Saudi-Arabien und Israel: Wie es vor dem 7. Oktober um die Normalisierung stand
Einem Medienbericht zufolge gab es zwischen USA und Saudi-Arabien große Fortschritte, auch in der Frage um einen palästinensischen Staat. Dann kam der Krieg.
Bevor die Hamas mit ihrem Überfall am 7. Oktober 2023 eine ganze Kette an Ereignissen lostrat, war eine Normalisierung zwischen Israel und Saudi-Arabien näher als je zuvor. Wie die Times of Israel berichtet, hatte der damalige US-Präsident Joe Biden im Sommer 2023 mit Riyadh ein Dokument verfasst, das die „Palästinenserfrage“ klären sollte. Die stand bei allen Normalisierungsbemühungen zwischen Saudi-Arabien und Israel bis dato – und auch bis heute – ungelöst im Raum.
Times of Israel zitiert aus dem Dokument. Demnach waren die Konzessionen, die Biden und Riyadh von Israel erwarteten „moderat“: So hätte die Palästinensische Autonomiebehörde die Kontrolle über zusätzliches Gebiet im Westjordanland erhalten sollen – indem Teile der israelisch-kontrollierten C-Gebiete zu B-Gebieten werden, und Teile der B-Gebiete zu A-Gebieten.
Das Westjordanland ist seit den Oslo-Abkommen in den 1990er Jahren in drei administrative Gebiete aufgeteilt: Die A-Gebiete, welche die größeren palästinensischen Städte umfassen, werden allein von der Palästinensischen Autonomiebehörde verwaltet. Die B-Gebiete stehen unter palästinensischer Administrativ-, aber israelischer Sicherheitskontrolle. Die C-Gebiete werden allein von Israel kontrolliert. Sie machen die meiste Fläche des Westjordanlands aus, und trennen die palästinensischen Enklaven der A-Gebiete voneinander. Dort liegen außerdem die meisten israelischen Siedlungen. Diese sind völkerrechtlich illegal.
Was hätte sein können?
Die Verhandlungen zwischen den USA und Saudi-Arabien betrafen außerdem den Zeitraum bis zur Anerkennung eines palästinensischen Staates. Dazu gab es laut Times of Israel noch Unstimmigkeiten zwischen den beiden verhandelnden Ländern.
Doch laut Times of Israel sei die Einigkeit ausreichend gewesen, um Biden eine Reise nach Jerusalem planen zu lassen, im Gepäck das gemeinsam verfasst Dokument. Der geplante Termin: Anfang Oktober 2023.
Sicherlich hätte Israels Premier Benjamin Netanjahu das Dokument nicht einfach durchgewunken, sondern Anmerkungen gehabt. Denn ein palästinensischer Staat steht explizit auf Bibis Not-To-Do-Liste. Und seine rechtsextremen Koalitionspartner, die dies ebenfalls gewiss nicht wollen, hatten auch vor dem Krieg im Gazastreifen bereits eine gewisse Macht über ihren Premier.
Der 7. Oktober 2023 beendete diese Annäherung zunächst. Nun steht eine Normalisierung zwischen Saudi-Arabien und Israel erneut im Raum, diesmal bemüht sich US-Präsident Donald Trump darum.
Die Frage um einen palästinensischen Staat bleibt
Doch die Rahmenbedingungen sind ungleich härter: Seit Oktober 2023 führt Israels Militär im Gazastreifen einen Krieg, den führende Menschenrechtsorganisationen einen Genozid nennen. Die humanitäre Lage ist egal, unter welchem Label katastrophal, die Menschen trotz derzeit geltendem Waffenruheabkommen weiter unterversorgt. Große Teile des Küstenstreifens sind zerstört, allein die Räumung der Trümmer wird wohl Jahre dauern. Trotz alldem konnte die Hamas die Kontrolle über die Zivilbevölkerung in dem Küstenstreifen erhalten.
Außerdem haben im Westjordanland die Angriffe auf palästinensische Gemeinden durch extremistische israelische Siedler massiv zugenommen. Gegengewalt durch palästinensische Extremisten gibt es, wenn auch in deutlich geringerem Ausmaß. Auch formell baut Israel im Westjordanland seine Siedlungen aus: Allein die Genehmigung des Siedlungsblocks E1 nahe Jerusalem soll im Bau von bis zu 3.400 neuen Wohneinheiten münden. Ein palästinensischer Staat scheint vor dem Hintergrund dieser Entwicklungen ferner denn je.
Die Frage um einen palästinensischen Staat bleibt wohl die höchste Hürde in einem Normalisierungsprozess. So hatte erst im November ein Diplomat der Palästinensischen Autonomiebehörde erklärt: Man habe von Saudi-Arabien die Zusage, dass das Königreich keiner Normalisierung Israel zustimmen werde – solange es nicht einen palästinensischen Staat in den Grenzen von 1967 gibt. Auch nach dem Treffen zwischen dem US-Präsidenten und Saudi-Arabiens Kronprinz Mohammad Bin Salman im November wurden diesbezüglich keine Neuigkeiten berichtet.
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