Ökodörfer in Sachsen: Die Sehnsucht nach einem ganz anderen Leben
In den 1990er Jahren entstanden in Sachsen gleich mehrere ökologisch-gemeinschaftliche Lebensprojekte. Was ist davon heute übrig? Eine Spurensuche.
A uf dem Dresdner Wochenmarkt am Dynamo-Stadion fällt der Verkaufswagen des Ökolandbaus Pommritz nicht besonders auf. Langjährige Kunden aber suchen ihn bewusst. Denn sie schwören auf den Quark, der daraus verkauft wird. Wenn Zufallskunden bemerken, bei wem sie gekauft haben, fragen sie Geschäftsführer und Verkäufer Thomas Hieke erstaunt: „Was, Pommritz gibt es noch?“
Hieke fährt aus einem kleinen Dörfchen etwa 10 km östlich von Bautzen an, das lange weit über die Region hinaus bekannt war. Nicht wegen üblicher Touristenattraktionen, die Lausitzer Landschaft langweilt eher. Anders das Rittergut Pommritz. Das war seit 1863 „Agrikulturchemische Versuchsanstalt“, ab 1919 dann „Versuchsanstalt für Landarbeitslehre“.
Unter dem Namen „Lebensgut Pommritz“ erlangte es ab 1991 besonderes Ansehen: als eine Art Selbstversuchsanstalt für Lebensformen jenseits bürgerlich-materialistischer Standards und Anbauformen jenseits der industrialisierten Landwirtschaft.
Das „Lebensgut Pommritz“ beförderten auch zwei auf ihre Weise berühmte Männer. Rudolf Bahro galt als einer der alternativen Propheten in der späten DDR. Ministerpräsident Kurt Biedenkopf, 1990 als Retter Sachsens von der CDU aus dem Westen herbeigerufen, hieß im erlösungsbedürftigen Freistaat nur „Geenich Kurt“. Hieke nennt ihn heute noch „Gottvater“. Seinem Ruf als angeblicher Querdenker tat es nur gut, dass er gemeinsam mit Bahro für Pommritz eintrat. 1991 erhielt die „Initiative für nachhaltiges Wirtschaften und dörfliches Leben im 21. Jahrhundert“ 80 Hektar Land. 1993 startete das Projekt „Lebensgut Pommritz“.
„Nicht nur ewig labern, sondern die Welt verbessern“
Zwei „Überlebende“ trifft man 32 Jahre danach draußen am runden Tisch vor der meckernden Kulisse des Ziegenhofes. Neben Thomas Hieke begegnet man Maik Hosang, Spiritus Rector des Projektes und in der Nachfolge Bahros so etwas wie ein Prophet – in einer konfusen Zeit, als kein Prophet mehr eine Chance hatte, jemals auf einen Berg zu gelangen und gehört zu werden. Seit 2013 lehrt der Philosoph an der Hochschule Görlitz-Zittau mittlerweile Sozial- und Kulturökologie und befasst sich mit Transformationsforschung.
Der 1961 geborene Hosang ist einer der wenigen aus den Gründerzeiten, die noch in Pommritz leben. Die Villa im Rittergut hatte der Trägerverein in seinen letzten Monaten gekauft, bevor 2014 das Weiterbildungs- und Umschulungsunternehmen WBS Training AG des Österreichers Heinrich Kronbichler das Gut und seine steckengebliebenen Bauvorhaben übernahm. Bio-vegetarisches Seminarhaus nennt es sich nun. Übernachtungsangebote, wie 2017 noch als eine Art Abenteuerurlaub im „neuen Lebensgut“ angepriesen, sucht man im Internet inzwischen vergeblich.
Im Gespräch scheinen Maik Hosang retrospektive Fragen zu stören. Er möchte nicht nur in der Vergangenheitsform sprechen. Zum einen, weil die Suche nach adäquaten, nicht vom Konsum bestimmten Lebensformen heute so aktuell ist wie vor 35 Jahren. Zum anderen, weil er zumindest einen Teil des Labors von damals lebendig wirken sieht. Auch wenn es die große Gemeinschaft von etwa 40 Erwachsenen und 30 Kindern nicht mehr gibt und Versuche einer wirtschaftlichen Autarkie fehlgeschlagen sind, mit Ausnahme des Landbaubetriebes.
