Verteilung bei der Klub-WM: Das Stück vom Brotlaib
Die Klub-WM zahlt Teams aus dem Globalen Süden viel Geld. Das bedeutet Empowerment, einerseits. Aber die Ligen der Länder stärkt es nicht.
E s ist gut gelaufen für die Fifa zum Auftaktspiel der Klub-WM: Trotz des schleppenden Ticketverkaufs ein solide besetztes Stadion, keine Protestplakate – schließlich kickte man in der rechten Hochburg Florida – und ein 0:0 zwischen Al-Ahly aus Kairo und Inter Miami, das wohl recht unterhaltsam war. Das wahre Highlight der Partie war dann gar nicht der alte Messi, sondern ein leidenschaftlich aufspielendes Al-Ahly und seine Fans, die teils sogar aus Ägypten angereist waren und dem Inter-Heimpublikum sowohl zahlenmäßig als auch in puncto Lautstärke deutlich überlegen waren. Kein Zweifel, für sie dürfte es eine große WM sein. Ist sie das?
Immer wieder kommt die Anschuldigung auf, dass Europas Blick auf die Klub-WM arg elitär sei: Während man hier über zu viel Belastung, zu viel Kommerz und uninteressante Partien grantelte, sei das Event für den Rest der Welt ein Riesending, eine große Party für mehr Teilhabe, mehr Umverteilung oder gleich der Vorbote einer postkolonialen Fußballwelt.
Tatsächlich ist der Blick aus Europa sowohl eurozentrisch als auch chronisch kulturpessismistisch. Hierzulande beobachtet man einerseits ängstlich, wie der Fokus der Fußballöffentlichkeit langsam und stetig auch auf andere Märkte geht, und belächelt zugleich vorsorglich die Kontinentalmeister von anderswo als Schießbudenteams. Die nun anstehenden Duelle könnten dieser Überheblichkeit ein paar Dämpfer versetzen.
Grundlegend also ist die Klub-WM tatsächlich ein großer Schritt in Richtung mehr Teilhabe. Endlich gibt es ein Format, bei dem sich Klubs aus aller Welt um ernsthafte Kohle und jenseits eines Halligalli-Kicks messen. Dafür gibt es durchaus Nachfrage. Europas Klubs müssen nun auf dem Platz überhaupt erst mal die Existenz der anderen anerkennen, die sie sonst jenseits von Werbetouren gern vergessen. Die wiederum können sich auf Weltniveau messen. Und falls es die Mamelodi Sundowns oder Al-Ahly sensationell ins Halbfinale schaffen, dürfte das einen globalen Enthusiasmus bringen, wie der WM-Erfolg Marokkos in Katar 2022.
Chance auf neues Publikum
Durchaus bringt das Turnier zudem die Chance, ein neues Publikum in vielen afrikanischen oder asiatischen Staaten zu begeistern, wo die meisten Fans trotz traditionsreicher eigener Teams am liebsten Premier League oder La Liga gucken. Blamagen bei der Klub-WM könnten den Lack des europäischen Männerfußballs empfindlich ankratzen. Schon die globalen Nationenturniere mit Stars of colour wie Pelé oder Maradona dienten ab den 1960er Jahren in vielen ehemaligen Kolonialstaaten als Empowerment-Erzählung. Angesichts des aktuell massiven Glaubwürdigkeitsverlusts des sogenannten Westens ist der Nährboden für Aufbruchstimmung da.
Naiv und paternalistisch ist, andererseits, auch die Erzählung: „Warum so grummelig? Die netten Leute aus dem Globalen Süden freuen sich doch so.“ Denn die meisten Fans aus prekären Staaten feiern Spitzenfußball grundsätzlich unkritisch ab – was auch damit zusammenhängt, dass sie a) größere Sorgen haben, b) in ihren Staaten Schlimmeres gewohnt sind und c) Fußball das oft einzige Highlight im perspektivlosen Alltag ist und keine Moralerzählung. Die Kritik aus Europa an der Klub-WM – wirtschaftlich wie ökologisch – ist dringend nötig und berechtigt. Sie wird nicht eurozentrisch, nur weil sie anderswo keine Rolle spielt.
Keine echte Umverteilung
Auch ist Infantinos Turnier von echter Umverteilung weit entfernt. Das beginnt schon bei den Antrittsgeldern: Afrikanische Starter erhalten 9,55 Millionen Dollar, südamerikanische 15,21 Millionen und europäische bis zu 38,19 Millionen Dollar. Die Lücken zwischen diesen Teams werden also eher größer, statt kleiner. Und natürlich kommen die Einnahmen größtenteils – trotz eines viel beschworenen Solidaritätsfonds – nicht nationalen Ligen zugute, sondern allein den dicken Schiffen, die dort ohnehin dominieren. So dürfte die Klub-WM vielen Superligen Vorschub leisten. Zumal ihr Qualifikationsmodus ganz offensichtlich darauf abzielt, kommerziell attraktiven Klubs eine Teilnahme zu ermöglichen, statt nach jüngsten sportlichen Meriten zu gehen.
Das mutmaßliche Ergebnis: Superreichtum einzelner Großklubs wird etwas breiter über den Globus verteilt. Das ist wirklich empowernd. Aber nur ein kleines bisschen.
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