+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++: Wowtschansk ist praktisch zerstört
Mit Gleitbomben und Granaten wird die Stadt unablässig von der russischen Armee angegriffen. Die meldet die Einnahme eines weiteren Dorfes in der Region Charkiw.
Wohnbereich in Charkiw von Raketen getroffen
Die ostukrainische Großstadt Charkiw und die vorgelagerte Stadt Wowtschansk waren am Samstag nach Angaben der regionalen Militärverwaltung erneut Ziele russischer Angriffe. In Charkiw sei ein Wohnbereich von mehreren Granaten getroffen worden, teilte Bürgermeister Ihor Terechow auf Telegram mit. Dabei seien fünf Menschen verletzt worden.
In Wowtschansk richteten russische Gleitbomben und Granaten erneut schwere Schäden an. „Die Stadt Wowtschansk ist leider praktisch vollkommen vom Feind zerstört worden, der gnadenlos mit Gleitbomben angreift“, schrieb Sicherheitsrats-Mitglied Andrej Kowalenko auf Telegram. Trotz der wiederholten Angriffe bleibe Wowtschansk unter ukrainischer Kontrolle. Die Stadt im Nordosten der Ukraine hatte vor dem Krieg knapp 19.000 Einwohner. (dpa)
Institut: Ukraine hat Nachteile im Abwehrkampf
Die Ukraine hat aus Sicht von Experten Nachteile im Abwehrkampf gegen den russischen Angriffskrieg, weil sie die US-Waffen nicht auch gegen Ziele auf dem Gebiet des Nachbarlandes einsetzen darf. Die von den USA und vom Westen verhängten Einschränkungen bei der Anwendung der Waffen nutze Russland aus, um quasi aus einem geschützten Raum direkt aus dem Gebiet an der Grenze zur Ukraine anzugreifen, hieß es in einer Analyse des Instituts für Kriegsstudien (ISW) in Washington vom Freitag (Ortszeit).
Zuvor hatte der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj gefordert, die US-Waffen auch für Schläge gegen russisches Gebiet nutzen zu können. Bisher verwendet das Land dafür Waffen aus eigener Produktion. Die USA stellen die Waffen nach Angaben des Pentagons zur Verfügung, damit die Ukraine ihre besetzten Gebiete befreit, aber nicht für Angriffe auf Russland selbst. An dieser Position habe sich nichts geändert, betonte eine Sprecherin des Ministeriums am Donnerstag.
Ähnlich äußerte sich auch der Kommunikationsdirektor des Weißes Hauses, John Kirby, am Freitag: „Wir ermutigen nicht zu Angriffen mit von den USA gelieferten Waffensystemen auf russischem Territorium und ermöglichen sie auch nicht. Das ist unsere Politik, die sich nicht geändert hat.“
US-Außenminister Antony Blinken war bei seinem Besuch in Kiew am Dienstag von einem Journalisten gefragt worden, ob dieses Verbot derzeit sinnvoll sei und nicht gelockert werden müsse. Darauf sagte er, die USA hätten sich verpflichtet, der Ukraine zu helfen, den Krieg zu gewinnen. Dies habe man durch die außerordentliche Unterstützung bewiesen. „Wir haben keine Angriffe außerhalb der Ukraine unterstützt oder ermöglicht, aber letztendlich muss die Ukraine selbst entscheiden, wie sie diesen Krieg führen will, einen Krieg, den sie zur Verteidigung ihrer Freiheit, ihrer Souveränität und ihrer territorialen Integrität führt.“
Die ISW-Experten wiesen darauf hin, dass Russland wegen der teils vom Westen verfügten Einschränkungen aus seinen grenznahen Gebieten mit seiner Luftwaffe etwa Gleitbomben und Raketen weitgehend ungehindert auf die Ukraine abfeuere. Russland könne seine Truppen und Technik ordnen in den Regionen, bevor es zum Angriff übergehe. Das bisherige US-Vorgehen schränke die Möglichkeiten der Ukraine, sich gegen die russischen Angriffe im Norden des Gebiets Charkiw zu verteidigen, stark ein, hieß es.
