten sehr schwierige Abwägungen treffen. Einerseits gebe es angesichts zerstörter Brücken außer den von Russland und seinen Verbündeten einseitig ausgegebenen humanitären Korridoren kaum Wege, um aus der Stadt zu kommen.
Andererseits habe Moskau schon in früheren Fällen in der Ukraine und auch in Syrien solche Korridore als Mittel missbraucht, um sich Vorteile auf dem Schlachtfeld zu verschaffen und Menschen zwangsweise umzusiedeln, hieß es in einer Mitteilung des britischen Verteidigungsministeriums am Samstag.
Russlands vorgeschlagene Route würde die Menschen in Richtung des Orts Swatowe führen, weiter in das von Russland besetzte Gebiet, so die britischen Experten. Sie warnten jedoch: „Wenn eingeschlossene Zivilisten das Angebot ablehnen, durch einen Korridor hinauszugehen, wird Russland das wahrscheinlich als Rechtfertigung nehmen, um weniger Unterschied zwischen ihnen und irgendwelchen militärischen ukrainischen Zielen zu machen.“
Nach Einschätzung der Briten haben russische Truppen in den vergangenen 48 Stunden erneut versucht, südlich von Isjum vorzustoßen, um den Kessel von Sjewjerodonezk vom Norden her einzukreisen.
Seit Beginn des russischen Angriffskriegs vor fast vier Monaten veröffentlicht die britische Regierung regelmäßig Geheimdienstinformationen zum Verlauf. Moskau wirft London eine gezielte Desinformationskampagne vor. (dpa)
Ukraine: Verhandlungen erst nach Gegenangriffen
Der ukrainische Chefunterhändler David Arachamija will erst Ende August nach der Durchführung von Gegenangriffen die Friedensverhandlungen mit Moskau wieder aufnehmen. Ende August werde die Ukraine eine bessere Verhandlungsposition haben, sagte er in einem am Samstag erschienenen Interview mit dem Sender Voice of America. „Ich denke, wir werden eine Operation mit Gegenangriffen an verschiedenen Orten führen“, erklärte Arachamija, ohne Details zu nennen.
Die Verhandlungen über eine Friedenslösung haben kurz nach dem russischen Angriff auf die Ukraine begonnen. Ende März hatte Kiew bei den Gesprächen in Istanbul unter anderem vorgeschlagen, auf einen Nato-Beitritt zu verzichten, wenn das Land im Gegenzug internationale Sicherheitsgarantien bekäme. Russland fordert allerdings darüber hinaus noch eine Entmilitarisierung und Gebietsabtretungen. Neben der schon seit 2014 annektierten Krim betrifft dies unter anderem die Gebiete Donezk und Luhansk.
Später kamen die Gespräche zum Erliegen. Verhandelt wurde nur noch über Detailfragen wie den Austausch von Gefangenen, aber keine grundsätzliche Lösung mehr. Moskau macht dafür Kiew verantwortlich. Allerdings setzen beide Seiten offenbar darauf, durch militärische Erfolge, ihre Gesprächsposition verbessern zu können. (dpa)
Gefangene US-Bürger in russischen Medien
Russische Medien haben zwei in der ukrainischen Armee kämpfende und von moskautreuen Truppen gefangen genommene US-Bürger vorgeführt. Er habe der westlichen „Propaganda“ von den „schlechten Russen“ geglaubt und sei deswegen in den Krieg gezogen, rechtfertigte sich einer der Männer im Interview mit der kremlnahen Zeitung Iswestija, das das Blatt am Freitag auf seinem Telegram-Kanal zeigte. „In den westlichen Medien wird uns nicht gesagt, wie inkompetent und korrupt die ukrainische Armee ist“, sagte er.
Der zweite Gefangene trat beim Kremlsender RT auf. Er übermittelte nur einen Gruß an seine Mutter und sprach von der Hoffnung, nach Hause zurückkehren zu dürfen. Beide Soldaten stammen laut den russischen Medien aus dem US-Bundesstaat Alabama und sollen in der Nähe von Charkiw gefangen genommen worden sein.
