+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++: Russland und USA beharren auf Kriegsschuld des Westens
Beim G-20-Gipfel in Johannesburg zeigt Russlands Außenministers Lawrow, dass Moskau bei seinen Maximalforderungen bleibt. Westliche Politiker widersprechen zum Teil heftig.
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Lawrow: Krieg in der Ukraine nur durch Änderungen in Kyjiw zu lösen
Russlands Außenminister Sergej Lawrow hat erneut den Westen und Kyjiw für den seit drei Jahren laufenden russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine verantwortlich gemacht. „In Europa hat die unbedachte Erweiterung der Allianz (Nato) schon zur ukrainischen Krise geführt“, sagte der russische Politiker bei seiner Rede am Donnerstag auf dem G20-Außenministertreffen in Johannesburg. Eine Lösung für den Konflikt könne nur gefunden werden, wenn die „Ursachen der Krise in der Ukraine beseitigt“ würden – so müsste Kyjiw etwa zur Ausübung der Sprach- und Religionsfreiheit angehalten werden.
Moskau hat den Krieg vor drei Jahren unter anderem fälschlich damit begründet, dass die russischsprachige Minderheit im Osten der Ukraine unterdrückt werde. Lawrow bezeichnete in Johannesburg einmal mehr die ukrainische Regierung als rassistisch und warf dem Westen vor, neofaschistische Bewegungen in der Ukraine zu unterstützen. Die Verhandlungen in Saudi-Arabien mit den USA sind seinen Worten nach wiederum gut verlaufen. So sei die Gegenseite zur Einsicht gelangt, dass Sicherheit in Europa auch die Sicherheit Russlands einschließen müsse.
US-Präsident Donald Trump hat in der vergangenen Woche erstmals mit Kremlchef Wladimir Putin telefoniert, um über eine Beendigung des Kriegs zu sprechen. Allerdings mehren sich wegen jüngster Aussagen Trumps die Befürchtungen, dass ein mögliches Friedensabkommen über die Köpfe der Ukrainer hinweg und zu deren Lasten beschlossen wird. So attestierte Trump etwa Putin den Willen zum Frieden, während er den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj einen Diktator nannte, Zugang zu den ukrainischen Rohstoffen forderte und erklärte, Moskau habe die Trümpfe in der Hand, weil es Territorien erobert habe. (dpa)
Britischer Außenminister: Lawrow verbreitet „müde Märchen“
Beim G20-Außenministertreffen spricht auch der russische Außenminister Lawrow. Sein britischer Kollege wirft ihm danach vor, nicht ernsthaft an Verhandlungen für einen Frieden interessiert zu sein.
Mit Bezug auf die Äußerungen von Russlands Außenminister Sergei Lawrow bezweifelt der britische Außenminister David Lammy, dass Russland ernsthaft über eine Friedenslösung in der Ukraine verhandeln will. Laut der britischen Nachrichtenagentur PA sagte Lammy: „Ich sehe keinen Appetit, diesen Frieden wirklich zu erreichen.“ Man sei nicht in die Nähe einer Verhandlungslösung gekommen.