Die Ukraine will Stützpunkte auch in Russland mit westlichen Waffen angreifen, um sie noch effektiver zu zerstören, als mit den weniger schlagkräftigen eigenen Drohnen und Raketen. Russland dagegen warnt vor einer Eskalation in dem Krieg, sollten Waffen aus Nato-Staaten für Angriffe auf die Atommacht genutzt werden.
Das ISW sah sich indes durch die jüngsten Äußerungen von Kremlchef Wladimir Putin darin bestätigt, dass Russland im Gebiet Charkiw eine Pufferzone anstrebe, um ukrainische Attacken auf sein Staatsgebiet zu verhindern. Putin hatte am Freitag zudem gesagt, es gebe aktuell keine Pläne, Charkiw selbst einzunehmen. Experten gehen auch davon aus, dass Russland für einen strategischen Durchbruch in der Ukraine bisher nicht genügend Truppen hat.
Nach ISW-Einschätzung wollen die russischen Truppen die ukrainischen Streitkräfte im Raum Charkiw vor allem in Schach halten, um zugleich in anderen östlichen Gebieten der Ukraine massiver anzugreifen. Russland will dort die annektierten, aber bisher nur teils besetzten Regionen Donezk und Luhansk komplett unter seine Kontrolle bringen. (dpa)
Beschlagnahme von Vermögenswerten der Deutschen Bank
Die russische Justiz hat die Beschlagnahmung von Vermögenswerten der Deutschen Bank und des italienischen Finanzinstituts UniCredit angeordnet. Ein Schiedsgericht in St. Petersburg ordnete auf Antrag eines russischen Gaskonzerns die Beschlagnahmung von Immobilien, Wertpapieren und Konten der Deutschen Bank im Umfang von 238,6 Millionen Euro an, wie aus einer online veröffentlichten Entscheidung hervorgeht. Die Deutsche Bank bestätigte die Beschlagnahmung.
Zudem verfügte das Petersburger Gericht das Einziehen von UniCredit-Vermögen im Umfang von 462,7 Millionen Euro. Die Anordnungen ergingen demnach bereits am Donnerstag auf Antrag des russischen Unternehmens RusChemAllianz, einer Tochter des Gaskonzerns Gazprom.
RusChemAllianz hatte gemeinsam mit dem deutschen Unternehmen Linde den Bau einer Flüssiggasanlage in Ust-Luga nahe St. Petersburg geplant. Nach Beginn des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine zog sich Linde jedoch aus dem Projekt zurück. RusChemAllianz verklagte daraufhin die beiden Banken, die für das Vorhaben gebürgt hatten und die ihre Verpflichtungen wegen der westlichen Sanktionen gegen Russland nicht einhalten konnten.
Die Deutsche Bank erklärte in Frankfurt am Main, es bleibe „abzuwarten, wie diese Entscheidung von den russischen Gerichten umgesetzt wird und welche Folgen dies für unseren operativen Betrieb in Russland hat“. Das Finanzinstitut sieht sich demnach „durch eine Entschädigungsvereinbarung mit einem Kunden vollständig abgesichert“. Außerdem habe die Deutsche Bank eine Rückstellung in Höhe von rund 260 Millionen Euro und einen entsprechenden Vermögensgegenstand aus Erstattungen im Rahmen der Entschädigungsvereinbarung erfasst.
UniCredit, eine der vor dem Ukraine-Krieg am stärksten in Russland engagierten europäischen Banken, teilte in einer Erklärung mit, dass die Entscheidung des russischen Gerichts zum Einzug der Vermögenswerte in Russland bekannt sei. Diese müsse nun „im Einzelnen“ geprüft werden. (afp)
Selenskyj beklagt Mangel an Waffen zur Luftverteidigung
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat einen massiven Mangel an Waffen zur Luftverteidigung seines Landes beklagt und fürchtet eine Ausweitung der russischen Offensive in der Ostukraine. Derzeit verfüge die Ukraine nur über ein Viertel der zu ihrer Verteidigung benötigten Luftabwehrsysteme, sagte Selenskyj in einem Exklusivinterview mit der Nachrichtenagentur AFP. Russland sei bei seiner vor gut einer Woche gestarteten Bodenoffensive im Raum Charkiw fünf bis zehn Kilometer weit vorgedrungen. Weitere Angriffswellen seien zu befürchten.