Unklar ist noch, von wem sie gefangen genommen wurden. Das ist womöglich wichtig für ihr weiteres Schicksal. An der Seite Russlands kämpfen auch noch Truppen der prorussischen Separatisten aus den selbst ernannten Volksrepubliken Donezk und Luhansk. Diese haben bereits drei Ausländer aus den Reihen der ukrainischen Armee – zwei Briten und einen Marokkaner – in einem Schauprozess zum Tode verurteilt. In Russland hingegen ist die Todesstrafe ausgesetzt. (dpa)
BKA geht Hinweisen auf russische Kriegsverbrechen nach
Das Bundeskriminalamt (BKA) geht nach eigenen Angaben mehreren hundert Hinweisen auf russische Kriegsverbrechen in der Ukraine nach. „Bisher haben wir eine dreistellige Zahl von Hinweisen erhalten“, sagte BKA-Präsident Holger Münch der Welt am Sonntag. Ermittelt werde nicht nur zu Tätern von Kriegsverbrechen, sondern auch zu den dafür militärisch und politisch Verantwortlichen.
„Das ist der schwierigste Teil unserer Ermittlungen, eine komplexe Puzzlearbeit“, sagte Münch. „Unser klares Ziel ist es, die für Gräueltaten Verantwortlichen zu identifizieren, ihre Taten durch unsere Ermittlungen nachzuweisen und sie vor ein Gericht zu stellen.“ Dafür gehe das BKA allen Spuren nach, suche Hinweisgeber und sammele Beweise.
„Damit bereiten wir uns auf mögliche Anklagen gegen Personen, die mutmaßlich Verantwortung für Kriegsverbrechen in der Ukraine tragen, in Deutschland vor“, sagte der BKA-Chef. Nach dem sogenannten Weltrechtsprinzip können Kriegsverbrecher auch in Deutschland vor Gericht gestellt werden.
Der Generalbundesanwalt, in dessen Auftrag das BKA ermittelnd tätig sei, führe derzeit ein Strukturermittlungsverfahren, aber noch keine Verfahren gegen einzelne Verdächtige, sagte Münch. „Aber am Ende wollen wir natürlich Täter zur Rechenschaft ziehen“, kündigte er an.
Dafür nutze das BKA auch geheimdienstliches Material, etwas vom Bundesnachrichtendienst (BND). Dieser hat unter anderem zum Beispiel Funksprüche russischer Soldaten mitgeschnitten, in denen diese freimütig über Gräueltaten an der Zivilbevölkerung berichteten. Aber auch von Diensten der Partnerstaaten gingen Informationen ein, die für eventuelle Strafverfahren relevant seien.
Von Ermittlungserfolgen sprach Münch bei der Durchsetzung von Sanktionen gegen russische Oligarchen aus dem Umfeld von Kremlchef Wladimir Putin. „Neben reinen Geldmitteln auf Konten, für deren Einfrieren die Banken zuständig sind, wurden auch Sachwerte eingefroren“, sagte er der Welt am Sonntag. Konkret nannte er die Yachten „Dilbar“ und „Luna“, die verschiedenen russischen Oligarchen zugeordnet worden seien. Deren Wert wird auf knapp eine Milliarde Euro geschätzt. (afp)
Ukraine meldet Versenkung eines russischen Schleppers
Der von ukrainischen Raketen getroffene Schlepper der russischen Schwarzmeerflotte ist nach ukrainischen Behördenangaben gesunken. Der Schlepper „Wassili Bech“ sei am Morgen von ukrainischen Raketen beschädigt worden. „Später wurde bekannt, dass er gesunken ist“, sagte der Militärgouverneur von Odessa, Maxym Martschenko, am Donnerstagabend in einer Videoansprache auf seinem Telegram-Kanal. Eine Bestätigung von russischer oder unabhängiger Seite für die Versenkung gibt es nicht.
Den Beschuss hatte am Donnerstag bereits die ukrainische Marine gemeldet. Demnach wurde das Schiff, das erst 2017 in Dienst gestellt und mit einem Luftabwehrsystem ausgestattet worden war, von Harpoon-Raketen getroffen und schwer beschädigt worden. Die Schiffsabwehrraketen hatte Dänemark an die Ukraine geliefert. Der Schlepper war demnach mit Militärgerät auf dem Weg zur strategisch wichtigen „Schlangeninsel“, die seit Ende Februar von russischen Truppen besetzt ist.
