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Abgesagter Friedman-Auftritt in KlützZu jüdisch – oder nur zu teuer?

Die Kleinstadt Klütz in Nordwestmecklenburg lädt Michel Friedman aus. Angst vor rechtem Protest und vermeintlich hohe Kosten sollen die Gründe sein.

Darf in Klütz nicht über Demokratie sprechen: Michel Friedman Foto: Foto: Sebastian Gollnow/dpa

Hamburg taz | Die mecklenburgische Stadt Klütz hat den Publizisten Michel Friedman ausgeladen. Der Publizist und Jurist hatte im dortigen Literaturhaus im Oktober 2026 über Demokratie sprechen sollen. Am Montag erreichte ihn die Absage.

Friedman sollte im „Uwe-Johnson-Haus“ zum 120. Geburtstag der Philosophin Hannah Arendt über Demokratie sprechen. Am Montag gab der Leiter des Literaturhauses Oliver Hintz jedoch bekannt, dass das Haus die Einladung zurückziehe, auf Weisung von Bürgermeister Jürgen Mevius (Unabhängige Wählergemeinschaft).

Der Deutschen Presseagentur (dpa) sagte Hintz, Mevius habe ihm mitgeteilt, dass sich die Mehrheit der Stadtvertreter gegen Friedmans Kommen ausgesprochen habe. Grund sei die Sorge, dass rechte Störer oder Hamas-Sympathisanten dagegen demonstrieren könnten und die Stadt damit überfordert sei. Friedman ist jüdischer Herkunft. Außerdem sei Friedmans Auftritt zu teuer für die Stadt.

Mevius sagte der dpa hingegen, Grund für die Ausladung seien allein finanzielle Gründe. Das Honorar Friedmans sei deutlich höher als bei Lesungen von Schriftstellern dort üblich. Eine Vertreterin des Fördervereins des Literaturhauses entgegnete, der Stadt würden keine Kosten entstehen, die Kosten des Hannah-Arendt-Festivals würden von Sponsoren übernommen.

Dieser Bürgermeister antizipiert, dass bei einer Veranstaltung, die im Oktober 2026 stattfindet, anscheinend die Rechtsextremen so stark sind, dass er seine Stadt nicht schützen kann

Michel Friedman, Publizist

Friedman kritisierte im NDR Mevius scharf und sprach von einer „peinlichen Heuchelei“. Der Bürgermeister hätte im Sinne einer wehrhaften Demokratie zeigen müssen: „Der Staat lässt sich von Antidemokraten nicht erpressen.“ Weiter sagte Friedman: „Dieser Bürgermeister antizipiert, dass bei einer Veranstaltung, die im Oktober 2026 stattfindet, anscheinend die Rechtsextremen so stark sind, dass er seine Stadt nicht schützen kann.“ Die Kunst-, Kultur und Meinungsfreiheit dürfe nicht gefährdet sein, weil eine vorweggenommene Einschüchterung durch Rechtsextreme angenommen werde.

In Klütz hatte die rechtsextreme AfD bei der Bundestagswahl im Februar mit 39,9 Prozent die meisten Zweitstimmen geholt.

Am Montagabend hat Bürgermeister Mevius in der Stadtvertreterversammlung ein Meinungsbild zu Friedmans Auftritt eingeholt. Laut dpa machte Mevius hinterher deutlich, dass dieses negativ ausgefallen sei.

Ralph Krüger, über die Liste der Linken gewählter, parteiloser Stadtvertreter, hat das anders wahrgenommen. „Wir sind weltoffen und tolerant und Herr Friedman ist hier immer herzlich willkommen“, sagte Krüger der taz. Der Bürgermeister habe vor allem auf die entstehenden Kosten einer derart großen Veranstaltung hingewiesen, die nichts mit Herrn Friedman persönlich zu tun hätten.

Krüger nimmt seinen Bürgermeister in Schutz. Mevius sei in seinem Amt sehr engagiert und immer transparent. „Ich finde es nicht gut, dass die Stadt Klütz jetzt in die rechte Ecke gestellt wird“, sagt Krüger. Nun gehe es darum, den Vorfall mit dem Literaturhaus aufzuarbeiten. Wenn die Finanzierung und das Sicherheitskonzept geklärt seien, spricht für Krüger nichts gegen einen Auftritt Friedmans.

