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+++ Nachrichten im Nahost-Krieg +++UN und andere werden umgangen

Eine private US-Stiftung soll die Verteilung von Hilfsgütern im Gazastreifen übernehmen. International wächst Kritik an Israels Blockade des Gebiets.

Pa­läs­ti­nen­se­r*in­nen im nördlichen Gazastreifen hoffen auf Versorgung Foto: Mahmoud Issa/reuters

Private US-Stiftung will Hilfsgüter in Gaza verteilen

Eine eigens dafür gegründete private US-Stiftung will Ende Mai mit der Verteilung von Hilfsgütern in dem unter einer israelischen Blockade leidenden Gazastreifen beginnen. Die Gaza Humanitarian Foundation (GHF) werde „ihre Arbeit im Gazastreifen vor dem Ende des Monats aufnehmen“, erklärte die Stiftung am Mittwoch (Ortszeit). Israel habe zugestimmt, Verteilungspunkte im Norden des Palästinensergebiets sicherzustellen.

Die GHF habe Israel zudem darum gebeten, „Lösungen“ für Palästinenser zu finden, die Verteilungspunkte im Norden des Gazastreifens nicht erreichen können.

Vergangene Woche hatte das US-Außenministerium die Gründung der privaten Stiftung verkündet, die künftig federführend an der Verteilung von Hilfsgütern im Gazastreifen beteiligt sein soll. International wurde der Plan kritisiert, der die UNO und Nichtregierungsorganisationen im Gazastreifen zu umgehen schien.

Seit Anfang März blockiert Israel die humanitären Hilfslieferungen in den Gazastreifen. Ende April erklärte das Welternährungsprogramm, seine Lebensmittelvorräte in dem Palästinensergebiet aufgebraucht zu haben. Hilfsorganisationen warnen vor einer Hungerkatastrophe.

Im Gazastreifen tätige UN-Organisationen und andere Hilfsorganisationen erklärten zudem, Israel wolle das bisherige Verteilungssystem für Hilfsgüter abschaffen. Demnach sollen die Güter künftig nach von der israelischen Armee festgelegten Bedingungen geliefert werden. Israel wirft UN-Organisation wie dem Palästinenserhilfswerk UNRWA vor, von der islamistischen Hamas unterwandert zu sein. (afp)

Internationale Kritik an Israels Vorgehen

Italiens Regierungschefin Giorgia Meloni hat die humanitäre Situation im Gazastreifen als „immer dramatischer und durch nichts zu rechtfertigen“ bezeichnet. Es bestehe „die Notwendigkeit, das humanitäre Völkerrecht zu achten“, erklärte Meloni am Mittwoch vor dem italienischen Parlament. Die ultrarechte Regierung in Rom unterstützt die israelische Regierung in ihrem Kampf gegen die islamistische Palästinenserorganisation Hamas im Gazastreifen; bisher hatte sie die humanitäre Lage im Gazastreifen nicht kritisiert.

Die Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen (MSF) machte Israel für die Schaffung einer „absichtlichen humanitären Katastrophe“ verantwortlich. „Wir beobachten in Echtzeit die Schaffung von Bedingungen für eine Vernichtung palästinensischen Lebens in Gaza“, erklärte die Organisation. „Gaza ist die Hölle auf Erden für Palästinenser geworden“, hieß es weiter.

UN-Generalsekretär António Guterres kritisierte in Berlin die von Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu angekündigte neue Militäroffensive im Gazastreifen. „Ich bezweifle, dass eine neue massive Militärintervention das Problem lösen wird“, sagte Guterres bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU). Guterres forderte erneut eine „sofortige und bedingungslose Freilassung aller Geiseln“, die die Hamas im Gazastreifen festhält, ungehinderten Zugang humanitärer Hilfe für die Bevölkerung im Gazastreifen und ein sofortiges Ende der Kämpfe.

