Verfassungsschutzbericht: Immer mehr gewaltbereite Neonazis in Brandenburg
Der Brandenburger Verfassungsschutz registriert in seinem Jahresbericht einen neuen Höchststand an Rechtsextremen. Die Opferperspektive fordert mehr Mittel.
Damit erreicht die Entwicklung der vergangenen Jahre einen neuen Höchststand. Vor zehn Jahren lag die Zahl der Rechtsextremen in Brandenburg laut Verfassungsschutz bei 1.230 – davon 920 gewaltbereit. Das entspricht einer Verdreifachung der Anzahl von Rechtsextremen seit 2015.
Laut Brandenburgs Innenminister René Wilke (parteilos) ist der jüngste Anstieg vor allem auf junge Menschen zurückzuführen. „Seit vergangenem Sommer radikalisieren sich Jugendliche – insbesondere im Rechtsextremismus – in einer unfassbaren Geschwindigkeit“, so Wilke. Soziale Medien seien dabei „Türöffner und Wegbegleiter in einem“.
„Wir beobachten vor allem bei Jugendlichen, dass Bausteine teils unterschiedlicher Ideologien unreflektiert miteinander kombiniert werden“, so der kommissarische Leiter der Verfassungsschutzabteilung Axel Heidrich.
Mehrheit des AfD-Landesverbands rechtsextrem
Unter den 3.650 erfassten Rechtsextremen sind 1.400 AfDler – inklusive der mittlerweile aufgelösten Jugendorganisation Junge Alternative. Das sind 350 mehr als noch im Jahr zuvor. Dabei gelten nicht alle AfD-Mitglieder als rechtsextrem – zumindest noch nicht. Der Brandenburger Landesverband, der nach eigenen Angaben 2.600 Mitglieder hat, war Anfang Mai vom damaligen Verfassungsschutzchef Jörg Müller als gesichert rechtsextremistisch hochgestuft worden. Im Streit darüber wurde zunächst Müller entlassen, später trat Innenministerin Katrin Lange (SPD) zurück. Weil die AfD gerichtlich gegen die Einstufung vorgeht, gilt sie bis zu einer Entscheidung weiter als Verdachtsfall.
Die Beratungsstelle Opferperspektive, die Betroffene rechter Gewalt in Brandenburg unterstützt, zeigt sich von dem neuerlichen Höchststand an gewaltbereiten Rechtsextremen nicht überrascht: „Dass das Gewaltpotenzial gestiegen ist, zeigen unsere Zahlen an Übergriffen“, sagt Marcus Reinert am Mittwoch der taz. Der Verein hat im vergangenen Jahr 273 rechte, rassistische und antisemitische Angriffe registriert – ebenfalls ein neuer Höchststand.
„Umso wichtiger ist es, die Beratungsstruktur auszubauen – oder zumindest auf jetzigem Niveau zu halten“, so Reinert. Das sei aber nicht der Fall. Vielmehr sei die Förderung trotz steigender Zahlen rechter Gewalt im Landeshaushalt 25/26 eingefroren worden, was angesichts steigender Kosten einer Kürzung gleichkomme. Konkret fehlten 25.000 Euro, um das aktuelle Beratungsangebot zu halten. Ohne das Geld müssten 10 bis 15 Beratungsstunden wegfallen. „Dabei bräuchten wir 60 Stunden mehr, um den aktuellen Bedarf zu decken“, so Reinert.
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