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Nato-OstflankeRussland rüstet an der finnischen Grenze

Schutzräume für Kampfflugzeuge, Hallen für Militärfahrzeuge und ein Flughafen. Satellitenbilder zeigen: Im Norden stärkt Russland seine Infrastruktur.

Banger Blick nach Russland: finnischer Grenzsoldat in Nuijamaa, Finnland, 21. Mai Foto: Leonhard Foeger/reuters

Härnösand taz | Russland rüstet in Richtung Westen auf: Nicht weit von der noch jungen und sehr langen Nato-Grenze zu Finnland entsteht neue militärische Infrastruktur. Auf Satellitenbildern, die die New York Times ausgewertet hat, sind unter anderem lange Reihen neuer Truppen-Zelte zu sehen, nur 65 Kilometer von der finnischen Grenze entfernt.

Zudem sind Schutzräume für Kampfflugzeuge und große Hallen mit Platz für Militärfahrzeuge zu erkennen. Auch Instandsetzungen alter Strukturen wie des Militärflughafens nahe Murmansk wurden demnach beobachtet, der über zwei Jahrzehnte verlassen war.

Zuvor hatte bereits das schwedische Fernsehen SVT darüber berichtet, und nicht zuletzt in Finnland beobachtet man die Aktivitäten auf der anderen Seite der Grenze mit großer Aufmerksamkeit.

Nato-Vertreter sagten nun laut New York Times, was man dort sehe, sei nicht mit dem Aufmarsch an der Grenze zur Ukraine kurz vor der Invasion 2022 zu vergleichen. Es gehe um eine längerfristig geplante Verstärkung der Militärpräsenz im Nordwesten des Landes – eine Vorbereitung für eine Zeit, wenn nicht mehr alle Kräfte in der Ukraine gebunden sind.

„Sehr viel höhere Truppenstärke“

Der Chef des finnischen Militärgeheimdienstes Pekka Turunen rechnet demnach mit einem Zeitraum von fünf Jahren, bis Russland seine Truppenstärke hinter der Grenze auf bedrohliches Niveau aufgebaut haben könnte. „Wir reden von einer sehr viel höheren Truppenstärke“, sagte Turunen.

Der finnische Militärexperte Juha Kukkola, Major und Professor an der Verteidigungshochschule, beschrieb in einem Rapport im vergangenen Oktober, wie die russische Armee den alten Militärdistrikt Leningrad wieder aufbauen will, der zuvor mit drei anderen zum „Westlichen Militärbezirk“ fusioniert worden war.

Russland könnte in dem Leningrader Militärbezirk zwischen 40.000 und 85.000 Soldaten stationieren

Zum Wiederaufbau gehöre unter anderem, dass drei Infanteriebrigaden in der Nähe zu Finnland zu Divisionen expandiert würden – mit Tausenden Soldaten mehr pro Einheit. Auch solle ein neues Armeekorps mit bis zu 20.000 Mann in der Region Karelien aufgestellt werden. Insgesamt könnte Russland nach Kukkolas Einschätzung in diesem Leningrader Militärbezirk in den 2030er-Jahren zwischen 40.000 und 85.000 Soldaten stationieren.

Er geht wie andere Militärexperten davon aus, dass Russland sich auf einen möglichen Angriff auf Nato-Gebiet in seinem Nordwesten vorbereitet – in welcher Form, dazu gibt es verschiedene Überlegungen.

Großinvasion eher unwahrscheinlich

Eine großangelegte Invasion gilt nicht als die wahrscheinlichste Variante, wobei Kukkola Finnlands Militär als im Prinzip stark genug ansieht, um das eigene Land zu verteidigen. Diskutiert werden auch Varianten, wonach Russland mit einem Angriff auf kleinere geografische Einheiten, etwa Åland, die Funktionsweise der Nato testen könnte.

Am Dienstag wurde US-Präsident Donald Trump im Weißen Haus auf die Berichte zur russischen Aufrüstung in der Nähe zu Finnland – und damit auch Norwegen – angesprochen. Ihn beunruhigten diese Nachrichten überhaupt nicht, antwortete er dem Korrespondenten des schwedischen Fernsehens, „das sind zwei Länder, die sehr sicher sein werden“.

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4 Kommentare

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  • Und alles nur weil Russland ohne diesen Krieg und die Kriegswierschaft kollabiert.

    Der demografische Wandel hat schon lange vor der Ukraine angefangen, der Krieg hat ihn nur verschlimmert. Für Russland heißt es "Jetzt oder nie". Und genau das macht Russland so gefährlich.

  • "...wobei Kukkola Finnlands Militär als im Prinzip stark genug ansieht, um das eigene Land zu verteidigen." Hoffentlich täuscht er sich da nicht. Es ist natürlich schon eine Weile her, aber beim letzten Mal lagen die finn. Militärs ziemlich daneben (1939-1944).



    Zudem betrachtet Russland Finnland traditionell als zu seiner "Einflusszone" gehörig (z.B. 1809 bis 1919 als Großfürstentum russische Provinz, nach 1945 Neutralität unter sowjetischer "Aufsicht" etc.). Finnlands Nato-Beitritt war für Putin vermutlich am schwersten von allen Beitritten erträglich.

  • Es ist beruhigend, wenn Trump die Länder für sicher hält. Als Sprachrohr Moskaus sollte er sich auskennen. Doch unfreiwillig spricht er wohl die Wahrheit. Putin zielt Richtung Polen und Deutschland. Auch Rumänien würde er gerne wieder seinem neuen Machtbereich eingliedern. Da bieten die Finnen zu wenig Rohstoffe bei einer zu starken Verteidigung. So findet im Norden nur Grenzsicherung statt. Doch Putin ist perfekt im Täuschen. Deutlich sichtbare Maßnahmen sollen von anderen Vorbereitungen ablenken.

  • Derzeit werden mehr Waffen in Russland produziert, als gegen die Ukraine eingesetzt werden.



    Putin wird bald mal austesten, wie weit er gehen kann. Einen NATO Staat angreifen. Die USA werden nicht eingreifen, die Europäer müssen dann mal zeigen, wie groß die Solidarität ist.



    Und hier gibt es immer noch Menschen die von "Anreize für Putin" oder "Verhandlungen mit Putin" fabulieren.