Nach dem Herbst 1989 wollte eine Handvoll junger Linker aus Bautzen „nicht nur ewig labern, sondern die Welt verbessern“, erinnert sich Thomas Hieke. Zumindest in einem Mikrokosmos der Möglichkeiten, der von sinnvoller Arbeit geprägt sein sollte. „Realsozialismus war nicht das Wahre, die Megamaschine aber auch nicht“, hantiert er mit einem Begriff der Achtundsechziger, den auch Bahro aufgriff.
Eigene Ressourcen besaß niemand im Osten
Nicht schon wieder eine Ideologie propagieren, alles Sektenhafte vermeiden. Eine Art Kommunenmodell haben die Neu-Pommritzer die ersten beiden Jahre probiert, dann aber doch ein Rahmenkonzept entworfen und sich mit einer Vereinssatzung Regeln gegeben. „Duale Wirtschaft“ nannten sie die internen Kreisläufe des Tauschens und Schenkens. Und bemerkten schnell das Dilemma, „über die Hofgrenzen hinaus etwas verkaufen zu müssen“, sagt Hieke.
Maik Hosang
„Wenn man sich Marktbedingungen stellt, ist man schon Gefangener des Systems“, bleibt Hosang auch heute noch fundamentalistisch. Für ihn stand Zukunftsforschung im Mittelpunkt, ein Labor optimierter Zusammenlebens- und Wirtschaftsformen. Eigentlich eine Aufgabe der Wissenschaft, die sie aber nicht erfülle und worauf Förderprogramme nicht zugeschnitten seien. Eigene Ressourcen besaß niemand im Osten, anders als in vergleichbaren noch funktionierenden westdeutschen Gemeinschaften, wo Leute viel Geld einbrachten.
Einerseits sei klar gewesen, dass man von Landwirtschaft auf 64 Hektar allein nicht leben könne, sagt Hieke. Marktwirtschaftlich kalkuliert, ging man in Pommritz dennoch von rund 22 Regelarbeitskräften aus, inklusive Veredlung und Direktvermarktung. Aber gerade in der Anfangszeit sei es schwierig gewesen, den Leuten mit exotischen Bio-Artikeln zu kommen, „während alle um uns herum in die Kaufhalle rannten, um nach der Banane zu schreien“.
Nach wenigen Jahren erodierte die Pommritzer „Mischform“, wie Hieke formuliert, aber auch hinsichtlich ihrer Gemeinschaftsideale. „Zu viele Sinnsucher und zu wenige Macher, zu viele Hartzer und zu wenige Selbstständige.“ Nach drei Jahren wurde die Gemeinschaftskasse aufgelöst, man bezahlte für Miete und Leistungen. Gründer verließen das Lebensgut wieder, „die Gemeinschaft war ständig am Auseinanderbrechen“, wie Hosang sagt. Und das zu einer Zeit, als man sich mit Bauprojekten an Rittergut und Scheune finanziell übernahm.
Der Laborcharakter ist bis heute erhalten
Auf den ersten Blick ein fehlgeschlagenes Experiment. Auch im kleinen Nachbardörfchen Niethen wird das vor 30 Jahren von Journalisten noch gestürmte Pommritz heute als erfolglos wahrgenommen. Und doch zeigt sich Maik Hosang gar nicht so enttäuscht. Übernehmer Kronbichler und seine WBS haben das Gut für etwa zehn Millionen Euro sanieren lassen. Mit dem habe man zwar nicht auf Augenhöhe reden können.
Aber er habe einen „Forschungsraum“ zur Verfügung gestellt, dessen Laborcharakter bis heute erhalten ist. Symposien „für Weiterdenkende“ etwa werden dort veranstaltet. Der Trend- und Zukunftsforscher Matthias Horx war auch schon da. Es ging und geht in dem Projekt um die Frage, wie man sinnvoll in einer Gesellschaft leben kann, „die im Überfluss lebt, aber an Sinnmangel leidet“, sagt Hosang.
Um Sinn geht es auch, wenn man vom Pommritzer Ziegenhof hinüber zur Scheune schlendert. Dort befindet sich die Philosophie-Erlebniswelt „Sophia“. Ein wahrscheinlich einzigartiger Ort in Deutschland. Eine Veranschaulichung der Elementarfragen nach dem Woher und Wohin, zwei phantasievolle Säle, chronologisch bei den alten Griechen beginnend.
