Russischer Vormasch in der Ostukraine: Heftige Kämpfe in Sjewjerodonezk

Laut ukrainischem Gouverneur ist die wichtige Stadt im Donbass zu 70 Prozent in russischer Hand. Amnesty wirft Moskau Einsatz von Streumunition vor.

Im Vordergrund ist ein sommerlicher Wald, im Hintergrund steigt dunkler Rauch aus einem Fabrikgelände und einer Stadt

Angriff auf das Azot-Chemiewerk bei Sjewjerodonezk am 10. Juni Foto: Oleksandr Ratushniak/reuters

KRAMATORSK AFP | Die ukrainische Armee ist nach eigenen Angaben von russischen Truppen aus dem Zentrum der heftig umkämpften Stadt Sjewjerodonezk in der Donbass-Region zurückgedrängt worden. Russland sei es „teilweise“ gelungen, die ukrainischen Soldaten zu verdrängen, teilte der ukrainische Generalstab am Montag auf Facebook mit.

Nach Angaben des ukrainischen Regionalgouverneurs von Luhansk, Serhij Hajdaj, kontrolliert die russische ­Armee inzwischen „mehr als 70 Prozent“ von Sjewjerodonezk. Er warf den russischen Truppen vor, auch die Asot-Chemiefabrik, in deren Schutzräumen sich rund 500 Zivilisten befinden, „heftig zu bombardieren“. Laut Hajdaj versuchen die ukrainischen Behörden, einen „humanitären Korridor für die Zivilisten“ auszuhandeln. Bislang seien diese Bemühungen jedoch erfolglos geblieben.

Hajdaj hatte zuvor erklärt, Moskau versorge seine Truppen in der Region Luhansk mit „immer mehr Ausrüstung“, um Sjewjerodonezk und das benachbarte Lyssytschansk „einzukreisen“. In Lyssytschansk wurden nach seinen Angaben binnen 24 Stunden drei Zivilisten durch russische Bombardements getötet. Die ukrainischen Geheimdienste entlarvten in Lyssytschansk demnach 50 „Verräter“, die Informationen an die russischen Truppen weitergegeben hätten.

Sjewjerodonezk und Lyssytschansk sind Schauplatz heftiger Kämpfe. Sie sind die beiden letzten Städte in der ostukrainischen Region Luhansk, die Russland noch nicht eingenommen hat. Laut einem Sprecher der prorussischen Separatisten ist Sjewjerodonezk „de facto“ von der Außenwelt abgeschnitten. Russische Truppen hätten am Sonntag die letzte Brücke, die die Stadt noch mit Lyssytschansk verband, gesprengt, sagte Eduard Basurin am Montag. Die ukrainischen Einheiten vor Ort hätten nur zwei Optionen: „sich zu ergeben oder zu sterben“. Gouverneur Hajdaj bestritt hingegen eine Blockade der Stadt.

Amnesty wirft Russland Einsatz von Streumunition vor

Der ukrainische Präsident Wolodimir Selenski hatte am späten Sonntagabend von intensiven Kämpfen in Sjewjerodonezk gesprochen. Die ukrainischen Truppen und die russische Armee kämpften dort „um jeden Meter“, sagte er. Armeechef Walerij Saluschni sagte, „jeder Meter von ukrainischem Land“ in der Region sei „blutgetränkt“. Doch nicht nur die ukrainische, auch die russische Armee erleide hohe Verluste.

Russland waren in den letzten Wochen immer wieder Kriegsverbrechen in der Ukraine vorgeworfen worden. Am Montag erhob Amnesty International neue Vorwürfe gegen Moskau. Die Menschenrechtsorganisation hat nach eigenen Angaben Beweise dafür, dass die russischen Truppen bei mindestens sieben Angriffen auf Charkiw Streubomben sowie Streuminen eingesetzt haben. Diese Waffen sind durch internationale Verträge geächtet. Amnesty-Forscherin Donatella Rovera bezeichnete den Einsatz dieser Munitionen als „schockierend“ und als „völlige Missachtung des Lebens von Zivilisten“.

Präsidentenberater Mychailo Podoljak konkretisierte derweil am Montag die Forderungen seines Landes nach Waffenlieferungen aus dem Westen. „1.000 Haubitzen vom Kaliber 155 Millimeter, 300 Mehrfachraketenwerfersysteme, 500 Panzer, 2.000 gepanzerte Fahrzeuge, 1.000 Drohnen“ seien nötig, erklärte er auf Twitter. Kiew hofft auf eine Entscheidung beim Treffen der Verteidigungsminister der Ukraine-Kontaktgruppe am Mittwoch.

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