„Wir müssen nüchtern feststellen, dass sie weiter auf unser Territorium vorgedrungen sind“, sagte der Präsident in seinem ersten Interview seit Beginn der russischen Bodenoffensive in der nordöstlichen Region Charkiw am 10. Mai. Bei dem Vorstoß eroberten die russischen Truppen laut Daten des Institute for the Study of War (ISW) mindestens 278 Quadratkilometer Land – ihr größter Geländegewinn seit Ende 2022.
Sein Land habe bei der Luftabwehr derzeit nur „etwa 25 Prozent dessen, was wir brauchen um die Ukraine zu verteidigen“, sagte Selenskyj in dem am Freitag geführten und am Samstag veröffentlichten Interview. Zudem brauche seine Armee etwa 120 bis 130 moderne Kampfjets, um in der Luft ein Kräftegleichgewicht mit Russlands Truppen zu erreichen.(afp)
Russische Durchbruchsversuche zurückgeschlagen
Charkiws Regionalgouverneur Oleh Synegubow zufolge schlugen die ukrainischen Truppen in der Nacht zum Samstag zwei russische Durchbruchsversuche zurück. Die Lage sei „unter Kontrolle“. Aus der gesamten Region seien seit dem Beginn der russischen Bodenoffensive fast 10.000 Bewohner evakuiert worden.
Nahe der Stadt Wowtschansk würden die Verteidigungsstellungen verstärkt, sagte Synegubow. In der vor Kriegsbeginn rund 18.000 Einwohner zählenden Stadt hielten sich noch etwa hundert Zivilisten auf. Russland meldete derweil die Einnahme des Dorfes Staryzja nahe Wowtschansk.
Präsident Selenskyj räumte im AFP-Interview Probleme bei der Kampfmoral der ukrainischen Truppen nach mehr als zwei Jahren Krieg sowie bei der Rekrutierung neuer Soldaten ein. Es gebe eine erhebliche Zahl von Brigaden, die dringend aufgefüllt werden müssten, sagte er. Nachschub werde gebraucht, um eine Truppenrotation zu ermöglichen. (afp)
Zwei Milliarden Euro zur Sicherung der polnischen Ostgrenze
Polen will über zwei Milliarden Euro in die Sicherung seiner östlichen Grenze insbesondere zu Russland und Belarus investieren. Wie Regierungschef Donald Tusk am Samstag mitteilte, wurde die Bereitstellung von umgerechnet 2,34 Milliarden Euro für die Stärkung der polnischen Sicherheit beschlossen. Er stellte ein Projekt mit dem Namen „Östliches Schutzschild“ vor.
„Dieses System zur Grenzbefestigung, zur Verstärkung der 400 Kilometer langen Grenze mit Russland und Belarus, wird ein Element der Abschreckung sein, eine Strategie, um den Krieg von unseren Grenzen abzuhalten“, sagte Tusk weiter.
Seit Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine im Februar 2022 zählt Polen zu den stärksten Unterstützern Kiews. Westliche Waffenlieferungen für die Ukraine laufen überwiegend über Polen. Polen grenzt nicht nur an die Ukraine, sondern im Nordosten auch an die russische Exklave Kaliningrad und an den russischen Verbündeten Belarus. Polen befürchtet, ebenfalls zu einem Ziel der russischen Aggression zu werden.
Angesichts der russischen Bedrohung hat das Nato- und EU-Land Polen mit einer raschen Modernisierung seiner Armee begonnen; das Verteidigungsbudget liegt bei rund vier Prozent des Bruttoinlandsproduktes (BIP) und ist damit prozentual eines der höchsten aller Nato-Länder. Die Regierung in Warschau hat auch eine Reihe von Waffenkäufen veranlasst, insbesondere in den USA und in Südkorea. (afp)
Immer mehr Menschen fliehen aus der Region Charkiw
Die russische Offensive in der Region Charkiw zwingt immer mehr Menschen in die Flucht. „Die Situation ist sehr prekär“, sagte der Leiter der Diakonie Katastrophenhilfe in Kiew, Andrij Waskowycz am Samstag im RBB-Inforadio. Jetzt müssten auch die Menschen evakuiert werden, die bis zuletzt geblieben seien. Sie seien verzweifelt und auf psychologische Hilfe angewiesen.
