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US-Deutsche Beziehungen unter TrumpDer Kollaps des Westens

Robert Misik
Kommentar von Robert Misik

Die „transatlantische Partnerschaft“ war immer schon ein vager Begriff. Heute taugt er nicht einmal mehr zum Selbstbetrug.

Die „transatlantische Partnerschaft“ interessiert US-Präsident Donald Trump nur noch wenig Foto: Evelyn Hockstein/reuters

V iele aufmerksame Zeitgenossen hatten schon vor den US-Wahlen im vergangenen Herbst darauf hingewiesen, dass eine zweite Präsidentschaft Donald Trumps radikal ausfallen würde. Genau so kam es. Regierungsämter wurden an Radikalinskis vergeben, das FBI ging an den ultraloyalen Trump-Bewunderer Kash Patel, Elon Musk fuhr wie ein Berserker durch die Ministerien. Dann knüpfte man sich die Universitäten vor, allen voran Harvard – ganz nach dem Prinzip: Wenn man eine prominente Institution medienwirksam fertigmacht, sind alle anderen mit eingeschüchtert. In die Straßen der Städte schickt man Militär, das auf Menschenjagd geht. Damit jeder in Schrecken versetzt wird, schoss die ­Innenministerin ­Selfies vor Internierungscamps in El Salvador. Und jetzt inszeniert man einen Aufruhr, um ihn mit autoritärer Repression niederschlagen zu können. Es läuft alles wie aus dem Lehrbuch: wie errichte ich eine ­Diktatur?

In wenigen Wochen wurden atemberaubende Schritte in Richtung Terror- und Unrechtsregime gemacht. Wir können lange analysieren, ob das jetzt der Weg in den Faschismus ist oder ob diese seltsame Allianz aus libertärer Staatsfeindschaft und autoritärem Repressionsstaat nach anderen Vokabeln ruft. Fakt ist: Es ist übel.

In der transatlantischen Allianz herrscht Katzenjammer. Transatlantische Allianz, das ist im engen Sinne die Nato als Verteidigungsbündnis, aber natürlich in einem weiteren Sinne dieser vage Gleichklang unterschiedlicher Nationen, traditionell als „der Westen“ bekannt. Verbunden durch „westliche Werte“.

Gewiss, man wagt das Wort nicht mehr aufzuschreiben. Nicht nur wegen des immer schon gültigen, Mahatma Ghandi zugeschriebenen Bonmots, der auf die Frage, was er denn von den westlichen Werten halte, geantwortet haben soll: „Ich hielte sie für eine gute Idee.“ Die Doppelmoral und Verlogenheit dieser Werte konnte man immer gut anklagen, bloß: Heute taugen sie nicht einmal mehr zum Selbstbetrug.

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Danach der Zerfall

Sowohl die Außenpolitik als auch die Wirtschaftspolitik tappt nun im Dunkeln, weiß nur, dass das Alte nicht mehr funktioniert, und hat zugleich keine Ahnung, was künftig funktionieren könnte.

Sonderlich überraschend ist das nicht, blickt man auf all das einmal aus historischer Perspektive. Bis 1989 hatten wir die bipolare Welt, danach diesen kurzen Augenblick des Unilateralismus, einen triumphierenden Westen und die USA als globalen Hegemon. In den oberen Etagen meines Bücherregals verstauben die Texte aus dieser Epoche, Francis Fukuyamas Analyse vom Sieg der liberalen Demokratie und Studien, die den Hegemon USA als neues „Imperium“ charakterisieren. Danach kam der Zerfall und das Zerfransen an den Rändern, eine Bewegung hin zu einem Multilateralismus, dessen Fürsprecher gute und schlechte Argumente vorbrachten. Das Gute: Die Welt ist plural und kann nicht nur von einem imperialen Zentrum aus organisiert werden. Das Schlechte: Die Werte der anderen müssen geachtet werden, mögen sie auch finstere Autokratien oder religiöse Despotien etablieren.

Der nächste Schritt ist nun der Kollaps des Multipolaren in Kriegen und Chaos und das Über­schwappen des Chaotischen auf den Westen selbst. Auch in westlichen Na­tio­nen sind die liberale Demokratie und der Wertepluralismus nur mehr eine Möglichkeit. Sie können ganz schnell von liberal in Richtung Autoritarismus kippen, manchmal liegt nur ein nationaler Wahlgang dazwischen.

Allianzen werden mobiler. Kanada, Australien und andere Länder sowie die Europäische Union verstärken ihre Fäden unter­einan­der, wenn sich die USA abwenden. Westliche Autoritäre tun sich mit ­Javier Mileis Argentinien zusammen, westliche (Links-)Liberale eher mit Brasilien unter Lula. Jede Liaison ist fragil und temporär, sie verlangt mangels der Verlässlichkeit, die aus langer Dauer entsteht, auch so viel Beziehungsarbeit, dass sie die Akteure überfordert. Der Handelskrieg der USA macht China und die Europäische Union zu Partnern, da man sich wechselseitig als Absatzmarkt benötigt, was nicht nur in den europäischen Außenpolitikzirkeln für Diskussionen sorgt, sondern auch in China.

