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Uni Hannover will Elchkeller schließenStudierenden-Freiraum am Ende?

Die Leibniz Universität Hannover will den von Studis selbst verwalteten Elchkeller einkassieren. Doch der hat Tradition und viele Unterstützer*innen.

In Hannover ist das Revier der Elche bedroht. Hilft vielleicht eine Geschwindigkeitsbegrenzung? Foto: dpa | Steffen Trumpf

Hannover taz | An einer Wand steht krakelig „Fick die Uni“. Fickt jetzt die Uni zurück? Es scheint so. Der Schriftzug, unter unzähligen Plakaten und Stickern kaum zu sehen, wird als ein Grund dafür genannt, dass die Leibniz Universität Hannover einen studentisch selbstverwalteten Raum in ihrem Gebäude 3109, wo auch die Politikwissenschaft residiert, beseitigen will.

Seit Montagmittag hat das Präsidium wegen Sachbeschädigungen an Gebäuden einem Kollektiv progressiver Studierender die Nutzung der Kellerräume am Schneiderberg 50, dem sogenannten Elchkeller, untersagt. Das kommt ein bisschen wie Kai aus der Kiste, denn das Kollektiv, das den Elch schmeißt, hat eigentlich nichts mit den Schmierereien zu tun.

Vor allem nach Partys am Wochenende seien Sachbeschädigungen vorgekommen, sagt Christoph Hönnige, Vorstandsmitglied des Instituts für Politikwissenschaft, der taz am Telefon. Sein Büro liegt direkt über dem Elchkeller. In den zehn Jahren, die er hier lehrt, sei es immer wieder zu Sachbeschädigungen in dem Gebäude gekommen. „Eine Räumung deswegen sehe ich nicht “, sagt Hönnige. „Als Büronutzer bin ich aber verzweifelt und wünsche mir schlicht funktionsfähige und saubere Toiletten.“

Studentisches Engagement finde er aber wichtig, betont der Politologe. Davon gebe es eher zu wenig. „Die Unileitung hat nicht mit mir über das Vorgehen gesprochen“, so Hönnige. Ein politisches Motiv sehe er nicht, denn zu einer Universität gehörten auch kritische Stimmen. Auch hat der Elchkeller Tradition: Seit mehr als 50 Jahren ist der Raum in studentischer Hand. Per Handschlag überlassen an die Studierendenschaft. Und hier sieht ­Hönnige das Problem: Es gebe keine klaren Verantwortlichkeiten. Mit Selbstverwaltung gingen diese aber einher. Die Haftungsfrage müsse geklärt werden.

Die Generation, die Freiräume erkämpfte, stört sich nun an ihnen

Die Reaktion des Elchkeller-Kollektivs zeigt genau diese Verantwortungsübernahme. Nach Beschwerden wurden die Toiletten geputzt. Ein weiteres „Fick die Uni“- und ein „FCK EPPNG“-Graffito – der Uni-Präsident heißt Volker ­Epping – sind verschwunden. Zwischen dem Präsidenten und linken Studierenden hatte es in den vergangenen Jahren immer wieder gerasselt. Etwa als es Kritik an einem Polizisten als Dozenten gab und Epping in der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung etwas von „Cancel Culture“ raunte.

Viele sind mit der Schließung nicht einverstanden. Am Montagmittag hatten mehr als 300 Menschen vor dem Gebäude für den Erhalt des Elchs demonstriert. Uta Sänger, von den „Omas gegen Rechts“ erzählt auf der Bühne, wie sie selbst als Studierende im Elch Anschluss fand. Und so gehe es neuen Studierenden bis heute, sagt Freddy vom SDS ­Hannover. Hier sei einer der wenigen politischen und kritischen Räume des Campus. Ansonsten gebe es nur den Asta, den allgemeinen Studierendenausschuss.

Zum ultimativen Schlüsselübergabetermin um 14 Uhr ist die Uni-Leitung am Montag nicht erschienen. Also hat das Kollektiv weiterhin ­Zugang zu den Räumlichkeiten. Der taz sagt die Sprecherin der Leibniz-Uni, dass die Uni-Leitung mit großem Bedauern das Elchkeller-­Kollektiv zur Schließung aufgefordert habe. Mit diesem „deutlichen Signal“ werde darauf reagiert, dass die Beschädigungen so massiv gewesen seien. Darüber, wie es mit den Räumlichkeiten weitergehe, „wird das Präsidium ein Gespräch mit dem Asta führen“, so die Sprecherin.

Man darf hoffen, dass die Leibniz-Uni zu mehr Gelassenheit zurückfindet. Immerhin geistern Anekdoten von Professoren, die im Elchkeller mit ihren Studierenden gekifft haben, durch die Weltgeschichte. Früher war eben alles besser. Früher hat man noch selbst getaggt. Die Generation, die Freiräume erkämpfte, stört sich nun an ihnen. „Die größten Kritiker der Elche waren früher selber welche“, steht passend auf einem Banner am Gebäude. Sie leben aber jetzt im Elfenbeinturm.

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2 Kommentare

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  • Was so von Studierenden der Uni Hannover zu hören ist, deutet darauf hin, dass der Präsident nicht verstanden hat, dass eine Universität mehr ist, als ein Ort, an dem Fachwissen möglichst schnell in die Köpfe der Studierenden getrichtert wird. Das Angebot des Fremdsprachenzentrums beispielsweise wurde in den vergangenen Jahren drastisch zusammen gestrichen, die Förderung von Exkursionen ins Ausland als überflüssig erachtet,...



    Der konservative Backlash macht auch vor den Unis nicht halt.

  • Man hat wirklich den Eindruck, als seien die älteren Semester neidisch auf die Unbeschwertheit der Jugend. Man kann Universitäten die Attraktivität auch dadurch nehmen, dass man sie zu langweiligen und langweilenden schulähnlichen Lernbunkern verkommen lässt, in denen studentische Freiheiten und ein Studentenleben nicht mehr gefragt sind und wo die Kreativität, die letztlich zu Innovation führt, in biederer Stumpfsinnigkeit ertränkt wird.