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Probleme bei der Deutschen BahnWie absurde Geldflüsse den Ausbau der Schiene bremsen

Der Zustand der Bahn verschlechtert sich seit Jahren. Das liegt auch an widersinnigen Finanzierungskreisläufen – und der Schuldenbremse.

Der Gewinnanspruch der Bahn sollte wie beider Autobahn AG gestrichen werden Foto: Panama Pictures/imago

Berlin taz | Das deutsche Schienennetz ist wegen zahlreicher verschlungener Geldflüsse teurer und dysfunktionaler als nötig. Zu diesem Ergebnis kommt eine Untersuchung der Denkfabrik Dezernat Zukunft, die der taz vorliegt.

Hauptproblem ist demnach, dass die Schiene „behandelt wird, als sei sie ein normales Wirtschaftsgut, das sich selbst trägt und auch noch eine Rendite abwirft“, sagt Studienautorin Vera Huwe. So sei ein „absurdes Finanzierungskonstrukt“ entstanden, das die Kosten in die Höhe treibt.

Die Deutsche Bahn ist zwar eine Aktiengesellschaft, aber vollständig in Besitz des Bundes. Der Bund bezahlt zu großen Teilen den Neu- und Ausbau des Schienennetzes. Außerdem finanziert er den Ersatz, wenn zum Beispiel Schienen kaputtgehen.

Das Geld dafür geht an die Bahntochter InfraGO, die für Schienennetze und Bahnhöfe zuständig ist. Betrieb des Netzes und dessen Wartung bezahlt aber die InfraGO allein über die sogenannten Trassenpreise, also eine Schienenmaut – während in Österreich und der Schweiz der Staat die Wartung übernimmt.

Für die InfraGO ist es billiger, Strecken verfallen zu lassen

Aus den Trassenpreisen müssen darüber hinaus Rendite bezahlt werden, weil die InfraGO eine Aktiengesellschaft ist. Diese Rendite verwendet der Bund unter anderem dafür, den Ersatz baufälliger Strecken zu bezahlen. Dadurch entstehen dem Bericht zufolge falsche Anreize für die InfraGO: Weil sie die Wartung bezahlt und der Bund den Ersatz, lasse die InfraGO lieber Strecken verfallen und dann den Bund für die Reparatur bezahlen, als selbst in die Wartung zu investieren.

Weil die InfraGO neben Betrieb auch für die Rendite und die Instandhaltung die Trassenpreise braucht, sind sie im europaweiten Vergleich außergewöhnlich hoch. 2025 wurden sie darüber hinaus noch erhöht, für den Güterverkehr um 16,2 Prozent und den Fernverkehr um 17,7 Prozent. Das mache die Schiene im Vergleich zur Straße häufig die teurere Option, kritisieren die Au­to­r*in­nen des Berichts.

Verstärkt wird das Problem durch die Schuldenbremse, schreiben die Au­to­r*in­nen vom Dezernat Zukunft: Das Grundgesetz erlaubt es der Bundesregierung, Kredite an der Schuldenbremse vorbei aufzunehmen, wenn sie das Eigenkapital von bundeseigenen Unternehmen erhöht. Das hat sie 2024 auch für die Bahn getan, um mehr Geld in den Ausbau der Schiene stecken zu können.

Nur: Einer EU-Regel zufolge müssen Unternehmen in Staatsbesitz auf zusätzliches Eigenkapital zusätzliche Rendite abwerfen, damit sie nicht besser gestellt sind als private Firmen. Mehr Eigenkapital bedeutet für die InfraGO also, dass sie höhere Rendite zahlen muss und die Trassenpreise steigen.

Bahn am Gemeinwohl orientieren, schlägt Bericht vor

Gäbe es die Schuldenbremse nicht, könnte der Bund einfach per Zuschuss die InfraGO unterstützen, ohne dass sie mehr Rendite abwerfen muss – die sowieso der Bund als einziger Aktienbesitzer bekommt.

Die steigenden Trassenpreise sind auch für den Schienenausbau selbst ein Problem. Denn für Bauprojekte der Bahn müssen Material, Maschinen und Personal herangeschafft werden. Geschieht das per Zug, werden Trassenpreise fällig und die Baukosten steigen.

