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Linkenpolitikerin über Wohnungspolitik„Wir kämpfen mit Markus Söder gegen Miet­wucher“

Die Bundesregierung spiele mit ihrer Mietrechtskommission auf Zeit, sagt Caren Lay (Linke). Aber ihre Partei habe manchmal überraschende Verbündete.

Caren Lay ist nicht nur Vorsitzende des Bauausschusses im Bundestag, sie rappt auch gern politische Botschaften auf Tiktok Foto: Jens Gyarmaty

taz: Frau Lay, der Wohnungsmarkt bleibt weiter angespannt. Aber die Bundesregierung hat sich verändert. Statt Ampel gibt es jetzt Schwarz-Rot. Wer ist Ihrer Meinung nach schlimmer für Mieter:innen: FDP oder Union?

Caren Lay: Das ist natürlich ein hartes Battle. Momentan ist es ein Gleichstand. Gleichzeitig hoffe ich, dass der vernünftige Teil der Union erkannt hat, dass sie auch etwas für Mie­te­r:in­nen liefern müssen und nicht die Blockadehaltung der FDP fortführen können.

taz: Das Bauministerium ist in SPD-Hand geblieben. Wie unterscheidet sich denn die neue Ministerin Verena Hubertz von ihrer Vorgängerin Klara Geywitz?

Lay: Positiv ist, dass sie versucht, Schwung reinzubringen, und ehrgeiziger wirkt. Gleichwohl sind die ersten Haushaltsentwürfe genauso enttäuschend. Mit dem Sondervermögen Infrastruktur ist doch plötzlich so viel neues Geld vorhanden. Ich hätte mir gewünscht, dass man damit auch Investitionen in einen gemeinnützigen Wohnungssektor ermöglicht. Aus meiner Sicht wäre es entscheidend, dass wir eine gemeinnützige Wohnungspolitik nach dem Vorbild Wiens machen. Dafür ist aber kein einziger Euro vorgesehen. Dass die Bundesregierung jetzt einseitig auf diesen „Bauturbo“ setzt, bringt uns nicht weiter.

Linke Mietenkampagne

Die Konferenz Mit einer Aktivenkonferenz vom 3. bis 5. Oktober in Berlin startet die Linke eine bundesweite Mietenkampagne. Teil­neh­me­r*in­nen sollen in Workshops geschult werden, um später vor Ort als Mie­ten­ex­per­t*in­nen aktiv zu werden. Am Vorabend der Konferenz, am 2. Oktober, laden Jan van Aken und Ines Schwerdtner in Berlin zu einer Mietenrallye ein, einer Diskussion unter anderem mit Vonovia-Mieterinnen, Deutsche Wohnen enteignen, Nam Duy Nguyen und Caren Lay.

Die Ziele Die Linke möchte als Partei der Mie­te­r*in­nen wahrgenommen werden und politischen Druck für einen bundesweiten Mietendeckel aufbauen.

taz: Der verspricht doch immerhin, Bauen weniger bürokratisch zu machen.

Lay: Einfach schneller etwas zu bauen ist keine Antwort auf die soziale Wohnungsfrage in den Städten. Viele Ex­per­t:in­nen befürchten, dass damit insbesondere im ländlichen Raum schnell irgendetwas hingeklatscht wird ohne jede soziale Vorgabe. Das wird die Wohnungskrise in den Städten nicht entspannen. Außerdem gibt es die berechtigte Befürchtung, dass es die Spekulation mit Grundstücken weiter antreibt.

taz: Warum protestieren so wenige Menschen gegen zu hohe Mieten?

Lay: Ich glaube, dass das Thema sehr schambehaftet ist. Menschen, die auf Wohngeld angewiesen sind oder wegen Mietschulden rausgeschmissen werden, reden nicht so gerne darüber. Deswegen gibt es auch an anderer Stelle wenig sozialen Protest von Betroffenen. Außerdem haben Mie­te­r:in­nen auch einfach nicht so eine große Lobby wie zum Beispiel die Immobilienbranche. Die pflegt ja sehr gute Kontakte in die Ministerien. Ich habe mal das Lobbyregister der Bundesregierung ausgewertet: Auf vier Lobbyisten des Deutschen Mieterbundes kommen 144 aus der Immobilienbranche. Der Immobilienlobby gelingt es somit besser, den öffentlichen Diskurs zu bestimmen.

taz: Es ist auffällig, wie viele Gelder aus der Immobilien- und Baubranche als Spenden an deutsche Parteien fließen. Sehen Sie einen Zusammenhang mit der aktuellen Politik?

