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+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++Russland bereitet wohl Offensive vor

SPD-Chef Klingbeil verteidigt die Panzer-Politik des Kanzlers. Die Städte Wuhledar und Bachmut stehen unter heftigem Beschuss. Das IOC will Rus­s:in­nen bei Olympia.

Ukrainische Soldaten feuern einen 120-mm-Mörser auf russische Stellungen an der Frontlinie in der Nähe von Bachmut Foto: Evgeniy Maloletka/ap

Klingbeil: Diplomatie ist kein Insta-Livestream

Der SPD-Chef Lars Klingbeil hat das Vorgehen von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) bei der Entscheidung über Panzerlieferungen an die Ukraine verteidigt. Es sei richtig gewesen, sich mit den amerikanischen und europäischen Partnern abzustimmen, sagte Klingbeil am Samstag bei einem Debattencamp der sächsischen Sozialdemokraten in Leipzig. Scholz und der Bundesregierung war Zögerlichkeit vorgeworfen worden.

Man könne internationale Diplomatie nicht wie einen Instagram-Livestream betreiben. „Da erwarte ich einfach, dass die Gesellschaft ein bisschen geduldiger ist“, sagte Klingbeil. Die Friedensbemühungen von Willy Brandt oder die deutsche Vereinigung wären nicht passiert, wenn die Beteiligten damals immer in Echtzeit berichtet hätten, was sie da machten. (dpa)

Heftige Angriffe auf Wuhledar und Bachmut

Russland bereitet ukrainischen Angaben zufolge für den Jahrestag des Kriegsbeginns in der Ukraine eine neue Offensive vor. Es sei „kein Geheimnis“, dass die russische Armee für den 24. Februar eine neue Angriffswelle vorbereite, sagte der Sekretär des ukrainischen Sicherheits- und Verteidigungsrats, Oleksij Danilow, Radio Swoboda.

Ukrainischen Angaben zufolge haben die russischen Truppen zuletzt ihre Angriffe in der Ostukraine deutlich verstärkt. Besonders massive Angriffe werden auf die beiden Städte Wuhledar und Bachmut gemeldet; beide Seiten berichteten am Freitag über erbitterte Kämpfe auch um Wuhledar. Erst vor kurzem hatten russische Soldaten und Kämpfer der Söldnergruppe Wagner die nördlich von Bachmut gelegene Kleinstadt Soledar eingenommen. Es war der erste nennenswerte Sieg der russischen Streitkräfte und ihrer Verbündeten nach mehreren Rückschläge in den vergangenen Monaten.

Dem Bericht eines ukrainischen Soldaten zufolge rücken die russischen Soldaten auch nach Bachmut vor, das sie schon seit Monaten versuchen, unter ihre Kontrolle zu bringen. „Es wird ständig geschossen, Tag und Nacht, sie versuchen, Schwachstellen in unserer Verteidigung zu finden“, sagte Jurij der Nachrichtenagentur afp, während er in einem Schützengraben in Bachmut Stellung hielt. (afp)

Russland bereitet neue Offensive vor

Nach Einschätzung des in den USA ansässigen Institute for the Study of War versucht Moskau, die zahlenmäßig unterlegenen ukrainischen Streitkräfte mit den Angriffen auseinanderzusprengen, um „die Bedingungen für eine entscheidende Offensivkampagne zu schaffen“.Russland hat hunderttausende Reservisten und Strafgefangene mobilisiert, um zu versuchen, die ukrainischen Linien zu durchbrechen und den gesamten Donbass, ein riesiges Kohle- und Industriegebiet im Osten der Ukraine, einzunehmen. (afp)

Selenski warnt vor „Terrorstaat Russland“ bei Olympia

Der ukrainische Präsident Wolodimir Selenski hat das Internationale Olympische Komitee (IOC) mit Thomas Bach an der Spitze erneut aufgefordert, Russland nicht zu Wettkämpfen zuzulassen. „Die olympischen Prinzipien und Krieg stehen in einem fundamentalen Gegensatz zueinander“, teilte der Staatschef am Samstag in Kiew mit. Er veröffentlichte dazu in den sozialen Netzwerken eine Bildstrecke mit Fotos von durch den Krieg zerstörten Sportstätten der Ukraine. Teils sind auf den Fotos Fechter in Ruinen zu sehen – in direkter Anspielung zu Bachs eigener Sportkarriere.

Selenski fordert Bach immer wieder auf, den „Terrorstaat Russland“ nicht zu den Olympischen Spielen zuzulassen. Die IOC-Spitze hatte zuletzt angekündigt, Athleten aus Russland und Belarus unter neutraler Flagge Möglichkeiten zur Teilnahme an internationalen Wettbewerben eröffnen zu wollen. „Russland muss die Aggression und den Terror stoppen, und erst dann wird es möglich sein, über Russlands Teilnahme im Kontext der olympischen Bewegung zu sprechen“, sagte Selenski. Er hatte bereits am Vorabend in seiner täglichen Videobotschaft eine Kampagne gegen die Zulassung russischer Sportlerinnen und Sportler zu den Olympischen Spielen angekündigt. Er begründet dies mit der Staatstreue der Athletinnen und Athleten und ihrer Instrumentalisierung durch die Politik.

Selenski zeigte sich enttäuscht nach Gesprächen mit Bach und warf dem IOC Heuchelei vor. „Es kann keine Neutralität geben, wenn ein solcher Krieg läuft. Wir wissen, wie oft Tyranneien versuchen, den Sport für ihre ideologischen Interessen zu nutzen“, sagte Selenski. Ihm seien Bachs Motive nicht klar, aber die Ukraine werde alles tun, um den „Einfluss des Terrorstaats“ auf den Sport zu verhindern.

Zudem lud Selenski „Bach nach Bachmut“ ein, um sich in der aktuell besonders umkämpften Stadt im Osten der Ukraine ein Bild von der Zerstörung zu machen. „Damit er mit eigenen Augen sieht, dass Neutralität nicht existiert.“ Ukrainische Sportler müssten heute das Leben ihrer Angehörigen retten vor der russischen Aggression. Viele Ukrainerinnen und Ukrainer seien durch russische Angriffe getötet worden, die den Weltsport mit ihrem Talent hätten bereichern können. (dpa)

Scholz: „Haben die Sicherheit Deutschlands immer im Blick“

Nach der Zusage von deutschen Leopard-2-Panzern an die Ukraine hat Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) versichert, die Sicherheit Deutschlands „immer im Blick“ zu haben. Das verspreche er, sagte Scholz in seiner am Samstag in Berlin veröffentlichten Videobotschaft „KanzlerKompakt“.

„Es wird immer um Abstimmung, Abwägung und Koordinierung gehen“, bekräftigte Scholz. „Das ist das Prinzip, das diese Regierung hat.“ Als Ziel bekräftigte Scholz: „Russland darf nicht damit durchkommen, Grenzen mit Gewalt zu verschieben.“ Russische Truppen waren am 24. Februar 2022 in die Ukraine einmarschiert. Seit Monaten wehrt sich die ukrainische Armee gegen immer neue Angriffswellen im Osten des Landes.

Scholz sagte, dass sich viele Bürgerinnen und Bürger wünschten, „dass der Krieg nicht näherkommt, dass die Regierung und der Kanzler die Nerven behalten“. Er sagte: „Genau das ist mein Versprechen an Sie.“ (dpa)

London wirft Moskau Desinformation bei Opferzahlen vor

Russland macht nach Einschätzung britischer Geheimdienste mit Absicht falsche Angaben zur Zahl seiner Gefallenen im Krieg gegen die Ukraine. Das Verteidigungsministerium in London verwies dazu am Samstag auf Erkenntnisse zu einem ukrainischen Angriff auf eine russische Militärunterkunft in der Region Donezk in der Neujahrsnacht. Anschließend hatte Russland den Tod von 89 Soldaten gemeldet. Den britischen Geheimdiensten zufolge soll es mit hoher Wahrscheinlichkeit jedoch mehr als 300 Opfer gegeben haben.

Für London veranschaulicht dies eine „Allgegenwärtigkeit von Desinformation in allen öffentlichen russischen Verlautbarungen“. Diese entstünde durch gezielte Lügen, die von hochrangiger Stelle abgenickt würden, sowie durch ungenaue Berichte untergeordneter Beamter, die eigene Versäumnisse aus Angst vor Entlassung herunterspielen wollten, hieß es in dem Bericht.

Im konkreten Fall aus der Neujahrsnacht habe sich Russland wohl zu dem ungewöhnlichen Schritt entschieden, eine konkrete Opferzahl zu nennen, weil es unter russischen Kommandeuren viel Kritik gegeben habe und ein Kommentar unausweichlich geworden sei. Das britische Verteidigungsministerium veröffentlicht seit Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine vor elf Monaten täglich Informationen zum Kriegsverlauf. Moskau wirft London eine Desinformationskampagne vor. (dpa)

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9 Kommentare

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  • Es bleibt die Erfahrung das Scholz als Kanzler auf die SPD Rücksicht nimmt und die Waffen zu spät liefert. Das sich Scholz auf Absprachen mit Verbündeten stützt, kann wegen sinnvoller Geheimhaltung nicht überprüft werden. Das Handeln von Polen, Finnland usw wiederlegt die Aussagen von Scholz. Bei den Flugzeugen ist nun die USA vorne. Mal sehen was Scholz macht. Das Problem ist das die Waffen erst kommen, wenn der Bedarf schon Monate dringend geworden ist. Es wäre schön, wenn keine Waffen mehr gebraucht werden, dass ist leider von Putin abhängig.

