Schutz des Lebens in der Antarktis: Lachszucht auf Kosten der Pinguine
Krill ist Nahrungsgrundlage für Wale und Seevögel, doch Fangflotten bedrohen die Bestände. Die Antarktis-Kommission sucht diese Woche nach Lösungen.

taz | Schafft es die Weltgemeinschaft, eine wichtige Grundlage der marinen Nahrungskette zu schützen? Ab diesem Montag hat sie dazu zwei Wochen lang Gelegenheit. Im australischen Hobart auf der Insel Tasmanien tagt bis Ende Oktober die Kommission zur Erhaltung der lebendigen Meeresschätze der Antarktis (CCAMLR).
Hauptthema der Tagung ist, wie die industrielle Krillfischerei im südlichen Ozean wirksamer überwacht werden kann. Dort bildet Krill – ein kleines Krebstier – riesige Schwärme; insgesamt wird deren Gewicht auf rekordverdächtige 300 bis 500 Millionen Tonnen Biomasse geschätzt. Nach dem pflanzlichen Phytoplankton stellt Krill die zweite Stufe der Nahrungskette dar. Pinguine, Wale, Robben und auch Fische sind auf die Krebse angewiesen.
Allerdings interessieren sich nicht nur Meerestiere für die garnelenförmigen Tierchen, sondern zunehmend auch der Mensch. Massenhaft wird Krill zu Fischfutter für norwegische Lachszuchten verarbeitet oder zum Nahrungsergänzungsmittel Omega-3-Fettsäure. Im Handel ist es unter anderem als „Krillöl“ erhältlich.
In diesem Jahr hatten die Fangflotten schon im August die sensible Menge von 620.000 Tonnen Krill aus dem Meer gefischt und mussten daraufhin ihre Arbeit einstellen. Diese Menge gibt die CCAMLR vor: Sie stellt etwa ein Prozent der verfügbaren Biomasse an Krill in vier bestimmten Regionen des Südwest-Atlantiks dar. Die Grenze soll gewährleisten, dass genügend Krill überlebt, um die Population stabil zu halten. Ob das gelingt, ist allerdings fraglich.
Seit 2022 misst die CCAMLR jedes Jahr neue Rekordmengen an Krillfang. Auf ihrer Jahrestagung 2024 konnte sich die Kommission nicht auf neue Mechanismen einigen, um die Krillbestände wirksam zu schützen. Seit 2019 sei klar, dass die Vorgaben der CCAMLR nicht „aktuelle Begebenheiten wie die Erholung der Bartwalpopulation, die Populationsdynamik des Krills sowie die Auswirkungen des Klimawandels berücksichtigt“, sagt Bettina Meyer, die in Hobart die Verhandlungen für das Alfred-Wegner-Institut beobachtet. Seitdem wird an neuen Messmethoden der Bestände und Vorgaben für die Fangflotten gearbeitet. Bislang ergebnislos.
Ökonomisches und geopolitisches Interesse
„In erster Linie profitieren Unternehmen aus Krillfangnationen von dieser Fischerei, vor allem Norwegen, China und die Republik Korea“, sagt Ricardo Roura von der unabhängigen Antarktis- und Polarmeervereinigung ASOC. Kleinere Betriebe säßen in Chile, der Ukraine und Russland. In erster Linie haben diese Länder ein ökonomisches Interesse daran, möglichst viel Krill zu fischen.
Darüber hinaus „sehen einige Nationen möglicherweise einen strategischen oder geopolitischen Wert darin, durch den Krillfang ihre Präsenz und ihren Einfluss im Südpolarmeer aufrechtzuerhalten“, sagt der Umweltaktivist Roura. Vor allem China, Russland und Norwegen sperren sich dagegen, die Fangflotten im Südpolarmeer zu reduzieren.
ASOC fordert die Verbraucher:innen zu einem bewussten Konsum von antarktischen Krill auf. Weder in Futtermitteln für Lachs noch in Nahrungsergänzungsmitteln sei Krill unverzichtbar. Also sollten Konsument:innen weniger oder keinen Zuchtlachs essen sowie auf pflanzliche, algenbasierte Omega-3-Alternativen zurückgreifen.
Während Beobachter die Hoffnung hegen, dass sich die Kommission auf ein besseres Management der Krillfischerei einigen kann, ist die avisierte Ausweisung von Schutzgebieten durch CCAMLR quasi aussichtslos. Zwar liegen schon seit Jahren konkrete Vorschläge für die Ausweisung solcher Gebiete vor, darunter auch ein deutscher. Vor allem China, Russland und Norwegen blockieren den Prozess aber sehr erfolgreich.
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