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Verstrahlter Müll im Meer1.000 Atomfässer im Atlantik gefunden

Jahrzehntelang warfen zahlreiche Staaten ihren nuklearen Müll auf hoher See einfach über Bord. Jetzt nimmt die Wissenschaft sich der Altlasten an.

Der autonome Tauchroboter Ulyx, mit dessen Hilfe Fachleute im Nordostatlantik nach Fässern mit Atommüll suchen (undatiert) Foto: Flotte Océanographique Française/dpa

Berlin taz | Ein internationales Forscherteam hat sich von der Bretagne aus auf den Weg gemacht, den Atommüll im Atlantik zu kartieren, den zahlreiche Staaten – auch Deutschland – von 1949 bis 1990 im Meer versenkten. Dass im Nordostatlantik und im Ärmelkanal mehr als 220.000 Fässer mit mehr als 110.000 Tonnen Atommüll auf dem Meeresgrund lagern, ist grundsätzlich bekannt. Diese Fässer enthalten – in Asphalt oder Zement eingebettet – radioaktiven Abfall.

Allerdings ist bisher nicht bekannt, wo genau sich die Fässer heute befinden und wie ihr Zustand ist. Daher untersucht das interdisziplinäre Forschungsprojekt NODSSUM (­Nuclear Ocean Dump Site Survey Monitoring) nun, welche Auswirkungen der Strahlenmüll auf die marinen Ökosysteme hat. Die Projektleitung liegt bei der französischen Forschungsorganisation Centre national de la recherche scientifique (CNRS).

Das Forschungsschiff wird auf seiner vierwöchigen Mission mit einem autonomen Tauchboot 70 Meter über dem Meeresboden navigieren, um Fässer zu identifizieren und zu fotografieren. Die ersten 1.000 Fässer habe CNRS bereits lokalisiert, teilte eine Sprecherin mit. Die Forscher nehmen auch Sediment- und Wasserproben und messen Meeresströmungen sowie Radioaktivität.

Während einer zweiten Fahrt sollen dann entweder mit einem bemannten Tauchboot oder mit einem ferngesteuerten Roboter die Fässer auch aus der Nähe erkundet und weitere Proben genommen werden. Damit hat die Aufarbeitung eines Themas begonnen, das viele Jahre die Öffentlichkeit beschäftigte.

1972 hatten sieben Atlantik- und Nordseeanrainerstaaten mit der Londoner Konvention das Ziel formuliert, den Abwurf von Müll in die Meere zu stoppen. 1975 trat die Konvention in Kraft. Einige Länder beendeten die schönfärberisch als „Verklappung“ bezeichnete Praxis, weitere Länder folgten. Im Februar 1983 schließlich einigten sich die Vertragsstaaten der London-Konvention auf ein zehnjähriges Moratorium für die Versenkung von Atommüll. Dieses wurde mit Ablauf im Jahr 1993 in ein endgültiges weltweites Verbot umgewandelt. Inzwischen sind der Konvention 87 Staaten beigetreten.

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5 Kommentare

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  • Ironischerweise ist eine Endlagerung am Meeresboden gar nicht die dümmste Idee. Wenn der Müll so eingebettet ist, dass das Zeug sich nicht im Wasser auflöst oder sonstwie Schaden nimmt, dürfte es dort über geologische Zeiträume sehr sicher liegen und über die Jahrtausende allmählich von Sedimenten bedeckt werden.

    Das ist an der Erdoberfläche schon deshalb schwieriger, weil es viel zu nahe an menschlichen Aktivitäten liegt und bei Unterbringung tief unter der Erde muss man erst einmal Stellen finden, die über sehr lange Zeiträume völlig stabil sind.

    Faktisch heißt "wird nicht mehr gemacht" nur, dass man gar nicht weiß, wohin mit dem Zeug. Es gibt bis heute kaum oder gar keine wirklichen Endlager.

  • Gut, dass man die Fässer gefunden hat. Zumindest einige davon.



    Das eröffnet die Chance Schlimmeres zu verhindern.

  • Man hätte die Fässer also witterungsgeschützt an der Erdoberfläche lagern können. Aber hier wird noch immer nach zauberhaften unterirdischen Endlagern gesucht, die jetzt schon Unsummen verschlingen.

  • Und die Verklappung auf Land geht weiter! Noch mehr - zu viele ewig gestrige versuchen wieder neuen strahlenden Müll zu erzeugen, durch neue Atomkraftwerke. Wie naiv und unreflektiert darf man eigentlich sein, um in der Politik zu wirken.

  • "1972 hatten sieben Atlantik- und Nordseeanrainerstaaten mit der Londoner Konvention das Ziel formuliert, den Abwurf von Müll in die Meere zu stoppen."



    Interessant wäre es zu wissen, wer nicht mitmacht.



    Hier werden d. AufklärerInnen wohl nicht fündig werden dürfen:



    "Atomwaffen



    Auf der Suche nach den verlorenen Bomben



    Abgeworfen - aber wo? Bei einem Flugzeugabsturz verlor die US-Armee 1958 eine Atombombe im Eis der Arktis. Kein Einzelfall: Bis zu 50 Nuklearsprengsätze gelten als vermisst. Und längst nicht alle liegen in unbesiedelten Gebieten."



    bei spiegel.de



    Weiter dort



    "...am 17. Januar, war an der spanischen Südostküste der schlimmste Atomwaffenunfall des gesamten Kalten Krieges geschehen. Während eines Tankmanövers in der Luft waren in 9000 Metern Höhe ein amerikanischer B-52-Bomber und ein KC-135-Tankflugzeug kollidiert; beide Maschinen explodierten in einem riesigen Feuerball über Palomares. Im Bauch des Bombers lagen vier Wasserstoffbomben. Eine landete unversehrt in den Tomatenfeldern in der Nähe des Dorfes. Bei zwei weiteren detonierte der nichtnukleare Zünder, Bombenbruchstücke und Plutoniumstaub regneten über der Aufschlagstelle nieder. Die vierte Bombe fiel..."



    Ins Meer!