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Dobrindt will Gespräche mit der TalibanAbschieben für die AfD

Kommentar von Emran Feroz

Um Verluste an die AfD zu verhindern, setzt der Innenminister ihre Forderungen selbst um – und nimmt ein paar zerstörte Existenzen billigend in Kauf.

Einfach die AfD rechts überholen und dabei schön gute Miene gemacht Foto: Nadja Wohlleben/Reuters

S ie ist wieder da: die deutsch-afghanische Abschiebedebatte. Diesmal ist es Innenminister Alexander Dobrindt (CSU), der sich seit Wochen ohnehin schon auf einem in weiten Teilen rechtswidrigen Anti-Flucht- und -Migrations-Kurs befindet. Nun will er afghanische Geflüchtete in das Emirat der militant-islamistischen Taliban abschieben. Deshalb, so Dobrindt, brauche es direkte Gespräche und ein unmittelbares Abkommen mit Kabul.

Überraschend ist all das selbst für Dobrindt’sche Verhältnisse nicht. Immerhin hat bereits die Vorgängerregierung unter Olaf Scholz Geflüchtete – „natürlich nur Straftäter!“ – mit katarischer Hilfe nach Afghanistan abgeschoben. Und auch das war schon inakzeptabel: Selbst für den schlimmsten Straftäter hat der Rechtsstaat zu gelten – und nicht ein Taliban-Richter samt folternder Schergen, die seit ihrer Rückkehr im Sommer 2021 Jagd auf Journalisten und Menschenrechtsaktivisten machen. Wie es Inhaftierten dort ergeht, ist kaum zu überprüfen. Sogar einem Minister Dobrindt werden die Taliban keinen Zugang zu ihren Gefängnissen gewähren – in denen teils Menschen aufgrund kritischer Facebook-Kommentare inhaftiert sind.

Hinzu kommt, dass ein Abschiebedeal mit den Taliban erneut Deutschlands ohnehin angeschlagene Glaubwürdigkeit am Hindukusch und im Nahen Osten massiv untergraben würde. Zur Erinnerung: Tausende Afghaninnen und Afghanen warten weiterhin auf ihre Evakuierung. Doch sie wissen, dass das Bundesaufnahmeprogramm eingestampft wurde – und dass sie verraten wurden.

Sollten jegliche Gespräche mit den Extremisten dennoch boykottiert werden? Nein, denn weiterhin wichtig sind humanitäre Hilfe und eine Form der Präsenz, die verdeutlicht, dass man Afghanistan weder vergessen hat noch die Praktiken der Taliban duldet. All dies geschieht jedoch nicht – denn in Berlin geht es nur um Abschiebungen beziehungsweise darum, weitere Verluste an die AfD zu verhindern. Also setzt man ihre Forderungen gleich selbst in die Realität um und nimmt dafür ein paar zerstörte Existenzen in Kauf.

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9 Kommentare

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  • Ich muss sagen, ich kann der Argumentationskette des Autors nicht richtig folgen.

    Es geht nicht um die Abschiebung von Journalisten und Menschenrechtsaktivisten.

    Sondern von Straftätern und Gefährdern.

    Würden die Abgeschobenen denn in Afghanistan überhaupt im Gefängnis landen.

    Ich kann mir nicht vorstellen, dass die Taliban Straftaten in Deutschland interessieren.

    Dort dürfte er dann als freier Mann aus dem Flugzeug steigen und hat eine zweite Chance.

    Dass die Afghanen, die trotz einer Zusage aus Deutschland jetzt kommen dürfen, deutsche Behörden nicht mehr für glaubwürdig halten, kann ich voll verstehen.

    Dass bei diesen Menschen die Glaubwürdigkeit verloren geht, weil Straftäter nach Afghanistan abgeschoben werden, glaube ich wiederum nicht.

    Meine Erfahrung ist, dass die meisten Migranten erwarten, dass abgeschoben wird, wer hier Ärger macht.

    Die Ansicht scheint mir unter Deutschen weniger verbreitet.

    Zudem ist die Zeit des Kolonialismus vorbei.

    Natürlich duldet Deutschland "die Praltiken der Taliban".

    Wie es auch die Praktiken von autoritären Regierungen in anderen Ländern "duldet".

    Der Drops ist spätestens nach dem Abzug in Afghanistan gelutscht.

  • Niemand, der nach Deutschland flüchtet, muss hier dealen, andere verletzen, vergewaltigen oder töten.



    Und bevor ein Mörder oder Vergewaltiger irgendwann hier wieder frei herumläuft und wieder straffällig wird, gehört er abgeschoben - auch nach Afghanistan.



    Dafür gibt es keine Entschuldigung, und derjenige hat das Aufenthaltsrecht verwirkt.

  • Warum sollte ein Rechtsradikaler die Forderungen einer rechtsradikalen Partei nicht aufnehmen?

    • @Alberta Cuon:

      Solche Aussagen führen am Ende dazu, dass niemand mehr das "rechtsradikal" bei der AFD ernstnimmt.

  • Für die meisten AFD Wählern ist es wichtiger den eigenen Lebensstandard zu halten als andere Themen. Vielleicht sollte darauf das Hauptaugenmerk gelegt werden.

    • @Alexander Schulz:

      "Für die meisten AFD Wählern ist es wichtiger den eigenen Lebensstandard zu halten als andere Themen. Vielleicht sollte darauf das Hauptaugenmerk gelegt werden."

      Ich denke das geht nicht nur AFD-Wählern so, sondern einer Mehrheit der Menschen. Das Kümmern um Probleme aus größeren Kontexten (Klima, Drittstaaten, Umwelt ... ) ist immer ein in Anführungsstrichen Luxusproblem. Die Leute wollen von der Politik zuerst was für den eigenen Geldbeutel. Danach kann man auch was für Dritte tun.



      Schlaue Politik orientiert sich daran und deshalb ist die Ampel auch tot. Da kam zu wenig an.

    • @Alexander Schulz:

      Nur haben die meisten AfD-WählerInnen keinen Lebensstandard, den zu halten sich lohnen würde. Mit den Methoden der AfD würde er sich auch nicht verbessern.

      • @Aurego:

        Wenn Sie sich das man nicht vertun.

      • @Aurego:

        Das ist leider die Ignoranz die erst den Aufstieg der AFD ermöglichte. Beim protestwählen geht es übrigens nicht darum, ob man der entsprechenden Partei Lösungsansätze zutraut.