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Pussy-Riot-Aktivistin festgenommenDer lange Arm Turkmenistans

Aysoltan Niyazova von Pussy Riot ist in Polen verhaftet worden. Nun droht ihr die Auslieferung. Ihre Mitstreiter fürchten ihr Verschwinden.

Wurde in Polen festgenommen: die russische politische Aktivistin Aisoltan Niyazova Foto: Stringer/afp

Aysoltan Niyazova, Mitglied der Protestgruppe Pussy Riot, wurde am Sonntag in Polen festgenommen. Dies berichtete Lucy Shtein, ebenfalls von Pussy Riot, der taz am Telefon. Niyazova, die seit 2022 in Litauen lebt und die russische und turkmenische Staatsbürgerschaft besitzt, habe unweit der litauisch-polnischen Grenze einen Hund abholen wollen. Doch auf dem Weg dorthin sei ihr Auto vom Grenzschutz angehalten worden.

Grundlage war die „Red Notice“, eine Eintragung bei Interpol, die die turkmenische Regierung im Jahr 2002 hatte machen lassen. Turkmenistan wirft der Aktivistin Unterschlagung von 40 Millionen US-Dollar aus der Zentralbank vor. Niyazova bezeichnet die Vorwürfe als haltlos.

Die 52-jährige Niyazova hatte lange als Fachkraft für Finanzwesen gearbeitet. Zunächst im fernöstlichen Wladiwostok, später erhielt sie, sie lebte inzwischen in Moskau, eine Banklizenz für ein eigenes Bankinstitut, die Index-Bank, bei der sie Vorsitzende des Aufsichtsrats war.

Wenn da ein Mensch spurlos verschwindet, ist er mit ziemlicher Sicherheit für immer verschwunden

Lucy Shtein von Pussy Riot

Als 2002 in der turkmenischen Zentralbank 40 Millionen Dollar verschwunden waren, behaupteten Ermittler, herausgefunden zu haben, dass die Hälfte dieser Gelder über russische Banken gewaschen worden sei. Darunter auch in der Index-Bank.

Zu fünf Jahren Haft verurteilt

2011 war Niyazova wegen dieser Vorwürfe in Russland zu fünf Jahren Haft verurteilt worden. Im Gefängnis hatte sie inhaftierte Mitglieder der oppositionellen feministischen Punk-Gruppe Pussy Riot kennengelernt. Nach ihrer Entlassung reiste sie in die Schweiz aus und arbeitete dort mit Pussy Riot eng zusammen. Seit 2022 lebt sie in Litauen.

Trotz bereits verbüßter Haft droht ­Niyazova nun die Auslieferung nach Turkmenistan. ­Niyazova, die im Besitz einer gültigen humanitären Aufenthaltserlaubnis für den Schengen-Raum ist, die ihr von Litauen ausgestellt wurde, die die Regierungen von Russland und Turkmenistan immer wieder kritisiert hatte, hatte sich offen gegen den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine ausgesprochen und an Benefizkonzerten für ein ukrainisches Krankenhaus mitgewirkt.

Interpol im Schurkenauftrag

Es ist nicht das erste Mal, dass Aysoltan ­Niyazova von der turkmenischen Regierung ins Visier genommen wurde. Bereits 2022 war sie in Kroatien aufgrund eines ähnlich politisch motivierten Auslieferungsersuchens Turkmenistans festgenommen worden. Nach massivem internationalen Druck wurde sie damals freigelassen und konnte ihre Arbeit fortsetzen.

Pussy Riot fordert die sofortige Freilassung von Ayoltan Niyazova. „Ihr einziges ‚Verbrechen‘ besteht darin, sich offen gegen eines der verschlossensten diktatorischen Regime der Welt zu stellen“, so Pussy Riot. Die Aktivistinnen fordern von den polnischen und europäischen Behörden, Niyazova nicht an ein Regime auszuliefern, das für Folter, willkürliche Verhaftungen und die Verfolgung Andersdenkender bekannt sei.

„Angst, dass sie einfach verschwinden wird“

Der Fall Aysoltan Niyazova, so Pussy Riot, zeige erneut, wie autoritäre Staaten internationale Organisationen wie Interpol missbrauchen, um ihre Kritiker selbst über nationale Grenzen hinweg zu verfolgen.

Sollte Niyazova nach Turkmenistan ausgeliefert werden, befürchten ihre Weggefährtinnen Schlimmstes. Der Vater von Niyazova, so berichtet Lucy Shtein, sei ein Oppositioneller gewesen, der in der turkmenischen Haft unter ungeklärten Umständen verstorben war. „Ich habe Angst, dass Aysoltan einfach verschwinden wird, sollte sie nach Turkmenistan ausgeliefert werden“, so Lucy Shtein. Turkmenistan sei eine sehr geschlossene Gesellschaft. „Wenn da ein Mensch spurlos verschwindet, ist er mit ziemlicher Sicherheit für immer verschwunden“, so Lucy Shtein.

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