Jede Schulklasse müsste hierher eigentlich eine Pflichtexkursion unternehmen. Aber jugendliche Sinnsucher aus Städten, materialistischer „Segnungen“ überdrüssig, fragen hier höchstens mal nach einem Zimmer.
Pommritz war vor 30 Jahren nicht der einzige Sehnsuchtsort
Jeden Tag treffen sich die in Pommritz Verbliebenen zum gemeinsamen Mittagessen. „Wenn man einmal infiziert ist, bleibt die Idee lebensbestimmend“, sagt einer. Vor der Verabschiedung fällt sogar das Wort vom „Paradies“ und die Ziegen meckern zustimmend.
Pommritz war vor 30 Jahren nicht der einzige Sehnsuchtsort, an dem Idealisten in Sachsen nach dem richtigen Leben im falschen suchten, um Adornos berühmtesten Satz zu bemühen. Einige von ihnen hatten auch von einem gewissen Auterwitz gehört, wo sich inmitten der „Agrarsteppe“ der fruchtbaren Lommatzscher Pflege eine ökologisch-solidarische Insel entwickelte. Mit dem Fahrrad spürt man ab Meißen die hügelige Landschaft. Auch im 1428 erstmals urkundlich erwähnten Dorf selbst geht es auf und ab, und das nicht nur topografisch.
34 Jahre nach Gründung des Vereins „Ökohof Auterwitz e. V.“ gleicht es einer archäologischen Spurensuche, noch äußerlich sichtbare Zeugnisse des ehemaligen Tummelplatzes von Pionieren der Naturnähe und der Nachhaltigkeit, aber auch von manchen Trittbrettfahrern zu entdecken.
Über hundert ABM-Stellen wurden hier einst finanziert, also Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen. Mehr als doppelt so viel wie die 1990 noch verbliebenen Ureinwohner Auterwitzes. Der stellvertretende Kreisvorsitzende der SED-Nachfolgepartei PDS, Hans-Jürgen Sickert, galt damals als „Künstler im Organisieren von Fördermitteln“, jährlich zwischen drei und fünf Millionen Mark.
„Innovative Impulse des Wandels“ brachten Fördermittel
Auch der damalige PDS-Landesvorsitzende Reinhard Lauter engagierte sich für Auterwitz. Und doch war das kein rein linkes Projekt, sondern wurde auch vom Regierungspräsidium Leipzig unterstützt. Ähnlich wie in Pommritz spielten dafür laut Vereinssatzung auch „innovative Impulse des Wandels“ eine Rolle.
Drei große Höfe trugen das Projekt. Am restaurierten Backhaus beim Lindenhof trifft man vier wunderbare Auterwitzer, deren Mischung für das Auf und Ab des Ortes steht. „Wir haben alle einen deutschen Migrationshintergrund in Auterwitz“, schicken sie lachend voraus.
Cordula Vogel
Claudia Eberlein kam als geborene Erzgebirgerin erst 2012 in diesen „magischen Ort“, als sie den Lindenhof aus der Insolvenzmasse des Vereins kaufte. Später erzählen die vier am Lagerfeuer zu Wein, Hund Chester streicht um die Beine, und von Zeit zu Zeit purzelt eine reife Mirabelle vom Baum.
„Wenn es dieses Projekt mit Gleichgesinnten und Gleichalten nicht gegeben hätte, weiß ich nicht, ob ich auf Wohnraumsuche mit kleinen Kindern in ein so kleines Dorf gezogen wäre“, gesteht Anke Vogel. Sie ist die älteste der Gruppe und sozusagen eine der Urmütter des neuen Auterwitz. Ihre Tochter Cordula, 1991 fünf Jahre jung und heute promovierte Bodenwissenschaftlerin, schwärmt von einer „Superkindheit hier“. Und von Abenteuern bei der Eroberung des Dorfes, aber auch von Mitarbeit etwa beim Lehmbau.