Lay: Es gibt finanzielle Verflechtungen, die hochproblematisch sind. Wir als Linke lehnen ja jede Unternehmensspende ab. Alle anderen Parteien im Bundestag haben Spenden von der Immobilienlobby erhalten. Insbesondere bei der Union ist die Verwobenheit mit der Immobilienlobby seit jeher sehr stark. Von der SPD wünsche ich mir, dass sie zu einer eigenständigen sozialdemokratischen Handschrift zurückfindet, die kann ich bisher nicht erkennen.

taz: Woran machen Sie das fest?

Lay: Die Mietpreisbremse wurde unter Angela Merkel eingeführt und sie funktioniert bis heute nicht richtig. Die SPD konnte nicht die geringste Nachbesserung erreichen, zum Beispiel dass die ganzen Schlupflöcher geschlossen werden. Gleichzeitig macht sie diesen „Bauturbo“ mit, ohne soziale Vorgaben zu machen. Das ist ganz klar eine Forderung der Union und der Bauwirtschaft.

Im Interview: 

Caren Lay

geboren 1972, ist seit 2009 im Bundestag, seit 2016 mietenpolitische Sprecherin der Fraktion der Linken und seit Mai 2025 Vorsitzende des Bauauschusses.

taz: Was müsste denn passieren, um die Situation zu verbessern?

Lay: Die Finanzierung und der Ausbau einer Wohngemeinnützigkeit und ein Mietendeckel sind zentral. Aber wir müssen auch dringend den Mieterschutz bei möblierten Wohnungen und bei Kurzzeitverträgen verbessern. Das ist relativ unreguliert und da wird den Leuten wirklich systematisch das Geld aus der Tasche gezogen. Viele, die neu in Städte kommen, haben oft nur die Möglichkeit, in diese Kurzzeit- oder möblierten Mietverträge reinzukommen.

taz: Wenn Sie wählen müssten zwischen gemeinnützigem Wohnungsbau nach Wiener Vorbild oder Mietendeckel. Das eine schafft Wohnraum, das andere friert Mieten ein – wie entscheiden Sie sich?

Lay: Das geht nur zusammen. Ich bin fest überzeugt, dass man die Mietpreisentwicklungen nicht dem Markt überlassen darf. Gleichzeitig brauchen wir eine sozialere Baupolitik. Das gemeinnützige Modell, wie es in Wien praktiziert wird, gab es früher auch in der Bundesrepublik. Wir sollten nicht vergessen, dass es maßgeblich die städtischen Wohnungsbaugesellschaften und die Genossenschaften waren, die das Land nach zwei Weltkriegen wieder aufgebaut haben. Die gemeinnützige Wohnungswirtschaft war eigentlich ein Erfolgsmodell, die Mietpreise wurden dadurch niedrig gehalten. Das hat der freien Immobilienwirtschaft natürlich nicht gefallen. Leider hat der Korruptionsskandal um die gewerkschaftseigene Wohnungsgesellschaft Neue Heimat Anfang der 80er Jahre der Regierung Kohl den Anlass geboten, die Wohngemeinnützigkeit grundsätzlich abzuschaffen. Sie sollte wieder eingeführt werden.

taz: Sie wurde doch von der Ampel wieder eingeführt.

Lay: Aber nur in einer absoluten Schmalspurvariante. Es braucht aber einen relevanten Teil des Wohnungsmarktes, der nicht den Gesetzmäßigkeiten von Rendite folgt, sondern den Gesetzmäßigkeiten des Gemeinwohls. Dafür braucht es staatliche Investitionen und einen besseren Rechtsrahmen. Beides ist von der Regierung leider nicht wirklich vorgesehen.

taz: Mitte September wurde eine Mietrechtskommission eingesetzt. Die will bis Ende 2026 zum Beispiel prüfen, wie man Mietwucher besser bestrafen kann. Sind Sie hoffnungsvoll?

Lay: Diese Kommission gibt es doch nur, weil sich SPD, CDU und CSU in den Koalitionsverhandlungen in strittigen Fragen nicht einigen konnten. Ich bin mir sehr unsicher, was dabei herauskommt. Dabei gibt es für die meisten Themen schon lange gute Vorschläge.

taz: Zum Beispiel?

Lay: Die Kommission soll sich ja mit überhöhten Mieten beschäftigen, also wie der Paragraf 5 des Wirtschaftsstrafgesetzbuches besser angewendet werden kann. Da gibt es einen konkreten Vorschlag, der schon mehrfach im Bundesrat mit einer Mehrheit bedacht worden ist. Dieser Gesetzesvorschlag kam aus Bayern. Also Markus Söder und die Linke kämpfen hier gemeinsam für eine bessere Verfolgung des Mietwuchers. Aber die Union blockiert und spielt mit der Kommission auf Zeit.

taz: Sind die Grünen hier für Sie ein Bündnispartner?

