Rente, Wehrdienst, Agrardiesel und Co.: Bundesrat winkt massenhaft Gesetze durch
Die Länderkammer gönnt sich zum Ende des Jahres eine Mammutsitzung und segnet eine ganze Reihe von Vorhaben der schwarz-roten Bundesregierung ab.
dpa/afp/rtr/taz | Der Bundesrat hat am Freitag in seiner letzten Sitzung des Jahres fast 40, teils hochumstrittene Gesetze abgesegnet. Darunter das Rentenpaket, die Wehrdienstreform und die Verschärfungen der Asylpolitik, die Erhöhung der Pendlerpauschale, die Senkung der Gastrosteuer und die Verlängerung der Steuerentlastung bei Agrardiesel. Ein Überblick.
Rentenpaket passiert den Bundesrat
Nach dem Bundestag hat nun auch die Länderkammer grünes Licht gegeben für die von heftigen Debatten zwischen Jung und Alt begleitete Rentenreform der Bundesregierung. Das Rentenniveau wird damit bis 2031 bei 48 Prozent des aktuellen Durchschnittseinkommens stabilisiert. Zudem wird das CSU-Projekt Mütterrente ab 2027 ausgeweitet. Außerdem stimmte der Bundesrat für die Einführung der Aktivrente, die Arbeit über das Renteneintrittsalter hinaus attraktiver werden soll. 2.000 Euro Verdienst sind dann steuerfrei.
„Es war ein dicker Brocken, das Rentenpaket“, sagte Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) am Freitag mit Blick auf den Streit mit widerborstigen Unionsabgeordneten im Bundestag, die die Pläne kürzlich fast zu Fall gebracht hätten. Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD) betonte, es sei nun bei dem geblieben, „was wir in den Koalitionsverhandlungen vereinbart haben“. Es gehe „um diejenigen, die heute arbeiten und sich darauf verlassen wollen, dass es zukünftig für sie auch eine auskömmliche Rente gibt“, sagte sie.
Musterungspflicht wird wieder eingeführt
Nicht minder umstritten ist das neue Wehrdienstgesetz. Auch das wurde jetzt vom Bundesrat gebilligt. Damit ist der Weg für eine massive Aufstockung der Bundeswehr frei. Konkret sieht das Gesetz die Wiedereinführung der Musterungspflicht für alle Männer vor, die ab Januar 2008 geboren wurden. Ziel sei es, ausreichend Freiwillige zu gewinnen. Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) hatte gleichwohl schon klargestellt, dass die sogenannte Bedarfswehrpflicht eingeführt wird, sollte es nicht genügend Freiwillige geben.
Linken-Chefin Ines Schwerdtner kritisierte, die verpflichtende Musterung sei „der erste Schritt für eine Wehrpflicht durch die Hintertür“. Denn schon jetzt sei klar, „dass sich nicht ausreichend Freiwillige melden“, sagte sie in der ARD. Ziel des Gesetzes ist es, die Zahl der aktiven Soldaten von derzeit 183.000 bis zum Jahr 2035 auf 255.000 bis 270.000 zu erhöhen. Dazu sollen 200.000 Reservisten kommen. Das Gesetz legt jährliche Zielkorridore für den Personalzuwachs fest. So soll die aktive Truppe bereits im kommenden Jahr 186.000 bis 190.000 Soldaten umfassen.
Asylregeln werden verschärft
Ebenfalls zugestimmt wurde den Plänen für eine Neuregelung zu sicheren Herkunftsstaaten. Die Länderkammer winkte ein Gesetz durch, wonach die Bundesregierung künftig per Rechtsverordnung und ohne Zustimmung des Bundesrats einen Herkunftsstaat als sicher bestimmen kann. Das soll aber nur für Schutzgesuche nach der Genfer Flüchtlingskonvention und subsidiären Schutz gelten, nicht für Asylgesuche. Ein Antrag auf Anrufung des Vermittlungsausschusses fand in der Länderkammer keine Mehrheit. Das Gesetz kann damit nun in Kraft treten.
Die Maßnahme soll Asylverfahren beschleunigen, indem Anträge als „offensichtlich unbegründet“ zurückgewiesen werden können. Das Gesetz soll zudem Menschen aus den eingestuften Staaten signalisieren, dass ihre Anträge auf Schutz in Deutschland wenig Aussicht auf Erfolg haben. Gestrichen wird zudem eine Regelung, dass Menschen, denen Abschiebehaft oder Ausreisegewahrsam droht, ein Anwalt zur Seite gestellt werden muss. Diesen Anspruch hatte die Ampel-Koalition eingeführt. Der Bundestag hatte die Neuregelung Anfang Dezember beschlossen. Heftige Kritik kam von Flüchtlingsorganisationen wie Pro Asyl.
Gastrosteuer wird gesenkt
Und noch ein Herz-und-Magenprojekt der Konservativen: Die Umsatzsteuer für Speisen sinkt ab dem 1. Januar 2026 dauerhaft von 19 Prozent auf 7 Prozent. Mit der Maßnahme, die auf Betreiben der CSU in den Koalitionsvertrag aufgenommen wurde, will die Bundesregierung nach eigenen Angaben die Gastronomiebranche stabilisieren. Der Gaststätten-Verband Dehoga nannte die Steuersenkung die „wichtigste Maßnahme zur Stärkung unserer Restaurants, Wirtshäuser, Cafés und Caterer“. Linke und Grüne sprachen von einem wirtschaftlich unsinnigen Steuergeschenk.
