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Neuer Ausbruch der VogelgrippeDas Problem heißt immer noch Massentierhaltung

Heike Holdinghausen

Kommentar von

Heike Holdinghausen

Statt die Ursachen für Tierseuchen anzugehen, baut die Bundesregierung weiter ab, was an Tierschutz- und Nachhaltigkeitsmaßnahmen noch übrig ist.

Ob Vogelgrippe oder nicht, das Problem ist und bleibt Massentierhaltung Foto: Marius Schwarz/imago

T ierseuchen können wir inzwischen. Die zuständigen staatlichen Behörden betreiben meist relativ professionelles Krisenmanagement, die Landwirte werden teilweise entschädigt, die Öffentlichkeit nimmt traurige und mitleiderregende Bilder von Tierkörpern zur Kenntnis, die baggerschaufelweise in Containern entsorgt werden.

Es folgen Wiederholungskurse über die Grundlagen der Virologie und, je nach Interessenlage, Debatten über die Resilienz der Massentierhaltung oder über steigende Preise, aktuell über Eier und Weihnachtsgänse. Nach der Rinderseuche BSE, nach Schweinepest und wiederkehrender Vogelgrippe haben sich Routinen entwickelt.

All das zusammen lässt sich vielleicht am ehesten mit einer „Normalität des Entsetzlichen“ beschreiben. Es werden hier 50.000, dort 80.000, insgesamt bislang 500.000 Tiere getötet, um das Virus einzudämmen. In den USA waren es im vergangenen Winter 19 Millionen Nutztiere, die wegen der Vogelgrippe getötet wurden.

Das Töten dieser Tiere ist billiger, als sie zu impfen und dabei tierärztlich zu überwachen. Millionen von Tieren werden „aufgestallt“, also eingesperrt, auch dies, um das Virus einzudämmen. Nicht, um die Wildtiere zu schützen – deren Populationen werden sich erholen, davon gehen Fachleute aus, und viel eher als Viren machen schrumpfende Lebensräume, Verschmutzung und der Klimawandel Arten den Garaus. Beim aktuellen Virenschutz geht es sowieso nur darum, Betriebe zu schützen und Preise konstant zu halten.

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Die Tiere wären ohnehin bald gestorben

Das wäre besser zu ertragen, wenn wir eine Lebensmittelwirtschaft im Wandel beobachten würden. Wenn klar wäre, dass Ställe mit Zigtausenden Tieren ein Anachronismus wären, den zu überwinden Betrieben, Politik und Ver­brau­che­r:in­nen ein Anliegen wäre. Wenn der Staat seine Milliarden für die Transformation auch für eine humanere Tierhaltung ausgäbe. Wenn es mehr und mehr Common Sense wäre, dass Weihnachtsgänse eben nur zu Weihnachten im Angebot sind und Eier ein wertvolles Lebensmittel, die mehr kosten dürfen als 20 Cent.

Aber so ist es ja nicht. Der aktuelle Landwirtschaftsminister räumt das wenige ab, was seine Vor­gän­ge­r:in­nen an Nachhaltigkeit in der Tierhaltung umgesetzt oder wenigstens vorgehabt haben. Rituelles Leberkäsesemmelessen ist politisch erfolgreich und das Thema vegetarische Ernährung auf dem Weg zurück in die Nische. Das Keulen Tausender Nutztiere muss man so schrecklich übrigens nicht finden. Eine Mastente in konventioneller Haltung lebt durchschnittlich 42 Tage – viel früher als sowieso ist sie in diesem Herbst also nicht gestorben.

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Heike Holdinghausen
Redakteurin für Wirtschaft und Umwelt
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1 Kommentar

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  • Absolute Zustimmung, Frau Holdinghausen.

    Sie beschreiben dieses furchtbare Problem im Kern.

    Danke.