Die Be­richts­au­to­r*in­nen warnen davor, die Milliarden aus dem Infrastruktur-Sondervermögen in den Schienenausbau zu stecken, ohne die Art und Weise der Finanzierung zu verbessern: „Die Mittel aus dem Sondervermögen werden nur dann auf der Schiene ankommen, wenn die Schienenfinanzierung grundsätzlich reformiert wird“, sagt Co-Autorin Huwe.

Huwe und ihr Co-Autor Niklas Illenseer schlagen vor, die InfraGO solle nur noch den tatsächlichen Betrieb des Schienennetzes per Trassenpreis bezahlen, „also nur das, was es kostet, über die Schienen zu fahren: Personal, Energie, Verwaltung“, erklärt Illenseer.

In ihrem Koalitionsvertrag kündigt die schwarz-rote Bundesregierung an, das System der Trassenpreise zu reformieren. Die grundsätzliche Frage sei aber, „ob die InfraGO überhaupt wie ein privates Unternehmen funktionieren muss“, sagt Illenseer. Huwe und er schlagen vor, den Gewinnanspruch der Bahn zu streichen, schließlich müsse auch die Autobahn AG – ebenfalls ein bundeseigenes Unternehmen – keine Gewinne erwirtschaften. Die Bahn sei ein öffentliches Gut, das sich an gesellschaftlichen Zielen und nicht zwingend am Profit orientieren sollte.

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9 Kommentare

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  • Eine weitere Mutmaßung für die Dysfunktionalität der Finanzierung hätte ich noch anzubieten: Nämlich die haushaltrechtliche Unterscheidung zwischen investiven und konsumtiven Mitteln, die ein Fluch für die Verwaltung ist und zu allerlei absurden, ineffizienten Verrenkungen führt. Gleichwohl herrscht die Meinung vor, dies sei eine gute Sache. Eine öffentliche Diskussion dazu findet nicht statt. Das DB-Netz könnte aber ein weiteres Opfer dieser Regelung sein. Denn: Weil sie angeblich gut sind und der Zukunftssicherung dienen, lassen sich investive Mittel für Neubauten leichter in den öffentlichen Haushalten unterbringen als konsumtive Mittel für den Betrieb. Hieraus resultiert möglicherweise ein weiterer Anreiz, Anlagen nicht richtig zu erhalten, sondern stattdessen auf Verschleiß zu fahren, um sie dann komplett zu ersetzen.

  • Einfach endlich aufhören, das Auslaufmodell Privatauto schmerzhaft teuer zu pämpern. Oder Flughäfen/Fliegen. Dann ist schon mal viel Geld für die Grundversorgung Bahn, Bus & Co. da. Die bekanntlich für einen Euro drei Euro generiert, wie jüngst wieder errechnet wurde.

    Und ja, u.a. für Militärtransporte gebraucht würde. Und es ist peinlich gegenüber den Nachbarn, was abgeliefert wurde.

  • Ich schlage vor, die Bahn sofort wieder komplett zu verstaatlichen (also keine AGs mehr!), für strategisch essentielle Infrastruktur im Sinne der Landesverteidigung zu erklären, die Züge ab Montag Morgen einfach wieder pünktlich fahren zu lassen, alle(!) Strecken innerhalb der nächsten 2 Jahre zu elektrifizieren, die Anbindungen an Österreich und die Schweiz sofort(!) auf ein brauchbares Level zu erweitern und den Preis des Deutschlandtickets wieder auf 49 € zu senken.



    Und wenn sich irgendwer beschwert, das sei in so kurzer Zeit nicht zu machen, dann, liebe Bahnmitarbeiter, müsst ihr euch einfach mehr anstrengen und ein paar Überstunden in Kauf nehmen.

    • @Aurego:

      Und weil Sie so schön die Bahnmitarbeiter ansprechen, ein Zitat aus einem Lehrfilm zur Baustellensicherheit aus dem Jahre 1961 (der Zeit der glorreichen Bundesbahn, 13 Jahre vor dem 'betriebswirtschaftlich optimalen Netz'):

      "80% der Oberbauarbeiten der Bundesbahn werden von externen Unternehmen ausgeführt. "

      Die Quote hat sich dank der inzwischen erheblich schlechteren Arbeitsbedingungen (meine anderen Beiträge streifen nur die Spitze des Eisbergs) erheblich erhöht - auch in anderen Gewerken wie Konstruktiver Ingenieurbau oder Bahntechnische Ausrüstung.

