Aktivist Alaa Abd el-Fattah: Nach 12 Jahren Knast endlich frei
Der ägyptische Präsident al-Sisi hat am Dienstag einen Menschenrechtsaktivisten frei gelassen – und eine weitere überraschende Entscheidung getroffen.

Ihn freizubekommen, war nicht einfach. Es brauchte anhaltenden lokalen und internationalen Druck sowie einen Hungerstreik seiner Mutter, der Mathematikprofessorin Laila Soueif. Dieser hätte sie fast das Leben gekostet. Da der Aktivist auch britischer Staatsbürger ist, schaltete sich Großbritannien wiederholt ein.
Auch Abdel el-Fattahs Ex-Frau und der Sohn der beiden leben in Großbritannien. Laut der Familie wurde der Aktivist mit einem Reiseverbot belegt. Die britische Außenministerin Yvette Cooper dankte nun dem ägyptischen Präsidenten al-Sisi für die Begnadigung. Durchgesickerte Informationen deuten darauf hin, dass er sich persönlich gegen die Freilassung gewehrt hatte, da er Abd el-Fattah als „gefährlichen Revolutionär“ betrachtete.
Alaa – Freunde nennen ihn auch den „rosa Drachen“ – stammt aus einer prominenten linken Familie: Sein Vater, Ahmed Seif el-Islam, war renommierter Menschenrechtsanwalt. Seine Mutter verteidigt lautstark die Unabhängigkeit der Universitäten in Ägypten.
Bereits Anfang der 2000er Jahre war Alaa Abd el-Fattah als einer der führenden Blogger des Lands in Erscheinung getreten und hatte Proteste gegen das Regime von Husni Mubarak und gegen Polizeigewalt organisiert. Zur Strafe wurde er 45 Tage inhaftiert.
Verfolgt von vielen Herrschern
Weil ihnen sein Engagement nicht passte, verfolgten Alaa Abd el-Fattah mehrere Herrscher Ägyptens strafrechtlich: der Oberste Rat der Streitkräfte, der nach dem Aufstand vom 25. Januar 2011 übergangsweise regierte; der ehemalige Präsident Mohammed Mursi (2012–2013); der Interimspräsident Adli Mansur (2013–2014); und schließlich Präsident al-Sisi (seit 2014). Seine letzte Verurteilung wurde mit einem Facebook-Post gerechtfertigt, in dem es um mutmaßliche Misshandlungen in einem Gefängnis ging.
Obwohl seine eigentliche Strafe bereits vor einem Jahr endete, weigerten sich die Behörden, ihn freizulassen. Die Begründung: Die Zeit in Untersuchungshaft könne nicht auf die Strafe angerechnet werden. Dies verstoße gegen ägyptisches Recht, wie sein Anwalt gegenüber der taz erklärte.
Freigelassen wurde Alaa nun genau einen Tag nach einer anderen Entscheidung von al-Sisi: Der Präsident lässt aktuell eine Debatte über die Strafprozessordnung zu. Statt einen neuen Entwurf sofort zu ratifizieren, gab er diesen an das Repräsentantenhaus, das Änderungen vorschlagen kann. Die bisherige Strafprozessordnung aus den 1970er Jahren wurde von vielen Menschenrechtsorganisationen kritisiert. Sie ist eines der wichtigsten Gesetze Ägyptens und regelt Festnahmen, Durchsuchungen, Untersuchungshaft, Gerichtsverfahren, Berufungen und die Vollstreckung von Urteilen.
Diese beiden Schritte zusammen werden als erste Anzeichen für eine mögliche politische Öffnung Ägyptens aufgrund äußeren Drucks gewertet. Die kommenden Monate werden zeigen, ob Kairo echte Reformen plant oder dies nur ein taktischer Schachzug war. Vor Jahresende stehen Wahlen zum Repräsentantenhaus an. Es bleibt abzuwarten, wie die Behörden sich da verhalten werden.
Aus dem Englischen Lisa Schneider
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