Lay: Die Grünen haben in der vergangenen Legislaturperiode in der Wohnungspolitik leider keinen einzigen Punkt gemacht. Aber ich begrüße es, dass sie sich wieder auf das Thema besinnen. Ich will aber auch sagen, ohne den Wahlerfolg der Linken mit dem Mietenthema wäre diese Wende der Grünen wahrscheinlich nicht zustande gekommen.

taz: Sie haben das Thema Mieten im Wahlkampf erfolgreich stark gemacht und mit einem Mietwuchercheck auch praktische Hilfe angeboten. Was ist daraus geworden?

Lay: Es gibt erste Erfolgsmeldungen. Es gibt einige Städte, die jetzt Abteilungen geschaffen haben, um Mietwucher besser zu verfolgen. Leipzig und Hamburg beispielsweise bauen das jetzt auf. Wir werden den Mietwuchercheck im Herbst auf weitere Städte ausweiten.

taz: Gilt das auch für den Heizkostencheck?

Lay: Auch den wird meine Partei weiter anbieten. Am ersten Oktoberwochenende veranstaltet die Partei eine große Konferenz, wo wir mit vielen engagierten Mitgliedern eine große Mietenkampagne planen wollen. Sie werden noch sehr viel von uns hören, nicht nur auf Bundesebene, sondern auch in den Ländern und Kommunen.

taz: Sie sind seit Mai Vorsitzende des Bauausschusses im Bundestag. Hat sich mit dieser Rolle auch Ihr Einfluss verändert?

Lay: Ich hoffe: ja. Ein Stück weit kann ich das Agendasetting mit beeinflussen. Ich kann mitentscheiden, was auf die Tagesordnung des Ausschusses und dann auch des Bundestages kommt.

taz: Wurden Sie schon ins Bauministerium eingeladen?

Lay: Noch nicht, aber das steht bald an.

taz: Wie benimmt sich eigentlich die AfD im Bauausschuss? Lay: Sie ist bisher nicht sehr auffällig. Ihre Provokationen macht sie ja meist nur auf der großen Bühne. Zudem interessiert sich die Partei auch nicht für Wohnungspolitik. Konkrete Vorschläge, wie wir die Situation verbessern könnten, gibt es von ihr nicht. Das ist eine wichtige Botschaft. Denn es gibt Untersuchungen, die sagen, dass Mieter:innen, die von der Mieterhöhung bedroht sind, eher dazu tendieren, die AfD zu wählen. Das ist absolut irrational.

taz: Sie sind seit 2009 im Bundestag und waren zwischendrin sehr angefressen über den Zustand der Linken-Fraktion. Wie sieht das heute aus?

Lay: Ich feiere sehr, dass die Linke so gestärkt in den Bundestag gekommen ist mit so einer jungen, frischen und großen Fraktion. Wir haben jetzt fünf Abgeordnete, die sich um verschiedene Aspekte von Wohnungspolitik kümmern: Mietenpolitik, Bau- und Stadtentwicklungspolitik, Spekulationsbekämpfung und Wohnungslosigkeit, soziale Wärmewende. Das gab es vorher nicht.

taz: Lange waren Sie aber Einzelkämpferin auf dem Feld.

Lay: Das stimmt, ich habe da sehr lange auf Granit gebissen. Es war einen kluge Entscheidung der jetzigen Fraktions- und Parteiführung, das Thema zu stärken. Es ist ja nicht bei allen linken Themen so, dass es auch eine große inhaltliche Einigkeit gibt.

taz: Sie sind auch bekannt für Ihre Social-Media-Auftritte. Was haben Sie da als Nächstes in der Mache?

Lay: Es gibt eine neue Serie, die heißt „Beim Finanzamt“. Da geht es um ungerechte Steuerpolitik an der Schnittstelle zwischen Steuer-, Immobilien- und Wohnungspolitik.

taz: Klingt ziemlich kompliziert für Tiktok!

Lay: Wir erklären beispielsweise Sharedeals oder Steuerschlupflöcher für Immobilienkonzerne, natürlich mit Humor und Augenzwinkern. Dass Oma Else Grunderwerbsteuer zahlen muss, aber Deutsche Wohnen keinen einzigen Euro Steuern bei einem 25-Milliarden-Deal zahlt. Dieses himmelschreiende Unrecht verdient mehr Öffentlichkeit. Ich will, dass die junge Generation davon erfährt. Wir haben jetzt die ersten Folgen produziert. Sie können gespannt sein.

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