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Kriegsfolgen für die deutsche WirtschaftÄngstlicher Blick auf die Straße von Hormus

Die Sorge ist groß, dass die Krise im Nahen Osten die Aussichten für die deutsche Wirtschaft weiter dämpft. Die sind ohnehin schon schlecht.

US-Boot in der Straße von Hormus im Persischen Golf Foto: US.Naval Forces Central Command/dpa

Berlin taz | Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) hat die Militärschläge Israels und der USA gegen den Iran gutgeheißen. „Es gibt für uns und auch für mich persönlich keinen Grund, das zu kritisieren, was Israel vor einer Woche begonnen hat“, sagte er beim Jahreskongress des Bundesverbands der deutschen Industrie (BDI) am Montag in Berlin. Auch für das Vorgehen der USA am vergangenen Wochenende sehe er keinen Grund für Kritik. Zwar sei das Vorgehen nicht ohne Risiken. „Aber es zu belassen wie es war, war auch keine Option“, sagte der Bundeskanzler

Die USA hatten am Wochenende in den Krieg Israels gegen den Iran eingegriffen und Atomanlagen in der Islamische Republik bombardiert. Deutschland bezieht nach Angaben der Bundesregierung kein Öl und kein Gas aus dem Iran. Trotzdem könnten mögliche Verwerfungen auf dem Weltmarkt für Öl Auswirkungen auf die Bundesrepublik haben.

Das derzeit am meisten gefürchtete Szenario: Würde der Seeweg Straße von Hormus blockiert, würde Deutschland mittelbar von dem Konflikt getroffen, räumte Merz ein. Die Meerenge ist ein wichtiger Transportweg für große Mengen Öl und Gas. „Ich bin einigermaßen zuversichtlich, dass es dazu nicht kommt“, sagte Merz. Aber es sei zu früh, das zu beurteilen.

Po­li­ti­ke­r:in­nen und Wirt­schafts­ver­tre­te­r:in­nen fürchten, dass der Iran auf die Militärschläge mit der Sperrung der Straße von Hormus reagiert, dem einzigen Seeweg zum Persischen Golf. Ihn nutzen neben dem Iran selbst Saudi-Arabien, Irak, Katar und andere Anrainer. Durch die Straße von Hormus werden täglich 20 Millionen Barrel Öl transportiert, das sind etwa ein Fünftel des täglichen Handelsvolumen und 20 Prozent des weltweit gehandelten Flüssiggases.

Diese Menge könnte nicht durch andere Lieferanten ersetzt werden. Denn noch bestehende Reservekapazitäten bei der Förderung befinden sich ebenfalls in der Region. Für die Wirtschaft würde eine Verknappung des Öls zum Problem. Er blicke mit Sorgen auf eine weitere Eskalation im Nahen Osten, sagte BDI-Präsident Peter Leibinger. „Das wird sich mit Sicherheit massiv auf die Energiepreise, nicht nur die Ölpreise auswirken“, sagte er. Prognosen dazu seien nicht möglich.

Weitere Belastungen der deutschen Wirtschaft kämen zur Unzeit. Der BDI hat seine Prognose für die Wirtschaftsentwicklung in diesem Jahr bereits nach unten korrigiert – wegen der Zollpolitik von US-Präsident Donald Trump. Dabei hat die deutsche Wirtschaft bereits zwei Jahre Rezession hinter sich. Das hat es in der Geschichte der Bundesrepublik bislang noch nicht gegeben. Ein Grund dafür ist der Energiepreisschock nach dem Angriff Russlands auf die Ukraine, von dem sich etliche Betriebe noch nicht erholt haben. Die Preise sind weiterhin hoch. Von der Regierung in Aussicht gestellte Senkungen sind noch nicht umgesetzt.

Wirtschaft droht zu schrumpfen

Jetzt droht die Wirtschaft das dritte Jahr in Folge zu schrumpfen. Der BDI hat seine Prognose von Beginn des Jahres weiter nach unten korrigiert. Statt mit einem Minus von 0,1 Prozent des Bruttoinlandsprodukts rechnet der Verband jetzt mit einem Rückgang von sogar 0,3 Prozent.

Grund für diese Einschätzung sei die Unsicherheit infolge der Zollpolitik von US-Päsident Donald Trump, sagte BDI-Hauptgeschäftsführerin Tanja Gönner. „Wir gehen davon aus, dass das angekündigte Zollregime in Kraft tritt.“ Der BDI rechnet mit Zöllen von 20 Prozent auf viele Produkte aus der EU ab Juli. Eine mögliche Ölkrise ist in diesem pessimistischen Szenario nicht berücksichtigt.

Auch für Ver­brau­che­r:in­nen hätte ein Anstieg der Energiepreise Folgen. Sie müssten nicht nur mit höheren Kosten für Strom, Sprit und fürs Heizen rechnen. Höhere Energiepreise wie zuletzt nach dem Angriff Russlands auf die Ukraine treiben die Inflation insgesamt nach oben. Denn sie wirken sich auf die Herstellung und den Transport fast aller Waren aus. Vor allem für Haushalte mit wenig Einkommen kann das eine enorme Belastung sein.

Merz erklärte bei seinem Auftritt beim BDI-Kongress, Deutschland müsse seine „preisliche Wettbewerbsfähigkeit“ verbessern. Die Bundesregierung habe erste Schritte unternommen. „Am 11. Juli wird der Bundesrat das erste große Investitionspaket beschließen“, sagte er. Das Paket sieht großzügige Abschreibemöglichkeiten und Steuererleichterungen für Unternehmen vor.

Weil das große Lücken in die Haushalte von Ländern und Kommunen reißen wird, fordern die Län­der­che­f:in­nen eine Kompensation. Eine Einigung darüber ist die Voraussetzung dafür, dass der Bundesrat dem Paket zustimmt. Bei Verhandlungen am Sonntag hatten sich Ver­tre­te­r:in­nen von Bund und Ländern noch nicht auf einen Ausgleich verständigen können. Am Montagabend sollten die Gespräche vorgesetzt werden.

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