Ukraine-Krisenmanagement des Kanzlers: Merz’ Energielevel für Alaska wäre auch mal im Inland schön
Die Tage vor dem Gipfel von Trump und Putin hat der Kanzler ganz gut hingekriegt. Es wäre gut, wenn er diesen Stil auch hierzulande nutzen würde.

D ann schauen wir mal, ob es was gebracht hat. Am späten Freitagabend deutscher Zeit trifft US-Präsident Donald Trump in Alaska den russischen Autokraten Wladimir Putin. Friedrich Merz und Co haben sich im Vorfeld reichlich darum bemüht, den schlimmstmöglichen Ausgang abzuwenden: dass sich der Amerikaner auf ein Friedensszenario einlässt, in dem Russland weite Teile der Ukraine bekommt und die Ukraine im Gegenzug noch nicht mal Schutz vor möglichen neuen Angriffen erhält.
Trump habe verstanden, dass es so nicht gehe, verbreiteten der Bundeskanzler und seine europäischen Mitstreiter am Mittwoch nach einer Schaltkonferenz mit dem US-Präsidenten. Doch selbst angenommen, dass sie damit für den Moment recht hatten: Trump ist wankelmütig. Zwischen dem Ende der Schalte und dem Beginn des Alaska-Gipfels liegen mehr als 48 Stunden, in denen ihn noch zig andere Einflüsterer bearbeiten werden. Und am Freitag trifft er alleine auf Putin, der noch aus KGB-Zeiten zu manipulieren weiß.
War das Vorgespräch vom Mittwoch, zu dem Merz eingeladen hatte, also wertlos? Nein, es ist wohl schon richtig, es zumindest zu versuchen. Zwar ist es bitter, dass sich die wichtigsten Politiker des Kontinents und ihre profiliertesten Berater auf Trumps Niveau herabbegeben: Sie umgarnten ihn mit unwürdigen Schmeicheleien und gezielter intellektueller Untiefe. Kurzhalten und in Bildern sprechen, so hieß laut Spiegel die Devise, damit beim Präsidenten der Vereinigten Staaten vielleicht etwas ankommt.

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Aber es hilft ja nichts. Trump hat eben die Macht. Und so sympathisch die Vorstellung ist, die Europäer würden ihm anders begegnen, nicht um ihn herumschleichen wie auf Samtpfoten, sondern ihm auch einmal die wenigen eigenen Muskeln zeigen: Das Risiko, damit zu scheitern, wäre immens. Im Rahmen des Möglichen hat Merz es in dieser Woche also schon gut gemacht: die Initiative ergriffen, wichtige Partner zusammengetrommelt, für gute Bilder mit Selenskyj gesorgt und vielleicht ja doch einen halben Gedanken in Trumps Kopf eingepflanzt.
Allianzen schmieden und Überzeugungsarbeit leisten: So kennt man den Kanzler hierzulande gar nicht. Vor der Wahl hat er erst die eine Hälfte der Gesellschaft vor den Kopf gestoßen („Grüne und linke Spinner“). Danach scheiterten er und seine Leute mehrfach daran, Mehrheiten in den eigenen Reihen zu sichern (Kanzlerwahl, Richterinnenwahl, Waffenexportstopp für Israel). Was bei der nächsten Gelegenheit helfen könnte: ein kleines Stück der Energie, mit der Merz den Spinner aus Washington bezirzt, auch mal im Inland aufzuwenden.
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