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das portraitDie Memoiren der Virginia Roberts Giuffresind schmerzhafte Lektüre

Foto: Luis Lanzano/UPI Photo/imago

„Wie süß, sie trägt noch eine Mädchenunterhose“, so die Worte des Sexualverbrechers Jeffrey Epstein, als er Virginia Roberts Giuffre, damals 16 Jahre alt, zum ersten Mal vergewaltigte. Zu diesem Zeitpunkt hatte das Mädchen bereits Jahre des sexuellen Missbrauchs hinter sich. Begonnen hatte es, da war sie noch nicht einmal zehn Jahre alt, mit ihrem Vater und einem Nachbarn. Ihr Vater bestreitet dies.

Roberts Guiffre war das mittlere Kind und die einzige Tochter von Lynn und Sky Roberts und wuchs in einer ländlichen Region Floridas in ärmlichen Verhältnissen auf. Die Einzelheiten ihrer brutalen sexuellen Ausbeutung, zunächst durch ihre Familie, dann durch Zuhälter, später durch mächtige Männer, hat sie am Dienstag in ihren Memoiren „Nobody’s Girl“ posthum veröffentlicht. Nur 41 Jahre alt, begann Roberts Giuffres im April Suizid. Es war nicht der erste Versuch der Mutter dreier Kinder, ihr Leben frühzeitig zu beenden.

Immer wieder liest man im Buch detailreiche und schockierende Einzelheiten, was sie alles ertragen musste: schwere Schläge, Würgen, Verletzungen bis aufs Blut, Schwellungen. Roberts Giuffre anonymisiert im Buch viele der Männer, die sie missbrauchten. Sie werden als „der Minister“, „Milliardär I“ und“ Milliardär II“ im Buch aufgelistet, dem Letzteren soll eine Hotelkette gehört haben.

Der Sex mit dem britischen Königsbruder Prinz Andrew, der dreimal auf Wunsch des damaligen US-Milliardärs Jeffrey Epsteins stattgefunden haben soll – der Prinz bestreitet es –, ist dabei fast nur noch beiläufig. Prinz Andrew hätte einen Fußfetischismus gehabt, heißt es in dem Buch. Das Foto mit dem Prinzen, der damals 41 Jahre alt war, sie 17, war ein kleiner Sieg für Roberts Giuffre. Ein Ausdruck von Selbstbestimmung: Denn, so heißt es in den Memoiren, es sei Roberts Giuffre gewesen, die darauf bestand, das Foto ihrer Mutter zu schicken. Und auf dem Foto trage sie auch nicht die Kleidung, die die Männer von ihr gefordert hätten.

Zu Epstein gelangte Roberts Giuffre über einen Job in Donald Trumps Mar-a-Lago-Resort in Florida, wo ihr Vater als Hausmeister tätig war. Dort wird sie von Epsteins Komplizin Ghislaine Maxwell aufgespürt und überredet, eine Massage an Epstein als Nebenverdienst auszuprobieren. Epstein erwartet sie nackt, Maxwell ebenfalls, Roberts Giuffre muss sich auch ausziehen. Epstein vergewaltigt die damals 16-Jährige; 200 US-Dollar erhält sie dafür. Epstein missbraucht sie in den nächsten zwei Jahren manchmal sogar mehrmals täglich und zwingt sie zum Sex mit anderen. Beim Sex habe sie ihn „Daddy“ nennen sollen. Roberts Giuffre erinnert sich an die pink gehaltene Wohnung des Sexualtäters, die an eine Vulva erinnert habe.

Roberts Giuffre gelingt es schließlich, Epstein zu überreden, ihr einen Massagekurs in Thailand zu finanzieren. Dort trifft und heiratet sie den australischen Kampfsportlehrer Robert Giuffre und folgt ihm nach Australien. Ihn beschreibt Roberts Giuffre als ihren Retter, doch die Beziehung soll komplex gewesen sein. 2024 trennen sich die beiden, die Kinder bleiben beim Vater.

Roberts Giuffre ging später gerichtlich gegen ihre einstigen Peiniger vor und gründete die Hilfsorganisation Speak Out, Act, Reclaim, kurz Soar, für Betroffene sexuellen Missbrauchs. Dass Prinz Andrew am Freitag vergangener Woche seine royalen Titel niederlegte, hätte Roberts Giuffre sicher als Sieg empfunden, sagte Amy Wallace, die Roberts Giuffre mit dem Buch half. In den Memoiren heißt es, wenn das Buch „auch nur einer Person hilft, habe ich mein Ziel erreicht“.

Daniel Zylbersztajn-Lewandowski, London

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