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Wahlen in MoldauSieg der Pro-Europäer nach Zitterpartie

Die westlich orientierte PAS-Partei von Präsidentin Maia Sandus erringt in der Republik Moldau eine Mehrheit. Pro-russische Gruppierungen rufen zu Protesten auf.

Die Blumen waren nicht verfrüht: Maia Sandu bei der Stimmenabgabe vor einem Wahllokal am 28. September Foto: Vadim Ghirda/ap

Warschau taz | Nach der Auszählung aller Stimmen in der Republik Moldau steht der Wahlsieg der proeuropäischen Reformpartei „Aktion und Solidarität“ (PAS) von Präsidentin Maia Sandu fest. Drei prorussische Bündnisse schnitten schlechter ab als erwartet. Laut dem Wahlbeobachterportal sicherte sich PAS 56 von 101 Sitzen – 5 weniger als 2021. Dennoch verfügt die prowestliche Regierungspartei über eine klare Mehrheit im Parlament.

„Wir haben der Welt gezeigt, dass wir ein Land mit mutigen und stolzen Bürgern sind“, kommentierte Sandu am Montagmittag das Ergebnis. Sie verwies auf massive russische Einschüchterungsversuche und wertete das Ergebnis als Mandat für Reformen und den EU-Beitritt. „Gesellschaft und Staat sind resistenter geworden“, sagte Sandu. „Moldau zeigt uns heute, dass man vor Russland nicht einknicken, sondern sich verteidigen und siegen kann“, kommentierte am „Warsaw Security­ Forum“ Frankreichs Außenminister Jean-Noël Barrot hocherfreut.

Die Wahl galt als Schicksalsentscheidung über die Zukunft der verarmten Ex-Sowjetrepublik an der strategischen Schnittstelle zwischen Rumänien und der Ukraine. Beobachter bezeichneten sie angesichts der russischen Aggression als wichtigste Wahl Europas im Jahr 2025. Der Kreml hatte wie schon beim EU-Referendum 2024 erhebliche Mittel in Stimmenkauf, Desinformation und Social-Media-Kampagnen investiert.

Trotz dieser Unterstützung distanzierte die PAS das prorussische Bündnis „Patriotischer Block“ von Igor Dodon deutlich. Im Einzelnen kam Sandus PAS auf 50,2 Prozent (2021: 53 Prozent) der Stimmen. Dodons Dreiparteienbündnis erreichte mit 24,2 Prozent (26 Sitze, 2021: 27 Prozent) weit weniger Stimmen als erwartet. Noch schlechter schnitt das mutmaßlich in Moskau geschmiedete Bündnis „Alternative“ des sich proeuropäisch gebenden Chișinăuer Bürgermeisters Ion Ceban ab. Statt der prognostizierten 15 Prozent kam es nur auf 8 Prozent (8 Sitze).

Auch eine populistische Partei zieht ins Parlament ein

Auch die linkspopulistische Formation „Unsere Partei“ des nordmoldauischen Geschäftsmanns Renato Utas schnitt mit 6,2 Prozent (6 Sitze) schlechter ab als gemeinhin erwartet. Als fünfte Partei schaffte es mit 5,6 Prozent (6 Sitze) völlig überraschend die populistische Partei „Demokratie zu Hause“ erstmals ins Parlament. Die Partei des einstigen liberalen Politikers Vasile Costiuc setzt sich für eine Union der Moldau und Rumäniens ein.

Die bisherige Regierungspartei PAS verdankt ihr überraschend gutes Abschneiden vor allem auch den Stimmen der Gastarbeiter im Ausland. Diese moldauische Diaspora vor allem in Italien, Frankreich und Deutschland stimmte zu fast 90 Prozent für die pro-europäische PAS, genauso wie sie schon 2024 für eine zweite Amtszeit von Maia Sandu und den EU-Beitritt als Verfassungsartikel in Moldau gestimmt hatte.

Dazu hatte die Regierung in der letzten Woche vor der entscheidenden Wahl über die Zukunft Moldaus von der Auslieferung des eines Milliardenraubs angeklagten Oligarchen Vladimir Plahotniuc von Griechenland nach Chișinău profitiert. Plahotniuc soll mit dem pro-russischen, moldauisch-israelischen Geschäftsmann und Politiker Ilan Schor im Jahre 2016 bis zu einer Milliarde Euro von drei moldauischen Geschäftsbanken via russische Geldinstitute außer Landes transferiert haben. Zehntausende von Kleinanlegern verloren dabei ihre Ersparnisse, darunter auch Anhänger pro-russischer Parteien. Dass Plahotniuc unter Maia Sandus Regierung festgenommen und nach Moldau ausgeliefert wurde, half nun der Präsidialpartei.

Fortbestehen der pro-europäischen Regierung scheint sicher

Dazu hatte die Zentrale Wahlkommission zwei Tage vor der Wahl die linkspopulistische Partei „Herz der Moldau“ der Ex-Regionalpräsidentin des Autonomen Gebietes Gagausien, Irina Vlah, aus dem pro-russischen „Patriotischen Block“ entfernen lassen. Die Behörde sah es als erwiesen an, dass es sich bei „Herz der Moldau“ de facto um eine Proxy-Partei der 2023 verbotenen Schor-Partei des gleichnamigen Oligarchen handelt. Das Viererbündnis Dodons schrumpfte damit auf ein Dreierbündnis zusammen.

„PAS hat die Parlamentswahlen verloren“, behauptet Oppositionsführer Dodon in der Nacht zum Montag dennoch unbeirrt vor dem Gebäude der Zentralen Wahlkommission umringt von ein paar Dutzend Anhängern. Bereits am Wahlsonntag hatte Dodon für Montag zu Protesten gegen die Regierung aufgerufen. „Wir müssen die Wahrheit und Stimmzählung gemäß Gesetz verteidigen“, forderte er und rief seine Anhänger bereits in der Nacht in die Innenstadt von Chișinău. Weit besonnener gaben sich die ebenso oppositionellen Populisten Costiuc (PPDA) und Usati. Letzterer rief gar alle zu Koalitionsgesprächen mit seiner Formation „Unsere Partei“ auf.

Usatis „Unsere Partei“ war im Vorfeld der Wahlen selbst von namhaften PAS-Politikern nicht als möglicher Juniorpartner ausgeschlossen worden, sollte die Partei keine absolute Mehrheit mehr im Parlament gewinnen. Damit erscheint ein Fortbestehen der pro-europäischen PAS-Regierung und damit der West-Integration Moldaus am Montag doppelt abgesichert.

„Die PAS hat die Parlamentswahlen verloren“, behauptete Oppositionsführer Dodon in der Nacht zum Montag vor der Wahlkommission, umringt von wenigen Dutzend Anhängern. Am Montag demonstrierten Tausende Anhänger des „Patriotischen Blocks“ vor dem Parlament in Chișinău. Transparente und Sprechchöre versprachen: „Der Sieg wird bald unser sein!“

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