  • Sorry, viel zu wenig Informationen zu Thomas Bach, für den man sich schämen muss. Schließlich wurde Russland schon vor einiger Zeit des Staatsdopings überführt, nicht wegen Bach, sondern trotz Bach, der die Nähe der vermeintlich Großen sucht.

  • Ich halte den Schritt des IOC für ausgewogen.



    "Unter neutraler Flagge" ist ein Weg.



    Nur wer Krieg als Lösung begreift, lehnt jegliche Annäherung ab.



    In der letzten Zeit sollten eifrige taz LeserInnen ja mitbekommen haben, dass es durchaus Opposition, auf verschiedenste Weise, in Russland gibt.



    Es hilft Niemandem hier Feindbilder aufzubauen und Rassismus zu erzeugen.



    Völkerverständigung ist ein Schritt raus aus dem Krieg.



    Alles was dazu einen Beitrag leistet und sei es Sport, ist unterstützenswert.



    Im Übrigen entstand im vergangenen Jahr der Eindruck, Herr Selensky sei der Präsident aller westlichen Länder.



    Ich habe Ihn nicht gewählt und wenn sich westliche Mandatsträger eine eigene Meinung und Entscheidungen leisten, so ist das in einem sehr demokratischen Sinne, völlig richtig.



    Der Krieg ist ein Unglück und Verbrechen.



    Die Meinungshoheit in unseren Demokratien sollten wir deshalb aber nicht an Einzelne abgeben.

  • Richtig ist, das Putin für Russland einen stopp der Aggression anordnen muss. Richtig ist aber auch, dass Selenskjy seine Kriegsziele wie etwa alle Russen raus aus der Ukraine, einschließlich der Krim revidieren muss.



    Kämpfen bis keine jungen Männer mehr zur Verfügung stehen, halte ich für eine saudumme Idee.

    • @Nico Frank:

      Der Begriff Russen aus der Ukraine ist ungebau. Es geht darum das Russland das ukrainische Terretorium nicht beanspruchen darf. Am Anfang des Krieges gab es Signale von Selensky Signale für Frieden Gebiete herzugeben. Das war Putin zuwenig und Russland definiert als Ausgangspunkt von Gesprächen das die Krim und die annektierten Gebiete Russland gehören sollen. Damit wird von Putin jeder Gesprächsbeginn verhindert.

    • @Nico Frank:

      "dass Selenskjy seine Kriegsziele wie etwa alle Russen raus aus der Ukraine, einschließlich der Krim revidieren muss."

      Er muss gar nichts. Insbesondere von Ihnen, der vom "stopp der Aggressionen" schreibt und den Rückzug völlig vergisst. Selenskyi hat ein politisches Amt inne, er allein wird sich über nicht das Votum der Bevölkerung hinweg setzen.

      "halte ich für eine saudumme Idee."

      Das hätten Sie mal über den russischen Angriff schreiben sollen. So hinterlässt Ihr Beitrag ein starkes russisches Geschmäckle. Darüber brauchen Sie sich auch nicht wundern, denn Sie haben Ihren Beitrag entsprechend im Narrativ verfasst. Wohlgemerkt vom warmen Sofa in Deutschland aus.

      • @Akula:

        Und wo sitzen sie derzeit?



        "Kämpfen bis keine jungen Männer mehr zur Verfügung stehen, halte ich für eine saudumme Idee."



        Ich auch! Geschätzt 200000 Tote auf beiden Seiten, und es werden jeden Tag mehr. Bei Verletzten geht man von 3mal so vielen aus. Über Panzeranzahl, Drohnenmenge und Raketenwerfer wird mit exakten Zahlen hantiert - jeden Tag. Wann werden endlich genauso oft, die Opferzahlen, zivil und militärisch, bekanntgegeben? Über die Opfer wird zu wenig geredet!

  • Wenn das IOC russische und weißrussische Athleten zulässt, sollten alle westlichen Verbündeten die olympischen Spiele boykottieren.

    • @Mick Mauser:

      Gab es 1980 bei den olympischen Spielen in Moskau schon mal. Und genützt hat es rein gar nichts.