Hier zu manövrieren, eine neue Doktrin zu formulieren und ihr mit Nachdruck zu folgen, ist eine Aufgabe, die absolut nötig ist – und zugleich kaum zu bewältigen. Und würde jedenfalls Persönlichkeiten von wirklich historischer Statur erfordern, die Idealismus und totalen Pragmatismus vereinen ­müssten.

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Robert Misik
Geboren 1966, lebt und arbeitet in Wien. Journalist, Sachbuchautor, Ausstellungskurator, Theatermacher, Universaldilettant. taz-Kolumnist am Wochenende ("Der rote Faden"), als loser Autor der taz schon irgendwie ein Urgestein. Schreibt seit 1992 immer wieder für das Blatt. Buchveröffentlichungen wie "Genial dagegen", "Marx für Eilige" usw. Jüngste Veröffentlichungen: "Liebe in Zeiten des Kapitalismus" (2018) und zuletzt "Herrschaft der Niedertracht" (2019). Österreichischer Staatspreis für Kulturpublizistik 2009, Preis der John Maynard Keynes Gesellschaft für Wirtschaftspublizistik 2019.
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11 Kommentare

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  • "Bis 1989 hatten wir die bipolare Welt, danach diesen kurzen Augenblick des Unilateralismus"

    45-89= 44 Jahre; 90-17=27 Jahre. So kurz also auch nicht, nur war es kein Thema in der veröffentlichten Meinung, dass es auch wieder anders kommen könnte, das ist mal wieder das Versagen gewesen.



    Immer nur derselbe ignorante Glorifizierungstrott, der Konsumenten von ÖRR und Qualitätspresse zu 95 % uniformiert zurück lies und überwiegend heute noch lässt.



    Handelsblatt und Financial Times sind da meist Ausnahmen, denn da muss die Leserschaft ja die Realität kennen wie Chomsky schon vor Jahrzehnten festsstellte.

    Wollte man aber anno 17 schon wissen dass es vorbei ist mit der guten Zeit, musste man schon in Yale sein oder wenigstens deren yt Kanal aboniert haben um die 3 folgenden 3 Vorträge dort gesehen zu haben:



    www.youtube.com/watch?v=bSj__Vo1pOU

  • Supermächte haben keine Partner, sie haben Vasallen.



    Bullys haben Opfer.

    Auch im politischen Bereich gibt es, natürlich, Gewalt in der Partnerschaft, für den schwächeren Partner endet dies häufig mit dem Tod.



    Das nicht-wahr-haben-wollen der Gewalt in der Partnerschaft ist auch sehr häufig.

  • Es ist einfach nur Kapitalismus. Dem ist der gesellschaftliche Schmonz drumrum egal

    Vor ein paar Monaten hat mal ein Florist hier sinngemäß geschrieben:



    Die westlichen Werte haben soger einen eigenen Sendeplatz: Börse vor acht

    • @Nansen:

      Börse vor acht... sehr gut!

    • @Nansen:

      Sehr gut kurz resümiert! Nur war es vielleicht doch ein FORIST…? :-)

  • Die große Frage aber ist:



    Wieso machen so viele Militärs, so viele Beamte dabei mit?



    Sie wissen doch, dass sie gegen die Verfassung, gegen Recht, Gesetz und Gerichtsurteile handeln?

    • @Dr Regina:

      a) aus Gleichgültigkeit



      b) aus Karrieregründen



      c) mangels Charakter/Mut



      d) aus purem Opportunismus

  • Alles halb so schlimm. Hilfe naht:



    taz.de/Sigmar-Gabr...-die-USA/!6090183/



    [/sarkasmus]

    • @starsheep:

      Wenn man im Vorstand der Atlantikbrücke sitzt, muss man wohl...

  • Danke …anschließe mich



    & Indeed



    “Und jetzt inszeniert man einen Aufruhr, um ihn mit autoritärer Repression niederschlagen zu können. Es läuft alles wie aus dem Lehrbuch: wie errichte ich eine ­Diktatur?“



    &



    Hatte vor ein paar Tagen / Stalinismus - angemerkt & Däh => 🪣



    🤖 - wohl noch nicht auf Höhe de 🧢! Newahr



    Normal •

  • Wir hatten einen solchen Moment schon einmal. Mit der Reformation war das Weltbild des Mittelalters just in dem Moment zerstört, in dem die Rennaissance erstmals seit der Antike wieder einen beeindruckenden Welthandel aufgebaut hatte, mit Wechseln und Schecks, Handel bislang unvorstellbarer Dinge mit aufblühenden Kolonien. Aber der geteilte Himmel bewirkte, dass letzte Wahrheiten plötzlich nicht mehr galten, das Gottesgnadentum seine Überzeugungskraft verlor. Mit dem 30-jährigen Krieg war dann zumindest in Deutschland fast alles zerstört. Aber die nachfolgende Barockära mit ihren verrückten Despoten und Sonnenkönigen legte doch auch den Grundstein für die moderne aufgeklärte Demokratie mit funktionierendem Verwaltungsapparat. Wahrscheinlich muss man etwas mehr Vertrauen in die Kraft der eigene Kultur haben und die bevorstehende finstere Zeit irgendwie durchstehen.