Viele seien eher gekommen, um zu genießen, statt mitzugestalten
Traum von Gemeinsamkeit in ländlichen Räumen, solidarische Arbeits- und Lebensgemeinschaft, aber durchaus individuell und nicht wie eine Kommune, beschreibt Vogel die Anfänge. Als Modelldorf habe man sich nie herausheben wollen, aber der ökologische Gedanke sei ebenso wie soziale Kontakte Bestandteil eines natürlichen und gesunden Lebens gewesen. Doch spricht sie auch von einem Nachlassen des Pioniergeistes, der bald durch Regularien und Verträge ersetzt wurde.
Ihre Tochter Cordula hat im jugendlichen Alter die Entwicklung erstaunlich genau beobachtet. „Wahnsinnig viele Projekte, aber immer weniger Leute, die Willen und Kraft hatten, dieses Ehrenamt auszuführen.“ Lehmbauhütte, Projektionsbüro, Landschaftspflegeverband, agrarhistorische Ausstellung, Ziegenhaltung, Käserei.
Und viele Feste, auch für die Nachbardörfer. Dafür blieb immer noch genug Energie. Neuen Zuzug, einen Generationenwechsel, habe es aber nicht gegeben. Viele seien eher hergekommen, um zu genießen, nicht um zu bleiben und mitzugestalten. Rückzugstendenzen ins Private zeigten sich. Hinzu kam der erwartbare Rückgang der Fördergelder.
Martin Tscharntke wollte als „Epigone“ an die Ökodorf-Idee anknüpfen, als er gemeinsam mit seiner Frau 2019 den Mattheshof aus der Insolvenzmasse ersteigerte. Beide kamen aus anderen Gemeinschaftsprojekten, suchten im Glauben an dessen Innovationsfähigkeit bewusst im Osten.
„Jegliches hat seine Zeit“
Tscharntke, Geschäftsführer einer Mittelstandsfirma, wirkt ernüchtert und analysiert die Vernachlässigung ländlicher Räume, die auch für den Niedergang des Experiments verantwortlich sei. „Alles wird unter rein ökonomischen Gesichtspunkten betrachtet, nachhaltig wird nicht geplant“, sagt er. Von der Infrastruktur über Bankkredite bis zu den Bodenpreisen werde „alles immer schlimmer“.
Unter den vieren am Lagerfeuer herrscht dennoch keine gedrückte Stimmung. Anke Vogel ist sogar dankbar, dass nach langer Zeit wieder ein Berufsneugieriger anrückt, eine Mumie ausbuddeln will und damit rückblickendes Nachdenken herausfordert. Ja, das Etikett sei ab. Und 6.000 Teilnehmer, wie noch 2011 zu einem Festival, kommen nicht mehr.
„Jegliches hat seine Zeit“, zitiert Vogel die Prediger aus dem Alten Testament. Aber das Dorf ist noch da und es bleibe doch ein Wert, „dass unglaublich viele Menschen hier Erfahrungen gesammelt haben“. Einzelne kommen auch wieder her und Feste werden auch noch gefeiert, obwohl der Hype um Auterwitz abgeflaut ist. Acht Kinder leben auch wieder im Dorf.
Erst nach dem Abschied trübt eine Mieterin im Lindenhof noch den Eindruck stiller Harmonie. Auch sie kam erst 2012 nach Auterwitz, „als alles schon vorbei war“. Der Kapitalismus habe eben zugeschlagen, der Versuch einer kollektiven Insel, das „rote Dorf“ der 1990er, sei Geschichte. „Die Höfe sind vereinzelt, jeder macht seinen Pups, man trifft sich höchstens noch in Cliquen“, winkt sie ab und verschwindet wieder im Haus.
Kein Bier für Nazis
Um solche gemeinschaftsbildenden Oasen ging es in Ostritz an der Neiße zwischen Görlitz und Zittau nie. Vielleicht hält sich deshalb bis heute das Etikett der „Energieökologischen Modellstadt“. Überregional bekannt dürfte der Ort aber für den erfolgreichen Widerstand gegen die „Schild und Schwert“-Nazikonzerte sein. Auf dem Markt gab es immer wieder Friedensfeste. 2019 kauften Aktivisten dann in einer originellen Aktion sämtliche Bierkästen der Region auf und legten so den Sumpf quasi trocken.