Die „Wassili Bech“ wäre nicht das erste Schiff, das die russische Schwarzmeerflotte im Krieg gegen die Ukraine verloren hat. Bestätigt wurde von russischer Seite der Verlust des Landungsschiffs „Saratow“ und des Raketenkreuzers „Moskwa“. Vor allem der Untergang der „Moskwa“ als Flaggschiff der russischen Schwarzmeerflotte war für die russische Marine ein schmerzhafter Verlust. (dpa)
Netzagentur warnt vor Erdgas-Kürzungen in der Wirtschaft
Angesichts der stark gedrosselten Erdgas-Lieferungen aus Russland nach Deutschland warnt die Bundesnetzagentur laut einem Medienbericht vor möglichen Kürzungen für die deutsche Wirtschaft bereits im Sommer. Nach einem Vorabbericht der Bild-Zeitung erklärt Netzagentur-Chef Klaus Müller intern in Gesprächen mit dem Bundeswirtschaftsministerium, dass die Gasspeicher in Deutschland ihre nötigen Füllstände im Herbst nur dann erreichen können, wenn die Lieferungen aus Russland in den nächsten Tagen wieder auf das übliche Niveau stiegen.
Sollte das nicht geschehen, müsse die Bundesregierung das Gespräch mit rund 2.000 Großkunden suchen und über Einschränkungen beraten. Diese Einschränkungen müssten bereits im Sommer vorgenommen werden. Wie die Zeitung weiter schreibt, strebt Müller einen Füllstand der Gasspeicher von mindestens 80 Prozent im Oktober und von mehr als 90 Prozent im November an.
CDU-Präsidiumsmitglied Jens Spahn und Präsident des Bundesverbands der Deutschen Industrie Siegfried Russwurm fordern indes den sofortigen Umstieg von Gas- auf Kohlekraftwerke bei der Stromerzeugung. „Um die Gasspeicher zu füllen, muss der Gasverbrauch im Sommer runter. Daher sollten jetzt endlich mehr Kohle- und weniger Gaskraftwerke laufen“, sagt der stellvertretende Unions-Fraktionschef Spahn. Russwurm fordert in der Berliner Morgenpost, die Gasverstromung sofort zu beenden und die Kohlekraftwerke aus der Reserve zu holen. Hintergrund sind Sorgen, dass Russland seine Gaslieferungen weiter einschränken könnte. (rtr)
Barley warnt vor überstürztem EU-Beitritt der Ukraine
Die Vizepräsidentin des Europaparlaments, Katarina Barley (SPD), hat vor einer überstürzten Aufnahme der Ukraine in die Europäische Union gewarnt. „Überstürzte Beitritte darf es nicht geben“, sagte Barley der Neuen Osnabrücker Zeitung am Samstag. „Wer einmal in der EU ist, kann nicht ausgeschlossen werden.“ Es sei daher „umso wichtiger“, dass die Beitrittskriterien von Kiew „voll und ganz erfüllt werden“.
Als Negativbeispiel nannte Barley das 2004 der EU beigetretene Ungarn, das die Rechtsstaatlichkeit „systematisch“ aushöhle. Die EU-Kommission hatte am Freitag empfohlen, der Ukraine den Status eines EU-Beitrittskandidaten offiziell zu verleihen. Kommende Woche müssen die 27 EU-Mitgliedsstaaten über einen möglichen Kandidatenstatuts entscheiden, nötig ist dafür eine einstimmige Entscheidung.
Barley würde eine Verleihung des Kandidatenstatus' für die Ukraine nach eigenen Worten ausdrücklich begrüßen. Der Neuen Osnabrücker Zeitung sagte sie, dies wäre „ein wichtiges Signal in Richtung Moskau, dass sich die EU nicht einschüchtern lässt, wenn es darum geht, unsere Werte zu verteidigen“. Mit Blick auf andere Beitrittskandidaten sei es aber wichtig, keine „lockere Auslegung“ der Kriterien für eine EU-Mitgliedschaft vorzunehmen. (afp)
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