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Für Marktlenkung und AkzeptanzAustralien verschenkt Solarstrom

Australische Haushalte sollen mindestens drei Stunden pro Tag kostenlosen Zugang zu Solarstrom erhalten – auch, wenn sie keine Solarzellen haben.

Die Nyngan solar plant im australischen New South Wales, kurz nach ihrer Fertigstellung Foto: picture alliance/dpa/Australian Renewable Energy Agency

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Urs Wälterlin aus Canberra

Die Waschmaschine laufen lassen, gratis. Die Spülmaschine, die Klimaanlage und gleichzeitig noch das E-Auto aufladen. Alles kostenlos. Ein Traum für alle von hohen Strompreisen geplagte VerbraucherInnen. Die australische Regierung will ihn jetzt wahr machen und ab Juli kommenden Jahres drei Stunden pro Tag Strom ins Netz geben, ohne dass Haushalte dafür bezahlen müssen.

Das „Solar Sharer“(„Solar-Teiler“)-Angebot wird vorerst Häusern mit vernetzten Stromzählern in den Bundesstaaten New South Wales, Südaustralien und Teilen von Queensland angeboten. VerbraucherInnen könnten ihre besonders energieintensiven Geräte so programmieren, dass sie den Großteil ihres Stroms aus dem Netz in diesem Zeitraum beziehen.

Laut Energieminister Chris Bowen wird das Programm durch eine Änderung des Standardmarktangebots umgesetzt, das den Höchstpreis festlegt, den Einzelhändler ihren Kunden in bestimmten Teilen des Landes für Strom berechnen dürfen. Bowen zufolge werde das Programm sicherstellen, dass „jeder einzelne Sonnenstrahl unsere Häuser mit Strom versorgt“. So solle verhindert werden, dass ein Teil der Solarenergie dann verschwendet wird, wenn sie am intensivsten produziert wird: in den Stunden vor und nach Mittag.

Während Solar-Großanlagen in der Bevölkerung auf erheblichen Widerstand stoßen, sind die Menschen in Australien begeisterte NutzerInnen individuell installierter Sonnenenergie. Landesweit sind auf privaten Dächern mehr als vier Millionen Solaranlagen montiert. Das führt vor allem im Sommer mittags regelmäßig zu einem Überschuss an günstigem Strom. Ein Ziel des Programms ist, dass es die Nachfrage nach Strom von den Spitzenzeiten – besonders am frühen Abend – auf die sonnigsten Zeiten des Tages verlagert. Damit könnten auch Spitzenstrompreise minimiert und der Bedarf an teuren Netzausbauten und Eingriffen zur Gewährleistung der Stabilität des Stromnetzes verringert werden, so Bowen.

Ein nicht unerheblicher Grund für den Entscheid für den Gratisstrom dürfte auch die Kritik an der Regierung sein, Australien leide unter zu hohen Strompreisen. Konservative Kräfte behaupten – oftmals im Chor mit der Kohleindustrie – das Wachstum erneuerbarer Energieformen wie Solar und Wind sei dafür verantwortlich. Expertinnen dagegen meinen, eine veraltete Kohlekraft-Infrastruktur und global höhere Energiepreise als Folge des Ukrainekriegs seien die primären Ursachen.

Bowen warnte, die australische Energieregulierungsbehörde werde die Neuerung überwachen, um sicherzustellen, dass Haushalte außerhalb der kostenlosen Stromperiode „ein faires Angebot“ erhalten. Kostenlose Solarenergie tagsüber sei „ein Beweis dafür, dass das, was gut für den Planeten ist, auch gut für den Geldbeutel ist“. Menschen, die ihren Stromverbrauch in die kostenlose Stromperiode verlagern könnten, „profitieren direkt davon, unabhängig davon, ob sie über Solarzellen verfügen oder nicht und ob sie Eigentümer oder Mieter sind. Und je mehr Menschen das Angebot annehmen und ihren Verbrauch verlagern, desto größer sind die Vorteile des Systems, das die Kosten für alle Stromverbraucher senkt“, so Bowen.

Ganz neu ist die Idee des Gratisstroms nicht. Einige Stromkonzerne wie Red Energy und AGL bieten ihren Kunden bereits Zeiträume mit kostenloser Solarenergie an. Das Angebot der Regierung wird von KritikerInnen in der Umweltbewegung als Ablenkung davon gesehen, dass die sozialdemokratische Laborregierung zwar im Inland eine Energietransformation von noch immer mehrheitlich klimaschädigender Kohle hin zu Erneuerbaren verfolgt, gleichzeitig aber am Export gewinnbringender fossiler Rohstoffe festhält.

Premierminister Anthony Albanese glaubt zwar, Australien könne bis 2050 das Ziel der Klimaneutralität erreichen. Das ist laut Kritikern wie der Denkfabrik Climate Council aber nur möglich, weil die in Millionen Tonnen exportierter Kohle und Gas enthalten Emissionen nicht mitberechnet werden.

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