Der russische Außenminister boykottierte den Angaben zufolge Lammys Rede, die dann vom britischen Außenministerium veröffentlichte wurde. In ihr warf Lammy Lawrow vor, „müde Märchen“ und „die Logik des Imperialismus, verkleidet als Realpolitik“ zu verbreiten. „Wenn es (Kremlchef Wladimir) Putin mit einem dauerhaften Frieden ernst ist, dann muss er einen Weg finden, der die Souveränität der Ukraine und die UN-Charta respektiert, der glaubwürdige Sicherheitsgarantien bietet und der den zaristischen Imperialismus zurückweist, und Großbritannien ist bereit, zuzuhören.“ Lawrows Rede war nicht öffentlich. (dpa)
Ukrainisches Militär: 87 russische Drohnen abgeschossen
Die russischen Angriffe auf die Ukraine gehen unvermittelt weiter. Das ukrainische Militär hat nach eigenen Angaben in der Nacht zu Freitag 87 russische Drohnen abgefangen und zerstört. 70 weitere seien mutmaßlich durch elektronische Luftabwehr abgefangen worden. Insgesamt hätten die russischen Streitkräfte 160 Drohnen auf Ziele in der Ukraine gestartet. Zudem hätten sie mit zwei ballistischen Raketen die Region Odessa im Süden des Landes angegriffen. (rtr)
Suspendierung der US-Auslandshilfen hat gravierende Auswirkungen
Die Ukraine leidet weiterhin unter einer der größten Vertreibungskrisen weltweit. 6,8 Millionen Menschen sind seit Kriegsbeginn im Februar 2022 aus ihrer Heimat geflohen und weitere 3,6 Millionen Menschen sind innerhalb des Landes auf der Flucht. Insgesamt 12,7 Millionen Ukrainer*innen sind auf humanitäre Hilfe angewiesen. Doch diese steht an einem Wendepunkt, da die US-Auslandshilfen suspendiert wurden.
Zusätzlich zur dramatischen Situation der Binnenflüchtlinge leidet die ukrainische Bevölkerung unter der desolaten wirtschaftlichen Situation, in der mehr als 9 Millionen Menschen in Armut leben. Der Verlust stabiler Einkommensquellen, die Zerstörung der landwirtschaftlichen und industriellen Infrastruktur sowie die Schließung vieler Kleinbetriebe haben die Situation weiter verschärft.
Die gezielten Angriffe auf die Energieinfrastruktur haben die Gesundheitsversorgung und den Zugang zu grundlegenden Dienstleistungen weiter beeinträchtigt. Stromausfälle und Schäden an der Infrastruktur behindern den Betrieb von Krankenhäusern, den Zugang zu Medikamenten und lebenswichtigen Dienstleistungen wie Wasserversorgung, Abwasserentsorgung und Heizung. Besonders betroffen sind gefährdete Bevölkerungsgruppen wie ältere Menschen, chronisch Kranke und Menschen mit Behinderungen.
Die Suspendierung der US-Auslandshilfen hat schwerwiegende Auswirkungen – weltweit und in der Ukraine. Sie schränkt die Möglichkeiten gemeinnütziger Organisationen wie Aktion gegen den Hunger ein, lebensrettende Hilfe zu leisten. Die Aussetzung der durch US-Hilfe finanzierten Maßnahmen könnte Auswirkungen auf etwa 20.000 Menschen haben. Das betrifft den Zugang zur Gesundheitsversorgung für 18.000 Menschen, die in abgelegenen Gebieten und unter prekären Bedingungen leben sowie die psychologische Betreuung für vertriebene und traumatisierte Kinder und Jugendliche.
Aktion gegen den Hunger musste bereits die Verteilung von Bargeld an Familien einstellen, die nahe der Frontlinie vertrieben wurden. „Diese Familien, etwa 1.800 Menschen, sind extrem gefährdet und können derzeit nicht unterstützt werden. Auch die psychosoziale Betreuung von vertriebenen Kindern und Jugendlichen, die durch den Konflikt traumatisiert sind und in Sammelunterkünften leben, musste eingestellt werden. Sie haben uns gebeten, weiterzumachen, wir haben Aufrufe erhalten, weiterzumachen, aber wir mussten aufhören. Es ist herzzerreißend. Sie brauchen uns, sie brauchen unsere Hilfe“, erläutert Ionut Raita, Landesdirektor von Aktion gegen den Hunger in der Ukraine. (ots)