Die russische Armee nehme immer mehr Städte im Norden von Charkiw ein. Besonders umkämpft sei die Stadt Woltschansk. Dort gebe es starken Beschuss und Straßenkämpfe. „Die Stadt wird systematisch zerstört“, sagte Waskowycz. Das wichtigste sei jetzt, die letzten verbliebenen Bewohner aus der Stadt zu bringen.
Die verließen ihre Häuser ohne Hab und Gut und flüchteten an den Stadtrand, wo die Polizei gemeinsam mit Hilfsorganisationen sie aufsammle und nach Charkiw bringe. Dort würden sie mit dem Nötigsten versorgt und in Unterkünften untergebracht: „Meistens sind das Studentenheime oder Hotels, die jetzt als Aufnahmestellen umfunktioniert werden.“ Aber auch die Evakuierungsautos stünden unter ständigem Beschuss, sagte Waskowycz.
Woltschansk mit vor dem Krieg 19.000 Einwohnern war 2022 schon einmal von russischen Truppen besetzt und wurde dann wieder befreit. „Die Leute haben das schon einmal erlebt“, sagt Waskowycz. Den Gesichtern der Menschen sehe man an, wie verzweifelt sie seien. Deswegen versuche man, auch psychologische Hilfe zu organisieren. Nach Schätzungen der UNO gibt es innerhalb der Ukraine inzwischen rund 3,7 Millionen Binnenflüchtlinge. (epd)
Drohne mit russischer Flagge neben Reichstag aufgestiegen
Ein Mann hat eine Drohne mit einer daran befestigten russischen Flagge neben dem Reichstagsgebäude in Berlin aufsteigen lassen. Wie die Bundestags-Pressestelle am Samstag in Berlin bestätigte, ereignete sich der Vorfall bereits am 9. Mai. In Online-Netzwerken wurden an diesem Wochenende Aufnahmen des Drohnenflugs verbreitet.
Den Bundestags-Angaben zufolge überflog der Flugkörper in einer Höhe von etwa 20 Metern mittig den Friedrich-Ebert-Platz auf der östlichen Seite des Reichstagsgebäudes. Durch die Landespolizei Berlin sei deswegen eine Strafanzeige wegen Verstoßes gegen das Luftverkehrsgesetz gefertigt worden. Zu Sicherheitsfragen in Verbindung mit Drohnenflügen direkt am Parlamentsgebäude äußerte sich der Bundestag zunächst nicht.
Laut Medienberichten handelt es sich bei dem Drohnenpiloten um einen radikalen Unterstützer des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine. Polizisten nahmen demnach noch vor Ort seine Personalien auf. Im Portal t-online.de hieß es am Samstag, derselbe Mann habe zuvor bereits in Potsdam das von russischen Truppen in der Ukraine verwendete „Z“-Symbol auf den Turm des früheren Landtagsgebäudes in Potsdam gemalt sowie ukrainische Bilder beschädigt. (afp)
SPD-MdB: Schutz von Ukraines Luftraum von Nato-Gebiet aus
Mehrere SPD-Bundestagsabgeordnete haben sich Forderungen aus Union, FDP und Grünen angeschlossen, den ukrainischen Luftraum auch vom Nato-Gebiet aus zu schützen. „In der aktuellen militärischen Situation halte ich es für notwendig und verantwortbar, deutsche Flugabwehrraketen-Truppen auf Nato-Gebiet an der Grenze zur Ukraine zu stationieren, um den Luftraum über der Westukraine zu schützen – beispielsweise mit Patriot-Systemen“, sagte der SPD-Verteidigungspolitiker Joe Weingarten dem Spiegel.