Netanjahu hatte am Montag angekündigt, dass die israelische Armee „mit voller Kraft“ im Gazastreifen vorrücken werde. Seit dem 2. März blockiert Israel alle Hilfslieferungen in das abgeriegelte Palästinensergebiet. Die zuvor bereits bestehende Nahrungsmittel- und Medikamenten-Knappheit wurde dadurch noch einmal dramatisch verschärft. Netanjahu sagte weiter, sein Land werde sich darum bemühen, Länder zu finden, die Einwohner aus dem Gazastreifen bei sich aufnehmen. (afp)

Merz mahnt humanitäre Verpflichtungen an

Bundeskanzler Merz forderte die israelische Regierung auf, „alles zu tun, damit die humanitären Verpflichtungen erfüllt werden, zu denen sich auch Israel im Rahmen der internationalen politischen Ordnung verpflichtet“ habe. Zugleich verwies er auf die noch im Gazastreifen festgehaltenen Geiseln, unter denen auch Deutschstämmige seien. „Bei dem, was die israelische Armee jetzt tut“, müsse Rücksicht genommen werden, forderte der Kanzler mit Blick auf die Geiseln.

Seine Regierung stehe dazu im Dialog mit Israel, sagte Merz weiter und verwies auf den Besuch seines Außenministers Johann Wadephul (CDU) in Israel am vergangenen Wochenende. Ein Israel-Besuch von ihm selbst stehe „im Augenblick nicht an“, fügte Merz hinzu. (afp)

Kanada wirft Israel vor, Lebensmittel als Waffe einzusetzen

Die neue kanadische Außenministerin Anita Anand wirft Israel vor, im Krieg gegen die Hamas Nahrungsmittel-Knappheit als politisches Druckmittel einzusetzen. „Wir dürfen es nicht zulassen, dass Lebensmittel weiterhin als politisches Instrument eingesetzt werden … Über 50.000 Menschen sind infolge der Aggression gegen die Palästinenser und die Bevölkerung des Gazastreifens in Palästina gestorben. Dass Lebensmittel als politisches Mittel eingesetzt werden, ist schlicht inakzeptabel“, sagt Anand vor Journalisten.

„Wir müssen weiter auf eine Waffenruhe hinarbeiten. Wir müssen sicherstellen, dass wir eine Zweistaatenlösung bekommen, und Kanada wird diese Position auch weiterhin vertreten.“

Israel hat den Gazastreifen seit Anfang März abgeriegelt, weshalb keine Hilfslieferungen mehr in das zu großen Teilen zerstörte Gebiet gelangen können. Die Bevölkerung ist darauf jedoch dringend angewiesen, Hilfsorganisationen zufolge drohen Hunderttausende zu verhungern. Israel weist Warnungen vor einer Hungersnot zurück und wirft stattdessen der Hamas vor, Schuld an der Lebensmittelknappheit zu sein, weil sie für Zivilisten bestimmte Hilfsgüter stehle. (rtr)

Anschlag im Westjordanland

Bei einem mutmaßlich palästinensischen Anschlag im nördlichen Westjordanland sind nach Angaben von Sanitätern zwei Menschen schwer verletzt worden. Darunter ist nach Medienberichten auch eine hochschwangere Frau. Die israelische Armee teilte mit, ein Terrorist habe in der Nähe der Siedlung Bruchin das Feuer auf ein israelisches Fahrzeug eröffnet. Soldaten hätten die Verfolgung des Tatverdächtigen aufgenommen.

Seit Beginn des Gaza-Kriegs im Oktober 2023 ist die Lage auch im besetzten Westjordanland extrem angespannt.

Israel hatte im Sechstagekrieg 1967 unter anderem das Westjordanland und Ost-Jerusalem erobert. Dort leben heute inmitten von drei Millionen Palästinensern rund 700.000 israelische Siedler. Die Palästinenser beanspruchen die Gebiete für einen eigenen Staat mit Ost-Jerusalem als Hauptstadt. (dpa)

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