Sinkende Preise im Restaurant sind jedenfalls nicht zu erwarten. Zwar heißt es in der Gesetzesvorlage: „Sowohl die Weitergabe der Steuersenkung an Verbraucherinnen und Verbraucher als auch zusätzliche Investitionen sind möglich.“ Die Restaurantbetriebe sind aber nicht verpflichtet, die Steuersenkung an die Gäste weiterzugeben. Branchenverbände haben angekündigt, zusätzliche Einnahmen nicht für Preissenkungen zu verwenden, sondern allenfalls zur Abwendung weiterer Preissteigerungen. Bayerns Ministerpräsident Söder ist begeistert.
Pendlerpauschale wird erhöht
Ebenfalls abgefeiert von Söder und weiteren Ministerpräsidenten unionsregierter Flächenländer wurde am Freitag die Anhebung der Pendlerpauschale. Sie steigt zum Jahreswechsel auf einheitlich 38 Cent. Bislang beträgt sie 30 Cent pro Kilometer für die ersten 20 Kilometer der Wegstrecke, ab dem 21. Kilometer sind es 38 Cent. Diese Abstufung fällt weg. Bremens Finanzsenator Björn Fecker (Grüne) kritisierte diese Entscheidung. „Gerecht und klimafreundlich ist die Pendlerpauschale nicht wirklich“, sagte er. „Denn von ihr profitieren immer noch Menschen mit hohem Einkommen deutlich mehr.“
Durch das gesamte Steueränderungsgesetz, das neben Gastrosteuer und Pendlerpauschale auch andere Maßnahmen wie eine Erhöhung der Ehrenamtspauschale von 840 auf 960 Euro oder die Streichung der Steuer auf Prämien für Medaillengewinne bei Olympischen Spielen umfasst, entstehen dem Bund, aber auch Ländern und Kommunen Einnahmeausfälle.
Die Länder hatten einen Ausgleich durch den Bund verlangt, was der Bund jedoch ablehnte. „Die Einnahmeausfälle der Länder belaufen sich bis 2030 auf fast 13 Milliarden Euro, die der Gemeinden auf fast 2 Milliarden Euro“, sagte der rheinland-pfälzische Ministerpräsident Alexander Schweitzer (SPD). „Diese Belastungen werden die ohnehin fast überall angespannte Haushaltslage weiter verschärfen.“
Subventionen für Agrardiesel kommen zurück
Apropos ein Herz für Klimaschädlichkeit: Landwirte bekommen mit Zustimmung der Länderkammer von 2026 an wieder die volle Steuervergünstigung für Agrardiesel. Die von der Ampelregierung durchgesetzte Abschaffung der Subvention wird damit rückgängig gemacht. Land- und Forstwirte können sich die Energiesteuer für Diesel damit wieder teilweise zurückerstatten lassen – genauer 21,48 Cent pro Liter. Das soll die Betriebe finanziell entlasten und ihnen gleichzeitig in einem von erheblichen Preisschwankungen geprägten Markt Planungssicherheit geben. Den Bund kostet die Wiedereinführung im Jahr rund 430 Millionen Euro.
Lachgas wird für Kids verboten
Schluss mit lustig, heißt es auch bei einem anderen Thema: Lachgas, das zusehends als Partydroge kursiert, ist künftig für Kinder und Jugendliche in Deutschland verboten. Der Bundesrat billigte ein vom Bundestag beschlossenes Gesetz von Gesundheitsministerin Nina Warken (CDU), das Erwerb und Besitz für Minderjährige untersagt. Generell verboten werden der Online-Handel und der Kauf an Automaten. Gelten dürften die neuen Vorgaben wohl ab April 2026.
Hintergrund ist, dass der Konsum von Lachgas gerade für Minderjährige mit hohen Gesundheitsrisiken verbunden ist, wie Warken deutlich gemacht hatte – etwa mit Bewusstlosigkeit bis hin zu bleibenden Schäden des Nervensystems. Häufig atmen Konsumenten Lachgas, also Distickstoffmonoxid (N2O), als euphorisierenden Stoff über Luftballons ein.
Regeln für E-Scooter werden strenger
Wer künftig mit elektrischen Tretrollern auf dem Bürgersteig fährt oder zu zweit auf dem Gefährt unterwegs ist, riskiert ein höheres Bußgeld. Der Bundesrat beschloss eine Änderung der Elektrokleinstfahrzeuge-Verordnung. Darin vorgesehen ist auch, dass die Kommunen größeren Freiraum bei der Regulierung von Mietrollern erhalten, um zum Beispiel das Abstellen auf Gehwegen zu unterbinden.
Die straßenverkehrsrechtlichen Regelungen für sogenannte E-Scooter werden mit der Verordnung weitgehend an die Regeln für Fahrradfahrer angepasst. Das Fahren auf Gehwegen und das Fahren zu zweit – laut Bundesrat „typische Delikte“ für Tretrollerfahrer – wird nun mit Bußgeldern in Höhe von 25 Euro geahndet.
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