Weingarten stellte klar, dass dafür keine westlichen Truppen in der Ukraine stationiert werden müssten. Luftverteidigungssysteme an der Grenze von Nato-Staaten zur Ukraine könnten aber weit in den ukrainischen Luftraum hinein wirken. Entscheidend sei die Kooperationsbereitschaft der westlichen Nachbarn der Ukraine. „Wir müssen in den unmittelbaren Nachbarländern der Ukraine, allen voran in Polen, der Slowakei und Ungarn, für eine solche Unterstützung und Beteiligung werben“, sagte Weingarten.
Der SPD-Haushaltspolitiker Andreas Schwarz bezeichnete die Luftverteidigung im Spiegel als „Achillesferse“ der ukrainischen Armee. „Es fehlen Verteidigungssysteme und Raketen, um wichtige Infrastruktur und die Menschen in der Ukraine zu schützen“, sagte er dem Magazin. Daher müssten Alternativen erwogen werden: „Dazu gehört auch die Überlegung, aus den Nato-Bündnisländern heraus den Schutz der Ukraine zu sichern.“
SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich hatte sich dagegen zuvor klar gegen Nato-Schutz für den ukrainischen Luftraum ausgesprochen. Zurückhaltend äußerte sich der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses des Bundestages, Michael Roth (SPD). „Ich hege große Zweifel, ob der Vorschlag, westliche Flugabwehrsysteme an die ukrainische Grenze zu stellen, viele Unterstützer finden wird“, sagte er dem Spiegel.
Roth kritisierte, dass es bisher trotz deutscher Bemühungen nicht gelungen sei, Partnerstaaten zur Abgabe von Patriot-Einheiten an die Ukraine zu bewegen. „Diese Systeme könnten in der Ukraine ganz konkret Menschenleben retten. Aber in Europa fehlt es derzeit offenkundig am Willen oder der Fähigkeit, alles auf eine Karte zu setzen, um den russischen Imperialismus zu stoppen“, sagte der SPD-Politiker. (afp)
Russischer Parlamentschef wirft EU Pressezensur vor
Nach dem Verbot mehrerer russischer Medien in der EU hat in Moskau Parlamentschef Wjatscheslaw Wolodin der Europäischen Union Zensur und Verstöße gegen die Presse- und Meinungsfreiheit vorgeworfen. Weil es den EU-Politikern an Argumenten fehle, die eigenen Bürger zu überzeugen, blockierten sie jedwede alternativen Standpunkte, schrieb Wolodin am Samstag im Nachrichtenkanal Telegram. Der Vertraute von Kremlchef Wladimir Putin warf dem Westen, der selbst immer wieder Zensur in Russland beklagt, Doppelmoral vor. In Russland sind viele Medien, die kritisch über Putins Politik berichten, sowie Tausende Seiten im Internet blockiert.
Die EU-Staaten hatten am Freitag Sanktionen gegen die staatliche russische Nachrichtenagentur Ria Nowosti, die Regierungszeitung Rossiskaja Gaseta, die Plattform Voice of Europe sowie die kremlnahe Zeitung Iswestija beschlossen, zu der auch ein Fernsehsender gehört. Damit werden sie in der gesamten EU gesperrt. Nach Angaben der EU-Staaten dürfen die Medien und ihre Mitarbeiter aber weiterhin in der EU arbeiten.
Russland kündigte eine Reaktion an. In der Vergangenheit hat dies etwa die Deutsche Welle (DW), den Auslandssender der Bundesrepublik Deutschland, getroffen. Die DW darf in Russland nicht mehr senden. Dies war die Antwort Moskaus auf das Sendeverbot des russischen Staatssenders RT (vormals Russia Today). Die DW musste ihr Büro schließen in Moskau, die Journalisten mussten das Land verlassen.
Seit Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine vor mehr als zwei Jahren haben die EU-Staaten bereits etlichen Medien die Lizenz entzogen. Damit soll verhindert werden, dass russische Kriegspropaganda und Desinformation in der EU verbreitet wird. (dpa)
Explosion in Grenzregion Belgorod
In der russischen Grenzregion Belgorod hat es nach einem Raketenalarm eine Explosion gegeben. Das berichtete die staatliche russische Nachrichtenagentur Tass am frühen Samstagmorgen.
Der Gouverneur der Region, Wjatscheslaw Gladkow, hatte Anwohner über seinen Telegram-Kanal dazu aufgerufen, sich in Sicherheit zu bringen.