    • @Aurego:

      Die Idee, man könnte in schwierigem Baugrundstück einen Tunnel knapp unter Betriebssgleisen bauen (ohne Sperrung - auch nicht für den Einbau einer "Stützkonstruktion") kam nicht aus der Praxis - wurde aber in Amtsstuben abgestempelt. Höchstwahrscheinlich mit dem üblichen Vermerk "Sicherung oder Überwachung entsprechend örtlicher Erfordernis" - also: ich hab's zwar genehmigt, aber wenn's schiefgeht ist ein anderer Schuld.



      Erst als man rund 150 km weiter südlich (Fischerpfad Auggen) einen Brückenabbruch in Etappen mit zwischenzeitlichem Zugverkehr gefordert und das gewaltig schiefgeht, war ein gewisser Lerneffekt zu spüren - Schuld waren aber auch hier wieder die draußen auf der Baustelle...

    • @Aurego:

      "Und wenn sich irgendwer beschwert, das sei in so kurzer Zeit nicht zu machen, dann, liebe Bahnmitarbeiter, müsst ihr euch einfach mehr anstrengen und ein paar Überstunden in Kauf nehmen."

      Da hat aber jemand viel Meinung für wenig Ahnung. Es gibt genügend Mitarbeiter bei der Bahn - Infrastruktur, die froh wären, nicht regelmäßig Minusstunden zu machen. Wer beispielsweise in den S-Bahn-Netzen zwischen der letzten Bahn gegen 0:30 und der ersten Bahn gegen 4:00 (Ein- und Ausrücker der Abstellanlagen nicht vergessen) "kleine Instandhaltung" macht, hat nach 6 Nachtschichten trotz Vor- und Nachbereitungszeiten nicht das Stundensoll für eine 5-Tage-Woche erreicht. Zumal die Haltung der Bundesnetzagentur, dass auf Hauptstrecken die Züge um jeden Preis Rollen müssen für erheblichen Stress und Personalverschleiß gesorgt hat. Auch weil nicht jeder die Verantwortung vor Ort für die technisch riskanten Konstruktionen übernehmen wollte, die da über Jahre hinweg vom Grünen Tisch aus erzwungen wurden.

      • @FriedrichHecker:

        Sie haben aber schon gemerkt, dass dieser Satz als Seitenhieb auf unseren neuen Bundeskanzler Merz gemeint war? Warum muss ich so etwas überhaupt in der taz erwähnen?



        Aber weil sie es so schön schildern:



        Warum schafft man das in der Schweiz, hier aber nicht?



        Warum gibt es überhaupt eine lange Pause zwischen 00:30 und 04:00? Die letzte Bahn sollte fahren, wenn die letzte Kneipe geschlossen ist, also gegen 01:30!



        Ich würde zuerst mit denjenigen ein ernstes Wort reden, die solche Arbeiten auf diese Weise organisieren.



        Wenn man länger braucht, um Reparaturen zu organisieren, muss man die Streckenabschnitte so lange sperren. Natürlich bräuchte man dann Ausweichmöglichkeiten, aber da wären wir wieder bei der strategische wichtigen Funktion der Bahn: Bahnstrecken müssen so angelegt werden, dass sie ausreichend redundant sind. All dies wurde in der Vergangenheit versäumt. Der verheerendste Beschluss war aber, den Güter-, Nah- und Hochgeschwindigkeitsverkehr nicht voneinander zu trennen, sondern alles über dieselben Schienen laufen zu lassen.

    • @Aurego:

      Leider ist das nicht mit ein paar Überstunden getan. Beispiel Elektrifizierung: Da müssen oftmals Brücken angepasst werden (die Leitung sollte schon unterhalb der Strßenüberführung durchgeführt werden), eventuell Flurstücke angekauft werden und natürlich der ganze naturschutzrechtliche Kram geprüft und genehmigt werden.

      Das was Sie vorschlagen, die Bahn wieder wie ein Behörde zu führen, gab es schon. Damals war der Umsatz der Bahn niedriger als die gesamte Lohnsumme des Unternehmens. Das sollte nicht mehr das Ziel sein.

  • Wer hat denn diesen Schwachsinn konstruiert?