Die Besonderheit einer autarken Selbstversorgung mit Wärme- und Elektroenergie hingegen ist recht unbekannt. Darauf könnte getrost ein Schild am Ortseingang hinweisen, meint auch die parteilose Bürgermeisterin Stephanie Rikl. „Wir stellen das noch viel zu wenig heraus“.
Im Rathaus erzählt sie vom ehemals schlechten Ruf der nur 2.300 Einwohner zählenden Stadt im „schwarzen Dreieck“ von Braunkohle und Kraftwerken. Draußen sollte man zu DDR-Zeiten besser keine Wäsche aufhängen. Manche erkannten an der Konsistenz des Rußes, aus welcher Richtung er anwehte.
Doch der damalige Generalsekretär der Bundesstiftung Umwelt Fritz Brickwedde und lokale Mitstreiter beförderten in den 1990er Jahren sowohl das Potenzial von Ostritz als auch des benachbarten Klosters St. Marienthal. Letzteres ist heute ein internationales Begegnungszentrum.
„Im Stadtrat sitzen sehr lösungsorientierte Personen“
Ökologie und Nachhaltigkeit standen damals im Mittelpunkt. 1997 wurde das bis heute aktive Biomasse-Heizkraftwerk des Ortes errichtet. Die Halden von Holzhackschnitzeln zeigen, dass ihm der Brennstoff nicht so bald ausgehen wird. 16 Kilometer Fernwärmeleitungen versorgen die Stadt, deren Isolation allerdings verbesserungsbedürftig ist.
Auf den Hügeln am Stadtteil Leuba entstanden die ersten Windräder, neun sind es heute insgesamt. Eine Wasserturbine im Kloster und diverse Photovoltaikanlagen tragen mit dazu bei, dass Ostritz viermal mehr Elektroenergie erzeugt als es verbraucht.
Ab 2004 folgte eine zweite Phase „ganzheitlich nachhaltiger ökologischer Entwicklung“, wie die Stadtverwaltung formuliert. Zu den Beispielen zählen eine Pflanzenkläranlage für einen Ortsteil, Regenwassernutzung in öffentlichen Gebäuden oder Bildungsangebote. Gibt es dagegen keine Widerstände?
„Im Stadtrat sitzen sehr lösungsorientierte Personen“, schleicht Bürgermeisterin Rikl ein wenig um die Antwort herum. Tatsächlich gibt es keinen einzigen AfD-Vertreter im Stadtrat, wohl aber Öko-Gegner, die nach Schwachstellen in den Projekten suchen. Nur um Repowering, um größere neue Windkraftanlagen im Klosterwald, wird heute ebenso gestritten wie überall.
Die Frage nach dem richtigen Leben stellt sich weiter
Das Großprojekt Ostritz ist nicht als Cluster von Idealisten entstanden. Auch Bürgermeisterin Rikl spekuliert nur, ob der „Ökofimmel“ einiger weniger Macher mit den Indizien für eine Bewusstseinsveränderung in der Kleinstadt zusammenhängt. Vor 25 Jahren war Ostritz Teil der Weltausstellung Expo 2000. Die Festwoche damals fand ein ebenso breites Echo wie später die Friedensfeste gegen die Nazi-Konzerte.
Das lauschige MEWA-Bad kommt mit nur 10.000 Euro städtischem Zuschuss jährlich aus, weil es größtenteils ehrenamtlich betreut wird. Auch die Teilnahme am Wettbewerb „Unser Dorf hat Zukunft“, für die die unter 3.000 liegende Einwohnerzahl noch berechtigt, steht auf breiter, generationenübergreifender Basis.
Ostritz hat also nicht nur überlebt, sondern gilt als Erfolgsmodell und Forschungsobjekt für Städte im Strukturwandel. Von geteilten Sommern, von Visionen eines glücklicheren Zusammengehens von Arbeit und Leben wie in Pommritz oder Auterwitz kann hier wiederum niemand erzählen.
Anders in dem vom Braunkohletagebau verschonten Dorf Pödelwitz im Südraum Leipzig. Dort beginnt gerade wieder mit dem ersten gekauften Vielseithof gegen schwierige Besitzverhältnisse solch ein kleiner Versuch der Selbstbestimmung und Selbstversorgung. Das große Modell blieb bisher aus. Aber die Frage nach dem richtigen Leben stellt sich weiter. Nur leiser.
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