Infolge des Angriffskriegs gegen die Ukraine steht auch Russlands Grenzregion immer wieder unter Beschuss. Opfer und Schäden stehen dabei allerdings in keinem Verhältnis zu Kriegsfolgen in der Ukraine. (dpa)
SPD-Chef Klingbeil hofft auf Chinas Teilnahme bei Friedensgipfel
SPD-Chef Lars Klingbeil hofft weiter darauf, dass China seine Teilnahme an der Schweizer Ukraine-Friedenskonferenz noch zusagt. „Es wäre natürlich für diese Friedenskonferenz von entscheidender Bedeutung, dass China mit am Tisch sitzt“, sagte er in einem dpa-Interview. Das gelte auch für Indien, Brasilien und Südafrika, drei weitere „entscheidende Player“, die ihren Einfluss auf Russland nutzen könnten. „Natürlich wäre das ein Rückschlag, wenn diese Staaten nicht dabei wären.“ Von einem Scheitern der Konferenz könne man aber auch dann nicht sprechen. „Ein Scheitern ist das nie, wenn man sich an einen Tisch setzt und über Wege zum Frieden redet.“
Die Schweiz hat für den 15. und 16. Juni rund 160 Länder eingeladen, um über mögliche Wege zu einem dauerhaften Frieden in der Ukraine zu reden. Russland, das die Ukraine vor gut zwei Jahren angegriffen hat, hat keine Einladung erhalten. Die Ukraine ist dagegen dabei.
Für einen Erfolg der Konferenz wird es nun auch von den Gastgebern als entscheidend angesehen, dass nicht nur die westlichen Verbündeten der Ukraine dabei sind, sondern auch einflussreiche mit Russland befreundete Staaten – allen voran China, der wichtigste Verbündete Moskaus. Die Schweizer Bundespräsidentin Viola Amherd hatte am Donnerstag bei einem Besuch in Berlin gesagt, dass schon mehr als 50 Länder zugesagt haben, China aber noch nicht.
Was die möglichen Ergebnisse der Konferenz angeht, dämpfte Klingbeil die Erwartungen. „Ich glaube nicht, dass die Friedenskonferenz in der Schweiz jetzt der Turning Point (Wendepunkt) wird. Aber ich glaube, dass wir gerade in einer Phase sind, wo jedes Gespräch hilfreich ist“, sagte er. „Und am Ende geht es auch um ein klares Signal an Putin, dass er auf der falschen Seite steht.“ (dpa)
Odessa unter russischen Raketenbeschuss
Russland hat die südukrainische Hafenstadt Odessa mit mehreren Raketen beschossen – mutmaßlich als Reaktion auf einen massiven ukrainischen Drohnenangriff auf die russische Schwarzmeerküste. Die ukrainische Luftwaffe teilte am Freitagabend mit, dass tagsüber drei ballistische Raketen und drei Marschflugkörper auf Odessa abgefeuert worden seien.
Bei dem Beschuss auf Odessa konnte die ukrainische Luftwaffe am Freitag nach eigenen Angaben drei Marschflugkörper der Typen Ch-59 und Ch-69 abfangen. Drei Raketen, mutmaßlich vom Typ Iskander, schlugen allerdings ein und lösten Brände aus. Es habe einen Toten und acht Verletzte gegeben, teilte Gebietsgouverneur Oleh Kiper mit.
In Russlands nördlicher Metropole St. Petersburg gab es eine Explosion in einer Militärakademie, die nach Armeeangaben sieben Soldaten verletzte. In Kiew beriet der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj mit Regierung und Militär über die schwierige Lage im Energiesystem seines angegriffenen Landes. (dpa)
Ukrainische Drohnen treffen Noworossijsk
In der Nacht zum Freitag hatte die Ukraine russische Militärstützpunkte auf der Halbinsel Krim, den Hafen Noworossijsk am Schwarzen Meer und eine Raffinerie in Tuapse beschossen. Noworossijsk ist für Russland strategisch wichtig, weil ein großer Teil seiner Öl- und sonstigen Exporte über diesen Hafen läuft. Es ist auch Ausweichstützpunkt der russischen Schwarzmeerflotte, deren Haupthafen Sewastopol auf der Krim zu unsicher geworden ist.
