Queerfeindlichkeit in Schulen: Politik wird an die Tafel gerufen
Nach einem queeren Mobbingfall an einer Schule verweist die Bildungssenatorin auf die künftige Beschwerdestelle. Für queere Bildung wird das Geld gekürzt.

In der Plenarsitzung des Abgeordnetenhauses erklärte die Bildungssenatorin Katharina Günther-Wünsch (CDU) am Donnerstag, sie sei „nicht vollständig zufrieden mit der bisherigen Vorgehensweise“ im Fall der Rütli-Schule. Außerdem räumte sie ein, dass das Schulsystem „weit entfernt von einer standardisierten Durchführung der Beschwerdeverfahren“ sei. Die queerfeindlichen Diskriminierungen an der Rütli-Schule folgen auf das monatelange Mobbing, dem der Lehrer Oziel Inácio-Stech am Carl-Bolle-Gymnasium in Moabit ausgesetzt war.
Die Senatorin sieht die Lösung des Problems der Queerfeindlichkeit an Schulen in der Einrichtung einer zentralen Mobbing- und Antidiskriminierungsstelle. Diese Maßnahme kündigte die CDU-Politikerin bereits nach dem Vorfall an der Carl-Bolle-Schule an, der die strukturelle Lücke im aktuellen Beschwerdeverfahren aufgezeigt hatte. Mitte Oktober soll sie in Kraft treten.
„Es muss präventiv gehandelt werden“
„Eine solche Stelle kann nicht schaden“, sagt Ulrich Klocke, Sozialpsychologe an der Humboldt-Universität. „Aber letztendlich muss vor allem präventiv gehandelt werden – nicht erst, wenn es schon passiert ist.“ Das könne beispielsweise mithilfe von Plakaten, geeignetem Unterrichtsmaterial oder durch Treffen und Austausch mit queeren Menschen geschehen.
Diese Arbeit wird in Berlin bereits von mehreren Vereinen und Initiativen übernommen, darunter die Beratungsstelle ABQueer Berlin. Seit 2005 betreut der Verein die Projekte „Teach Out“ und „Aufklärungsprojekt“. Ersteres dient unter anderem der Ausbildung von Lehrkräften gegen Homophobie. Das „Aufklärungsprojekt“ ist das einzige Austauschprojekt zwischen und mit queeren Menschen (ein sogenannter Peer-to-Peer-Workshop) an Berliner Schulen.
Doch Ende August erfuhr die Beratungsstelle, dass ihre Förderung durch die Antidiskriminierungsstelle (ADS) im kommenden Jahr ausläuft. „Unsere Spenden reichen nicht aus, um diese Aktionen zu finanzieren, und die Schulen haben kein Geld, um sich an diesen Projekten zu beteiligen“, sagt Eleanora Dahlke, Sprecherin des Vereins zur taz. „Ohne Förderung können wir nicht mehr handeln.“
Dem Verein wurde von der ADS ein neues Projekt zum Thema Gewaltprävention angeboten, um überhaupt weiterexistieren zu können. „Es ist immerhin gut, dass wir die Mitarbeitende behalten und weiter einen Beitrag leisten können“, sagt Dahlke.
Queere Projekte vor dem Aus
Ein weiterer Teil ihrer Mitarbeiter:innen und Ehrenamtlichen könnten sich bei anderen queeren Bildungsvereinen gegen Queerfeindlichkeit engagieren. Doch auch die sind von Kürzungen bedroht, darunter Queerformat, queer@school, I-Päd. Im Haushaltsentwurf für 2026/2027 sind keine Gelder für sie vorgesehen.
Bereits im Mai dieses Jahres musste die Veranstaltungsreihe „Queer History Month“ eingestellt werden, als der Senat dem Träger „Spinnboden Lesbenarchiv & Bibliothek“ die Förderungen für das Projekt entzog. Das Programm organisierte seit zehn Jahren jährlich Workshops und Lesungen für alle Altersgruppen zum Thema Queer-Kultur.
Die letzte Hoffnung für ABQueer wäre, die Förderung für das nächste Jahr von der Bildungsverwaltung zu erhalten, was bisher jedoch nicht vorgesehen ist. Der Verein selbst glaubt nicht daran. „Teilweise müssen wir im Moment um Gespräche betteln, nur um zu sagen, dass es überhaupt ein Problem gibt und warum wir wichtig sind“, sagt Dahlke. Am 25. Oktober wird der Verein trotzdem seine Geburtstagfeier ausrichten. „Mit Tränen in den Augen und einem Lächeln im Gesicht.“
🏳️⚧️ SHANTAY. YOU PAY. 🏳️🌈
Auf taz.de finden Sie eine unabhängige, progressive Stimme. Frei zugänglich, ermöglicht von unserer Community. Alle Informationen auf unserer Webseite sind kostenlos verfügbar. Wer es sich aber leisten kann, darf einen kleinen Beitrag leisten. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert