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Neue GrundsicherungViele Schikanen, aber eine gute Sache

Tobias Schulze

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Tobias Schulze

Zwischen vielen Daumenschrauben findet sich eine richtige Maßnahme: Der Staat will gegen überhöhte Mieten vorgehen. Aber auch hier gibt es Haken.

Ist beim Thema Mieten partiell vernünftig: Arbeitsministerin Bärbel Bas Foto: Annegret Hilse / reuters

E s ist nicht alles schlecht an der Reform des Bürgergelds, das künftig nicht mehr Bürgergeld heißt. Grundsätzlich gehen die Pläne für die „Neue Grundsicherung“, die Schwarz-Rot gerade nach und nach konkretisiert, zwar in die falsche Richtung. Die Koalition will Bedürftigen schon gravierende Sanktionen aufdrücken, wenn sie nur einmal nicht funktionieren wie gewünscht. Lehnen sie auch nur eine einzige Stelle ab, stehen sie ganz ohne Geld da. Und das aus reiner Lust am Strafen: Laut einem Gesetzentwurf, der jetzt innerhalb der Regierung abgestimmt wird, rechnet das Sozialministerium noch nicht mal mit nennenswerten Einsparungen.

Zwischen den Schikanen findet sich aber zumindest eine richtige Maßnahme: Die Mietpreisbremse soll in Zukunft auch für Wohnungen von Menschen in der Grundsicherung gelten. Beim Bürgergeld ist das bislang nur auf dem Papier der Fall.

Die Mehrheit der Leistungsberechtigten bekommt die Miete schließlich komplett vom Jobcenter bezahlt. Wird die Wohnung billiger, spart der Staat, sie selbst haben aber keinen Cent mehr. Warum sollten sie sich also bei den Ver­mie­te­r*in­nen beschweren oder gar wegen einer überhöhten Miete klagen? Sich zu wehren, kostet Mühe – die Regeln der Mietpreisbremse muss man erst mal verstehen. Und es birgt Risiken – bis hin zur Entmietung auf Umwegen. Schön blöd, wer das ohne Anreiz auf sich nimmt.

Nach Angaben aus dem Sozialministerium soll die Reform hier ansetzen. Zahlt ein Grundsicherungsempfänger eine überteuerte Miete, soll ihn im ersten Schritt das Jobcenter zu einer Beschwerde bei den Ver­mie­te­r*in­nen auffordern. Stellen diese sich stur, muss sich nicht der Betroffene weiter damit herumschlagen. Das Amt zahlt ihm zunächst weiter die vollen Mietkosten und geht an seiner Stelle in den Rechtsstreit um die Höhe.

Wenn man so will, nimmt die Regierung den Kampf gegen Sozialmissbrauch damit einmal an der richtigen Stelle auf: bei Immobilieneigentümer*innen, die sich rechtswidrig an Sozialleistungen bereichern, statt einfach arbeiten zu gehen.

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Zwei Haken hat die Sache aber leider. Erstens steigt der Aufwand für die Jobcenter, die Miethöhen umfangreicher prüfen und neue Gerichtsverfahren führen müssen. Erhalten sie dafür nicht mehr Mittel, müssen sie an anderer Stelle sparen – zum Beispiel bei Fördermaßnahmen für Arbeitslose.

Zweitens wird es Leistungsberechtigte geben, die überteuerte Mieten trotz der neuen Pflicht nicht beanstanden, sei es aus Überforderung oder aus Angst. Die Regierungspläne sehen vor, dass sie die zu viel verlangte Miete künftig selbst zusammenkratzen müssen. Was ihnen, aber auch allen anderen Mie­te­r*in­nen helfen würde: eine schärfere Mietpreisbremse, inklusive Bußgeldern, die Ver­mie­te­r*in­nen von vornherein vom Abzocken abschreckt.

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Tobias Schulze
Parlamentskorrespondent
Geboren 1988, arbeitet seit 2013 für die taz. Schreibt als Parlamentskorrespondent unter anderem über die Grünen, deutsche Außenpolitik und militärische Themen. Leitete zuvor das Inlandsressort.
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1 Kommentar

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  • Wie putzig, man kann doch einfach arbeiten gehen anstatt Miete zu kassieren? Brilliante Idee - ich bin Selbstständiger, die Miete ist in ein Teil meiner Altersvorsorge. Aber dann muss ich wohl weiterarbeiten bis ich tot umfalle, damit Menschen die nicht arbeiten eine Wohnung bekommen.