Eine Aufarbeitung kündigt auch Mevius an. In einer Pressemitteilung im Namen aller Stad­tver­tre­te­r:in­nen schreibt er, man verstehe, „dass die Kontroverse um Michel Friedmans Teilnahme an der Hannah-Arendt-Woche ein missverständliches Signal gesendet hat“.

Kritik aus der Politik

Mecklenburg-Vorpommerns Kulturministerin Bettina Martin (SPD) erklärte: „Die Diskussion gibt mir Anlass zu großer Sorge.“ Sie hoffe sehr, dass die Verantwortlichen in Klütz „doch noch eine gute Lösung“ herbeiführen werden.

Auch der Antisemitismusbeauftragte der Bundesregierung Felix Klein hat die Ausladung hart kritisiert. Das sei „ein direkter Angriff auf die grundgesetzlich geschützte Meinungsfreiheit in unserem Land und ein Armutszeugnis für die Gemeinde“, sagte Klein. „Um weiteren Imageschaden abzuwenden, sollte der Beschluss im eigenen Interesse rasch rückgängig gemacht werden“, forderte er. Die Linke im Schweriner Landtag nennt die Absage an Friedman „nicht nachvollziehbar und deutlich zu kritisieren“.

Die Autorenvereinigung PEN Berlin hat für kommenden Montag eine Kundgebung in Klütz angemeldet. Dort werden unter anderem Michel Friedman und Literaturhaus-Leiter Oliver Hintz sprechen.

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5 Kommentare

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  • "Das Honorar Friedmans sei deutlich höher als bei Lesungen von Schriftstellern dort üblich."

    Friedmann könnte die Probe aufs Exempel machen und anbieten, für deutlich weniger Geld oder gar kostenfrei zu gastieren. Wäre zumindest ein interessantes Experiment ...

    • @Winnetaz:

      Die Süddeutsche schreibt, dass die Kosten ohnehin die Unterstützer getragen hätten, dass Friedman angeboten hat, im Zweifel auf sein Honorar zu verzichten, und dass das zum Zeitpunkt der Ausladung bereits bekannt war.

  • Ein Armutszeugnis.



    Sind wir wirklich schon so weit, dass eine Veranstaltung aus "Angst vor rechten Protesten" abgesagt wird?

    Michel Friedman dazu:

    "Dieser Bürgermeister antizipiert, dass bei einer Veranstaltung, die im Oktober 2026 stattfindet, also in über einem Jahr, anscheinend die Rechtsextremen so stark sind, dass er seine Stadt nicht schützen kann, wenn Michel Friedman zu Besuch kommt."

    Das ganze Interview mit M.F. findet sich hier:



    www.ndr.de/kultur/...interview-100.html

  • Weder zu jüdisch noch zu teuer: Da tobt einfach hinter den Kulissen ein Machtkampf im Kleinen zwischen dem Leiter des Literaturhauses und dem Bürgermeister bzw. Stadtrat. Kann man den Artikeln z.B. in der Ostseezeitung leicht entnehmen, vor allem wenn man aus der Gegend kommt und weiß, wie das in einer Kleinstadt so läuft. Und ganz ehrlich: Ich kann durchaus Vorbehalte gegen Herrn Friedman verstehen, die mit Jüdischsein absolut nichts zu tun haben.

    • @Mutz:

      Das das "ein Machtkampf im Kleinen zwischen dem Leiter des Literaturhauses und dem Bürgermeister bzw. Stadtrat" ist, stellt doch niemand in Frage. Der Leiter will Friedman, die Stadt nicht. Die Frage ist doch, warum eigentlich nicht? Vielleicht ist Friedman ja nicht zu teuer oder zu jüdisch, sondern einfach zu anti-AfD. Wenn Sie selbst schon "ganz ehrlich" Vorbehalte haben, sollten Sie diese auch ganz ehrlich benennen.