Merz spricht von Täter-Opfer-Umkehr
Deutsche Politiker äußern sich entsetzt über die Verhandlungen zwischen Russland und den USA. Vor allem, dass US-Präsident Trump der Ukraine indirekt eine Schuld am andauernden Angriffskrieg Russlands gibt, schockiert Kanzlerkandidat Friedrich Merz. Der CDU-Politiker findet klare Worte:
„Das ist im Grunde genommen eine klassische Täter-Opfer-Umkehr“, sagte Merz im RBB-Inforadio. „Das ist das russische Narrativ, so wird das ja von Putin seit Jahren auch dargestellt und ich bin ehrlicherweise einigermaßen schockiert darüber, dass Donald Trump das jetzt offensichtlich sich selbst zu eigen gemacht hat.“
Merz sagte weiter: „Aber auch das ist jetzt ein Faktum, mit dem wir umgehen müssen. Jetzt ist wichtig, dass die Europäer sich sehr, sehr schnell auf eine gemeinsame Strategie verständigen, wie sie mit diesem Thema umgehen.“ Bitten und Betteln um einen Platz am Verhandlungstisch sei nicht richtig. „Wir müssen jetzt eigenes Gewicht entwickeln.“
Habeck wirft USA Verrat vor
Grünen-Kanzlerkandidat Robert Habeck wirft den USA und Russland vor, die Ukraine ohne Verhandlungen mit der Regierung in Kiew aufteilen zu wollen. „Das ist ja Imperialismus, was die da machen. Das ist Verrat und Imperialismus“, sagt Habeck im ZDF-Morgenmagazin. Es sollte überdacht werden, die eingefrorenen russischen Vermögenswerte stärker zu nutzen. Die Sonderzölle der neuen US-Regierung von Donald Trump bezeichnet Habeck als riskant. Die Inflation in den USA steige bereits. „Er kann es auch verlieren.“
Bundeskanzler Olaf Scholz warnt, die Ukraine dürfe nicht allein gelassen werden. Ihre Armee sollte weiter unterstützt werden. „Wir müssen diese Aufgaben auch finanzieren“, sagt der SPD-Kanzlerkandidat im ZDF. Dafür brauche es größere Schuldenspielräume in Deutschland. Es sei aber noch zu früh für die Debatte, ob auch deutsche Soldaten einen Friedensschluss in der Ukraine absichern sollten.(rtr)
Merz hält Friedenstruppen für die Ukraine für verfrüht
Unions-Kanzlerkandidat Friedrich Merz hat Überlegungen zur Entsendung deutscher Soldaten in die Ukraine zum gegenwärtigen Zeitpunkt zurückgewiesen. Es sei „zu früh, darüber nachzudenken“, sagte der CDU-Chef am Freitag im ZDF-Morgenmagazin. „Es könnte sein, dass es Sicherheitsgarantien für die Ukraine geben muss. Aber das geht nicht, solange dort der Krieg herrscht“, fügte Merz hinzu. Der Krieg in der Ukraine werde nicht „mit deutschen Soldaten“ beendet werden, sondern „nur mit einer ukrainischen Armee, die sich weiter verteidigen kann“.
Im Hinblick auf die Verteidigungs- und Sicherheitspolitik mache er sich große Sorgen über das Verhalten der US-Regierung, sagte Merz weiter. „Wir müssen uns darauf einstellen, dass Donald Trump das Beistandsversprechen des Nato-Vertrages nicht mehr uneingeschränkt gelten lässt. Deswegen ist es aus meiner Sicht wichtig, dass die Europäer jetzt wirklich größte Kraftanstrengungen unternehmen, um wenigstens in der Lage sein zu können, den europäischen Kontinent aus eigener Kraft zu verteidigen“, sagte der Kanzlerkandidat.
Dabei könnte auch die nukleare Abschreckung eine Rolle spielen, fügte er hinzu. Die französische Regierung habe mehrfach mit deutschen Regierungen darüber sprechen wollen, „ob nicht die nukleare Teilhabe, zumindest die nukleare Sicherheit aus Großbritannien und Frankreich auch für uns in Anspruch genommen werden könnte“, sagte Merz. Diese Anfrage sei bisher von deutschen Regierungen immer unbeantwortet geblieben. Sollte er Bundeskanzler werden, würde für ihn die „Frage des Letztenscheidungsrechts“ eine wichtige Rolle spielen, wer also „bildlich gesprochen den (Atom)koffer in der Hand“ haben werde. (afp)
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