Das Verteidigungsministerium in Moskau teilte mit, über der russischen Festlandsküste am Schwarzen Meer seien 44 ukrainische Drohnen abgefangen worden. Überprüfbar waren diese Angaben nicht. In sozialen Medien waren angebliche Videos aus Noworossijsk zu sehen, die zeigten, wie Drohnen einzeln oder in Gruppen den Hafen angriffen und Brände an großen Tanks auslösten.
Die örtlichen Behörden teilten mit, alle Industriebetriebe arbeiteten im Normalbetrieb. Allerdings konnte erst am Nachmittag die Stromversorgung für 16 000 Haushalte wiederhergestellt werden, nachdem ein Transformator beschädigt worden war. (dpa)
Front bei Charkiw schon 70 Kilometer breit
Russische Bodentruppen setzten ihre vor einer Woche begonnene Offensive im Grenzgebiet bei Charkiw fort, wie der ukrainische Oberbefehlshaber Olexander Syrskyj auf Telegram schrieb. Die russische Armee habe diese neue Front mittlerweile auf etwa 70 Kilometer verbreitert. Dies solle die Ukrainer zwingen, mehr Brigaden aus der Reserve einzusetzen. Es sei dem Gegner aber nicht gelungen, die ukrainischen Linien zu durchbrechen.
Der russische Präsident Wladimir Putin sagte auf seiner China-Reise, seine Armee plane derzeit keine Eroberung von Charkiw. Es solle aber eine Pufferzone geschaffen werden, um die Ukraine vom Beschuss auf das russische Grenzgebiet Belgorod abzuhalten. (dpa)
Aufruf zum Stromsparen in der Ukraine
Angesichts der Schäden am ukrainischen Stromnetz rief Selenskyj die Bürger zum Stromsparen auf. „Jetzt ist ein sehr rationeller, überlegter Stromverbrauch gefragt“, sagte er in seiner abendlichen Videoansprache. Kommunen und Energieversorger sollten darüber informieren, warum zeitweise Stromsperren notwendig seien.
„Durch die russischen Angriffe hat unser Energiesektor nun einen erheblichen Teil seiner Erzeugung verloren“, sagte Selenskyj. „Es wird Zeit brauchen, sich davon zu erholen.“ Große Anstrengungen seien nötig, das Energiesystem so umzubauen, dass es nicht mehr von Russland beschädigt werden könne. Details nannte er nicht. (dpa)
Ukrainisches Mobilisierungsgesetz tritt in Kraft
Am Samstag treten in der Ukraine die neuen Regeln zu Wehrpflicht und Mobilisierung in Kraft, die das Parlament im April beschlossen hatte. Das Außenministerium in Kiew teilte mit, wehrpflichtige ukrainische Männer im Ausland können wieder Leistungen der Konsulate in Anspruch nehmen. Voraussetzung sei, dass die Registrierung bei den Wehrbehörden auf Papier oder elektronisch nachgewiesen werde. Das Verteidigungsministerium richtete eine App ein, mit der die Registrierung online möglich ist.
Wegen des russischen Angriffskriegs haben auch Hunderttausende wehrfähige Männer die Ukraine verlassen. Ende April stoppten die ukrainischen Auslandsvertretungen die Ausstellung oder Verlängerung von Ausweispapieren für Männer ohne Registrierung bei der Wehrbehörde. Ziel war, sie zu einer Rückkehr in die Ukraine zu zwingen. (dpa)
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Greenpeace-Mitarbeiter über Aufrüstung
„Das 2-Prozent-Ziel ist willkürlich gesetzt“
Selbstzerstörung der FDP
Die Luft wird jetzt auch für Lindner dünn
Rücktritte an der FDP-Spitze
Generalsekretär in offener Feldschlacht gefallen
Keith Kelloggs Wege aus dem Krieg
Immer für eine Überraschung gut
Ampel-Intrige der FDP
Jetzt reicht es sogar Strack-Zimmermann
Stellungnahme im Bundestag vorgelegt
Rechtsexperten stützen AfD-Verbotsantrag