Rassistische Brandstiftung in Solingen: Neue Hinweise auf rechtsextremes Motiv des Täters
Die Cloud-Daten des wegen des Brandanschlags in Solingen Angeklagten wurden untersucht. Laut Anwältin Başay-Yıldız finden sich „ziemlich viele NS-Suchergebnisse“.
Zuletzt hatte die Nebenklageanwältin Seda Başay-Yıldız in den Cloud-Daten des Täters extrem rechte Inhalte entdeckt, unter anderem Videos des rechtsextremen Medienkanals „Compact TV“. Darunter ist eines mit dem Titel „Dorfdisko Ausländer raus“, in dem ausländerfeindliche Parolen gegrölt werden. Aufgrund dieser Funde hatte Başay-Yıldız ein IT-Gutachten zur Auswertung der Cloud-Daten beantragt. Die Polizei hat diese inzwischen analysiert. Laut Başay-Yıldız finden sich darin „ziemlich viele NS-Suchergebnisse“. Sie betont: „Hier sieht man schon, dass da lange Interesse bestand.“ Auch der Nebenklageanwalt Fatih Zingal verwies auf wiederholte Suchanfragen des Täters zum „Dritten Reich“.
Brisant ist zudem eine weitere Internetsuche, auf die Anwältin Başay-Yıldız am Montag aufmerksam machte: Es geht um einen Brand in einem Wohngebäude in der Wuppertaler Normannenstraße im Jahr 2022. Damals war im Keller des Hauses ein Feuer ausgebrochen, zwei Personen mussten über eine Drehleiter aus dem dritten Obergeschoss gerettet werden.
Auffällig dabei: Die damalige Freundin des Angeklagten, Jessica B., hatte bis kurz vor dem Brand in diesem Haus gewohnt. Zuvor war es im September 2021 zu einem Streit zwischen dem Angeklagten und einem marokkanischen Nachbarn gekommen – beide hatten sich gegenseitig angezeigt. Laut Informationen der taz handelt es sich auch bei diesem Gebäude um ein Wohnhaus mit überwiegend migrantischer Bewohnerschaft. Başay-Yıldız erklärte: „Welche Brandsätze dort gelegt wurden und wie damals ermittelt wurde, das wäre auch hier von Interesse.“ Auch Anwalt Zingal sprach von einem „wichtigen Komplex“ und betonte, man müsse klären, ob ein Zusammenhang zum Angeklagten besteht.
Rechte Bilder
Für den Verhandlungstag am Montag war ein 39-jähriger Mechaniker aus Köln geladen. Auf Druck von Başay-Yıldız waren Festplatten ausgewertet worden, die in der Wohnung des Angeklagten gefunden worden waren. Darauf befanden sich 166 NS-verharmlosende und Hitler-Bilder, die zunächst der Lebensgefährtin des Angeklagten zugeordnet wurden. Später untersuchte die Anwältin die Festplatten selbst erneut und entdeckte weitere Bilder. Im Verlauf des Gerichtsverfahrens erfolgte schließlich eine umfassende Datenauswertung: Demnach sollen die Bilder dem 39-jährigen Kölner Mechaniker zuzuordnen sein, da sich auf den Festplatten auch andere eindeutig ihm zugehörige Dateien befanden.
„Ich stehe absolut nicht zu solchen rechten Bildern“, sagte der 39-Jährige vor Gericht. „Ich bin politisch in der Mitte. Meine Eltern sind aktiv in der SPD, ich bin so aufgewachsen. Ich war mein Leben lang gegen rechts.“ Zur Lebensgefährtin des Angeklagten habe er nur losen Kontakt gehabt, etwa durch frühere Partys oder Festivals, mittlerweile habe er jedoch keinen Bezug mehr zu ihr. Eine mögliche Erklärung für die fraglichen Bilder sei, dass sie gemeinsam auf einem Festival gewesen seien und er möglicherweise wegen Speicherplatzproblemen ihre Festplatte genutzt habe. Er betonte jedoch, sich an die belastenden Inhalte nicht erinnern zu können. Auch Nebenklageanwältin Başay-Yıldız betonte, dass bislang nicht zweifelsfrei geklärt sei, ob die rechtsextremen Bilder tatsächlich vom 39-Jährigen stammten.
Im Prozess waren in den vergangenen Wochen immer wieder neue Details ans Licht gekommen: So tauchte jüngst ein Vermerk der Polizei auf, demzufolge der Brandanschlag bereits im April 2024 als „rechtsmotivierte Tat“ eingestuft wurde. Dieses entscheidende Dokument war dem Gericht zuvor nicht bekannt gewesen. Zudem wurden bei der Hausdurchsuchung im Wohnhaus des Angeklagten mehr als ein Dutzend NS- und Hitler-Bücher gefunden – auch diese tauchten jedoch zunächst nicht in den Ermittlungsakten auf. Die Ermittler*innen hatten die Bücher dem Vater des Angeklagten zugeordnet und sie daher als „nicht verfahrensrelevant“ eingestuft. Anfang April zeigte die Nebenklageanwältin Seda Başay-Yıldız den Polizeipräsidenten sowie mehrere Beamt*innen des Polizeipräsidiums Wuppertal an, die an der Hausdurchsuchung beteiligt waren. Sie sprach von „Vertuschung“, da „Beweismittel vorenthalten wurden“.
Der Prozess am Wuppertaler Landgericht wird am 11. Juni fortgesetzt. An diesem Tag soll unter anderem der Nachbar der früheren Lebensgefährtin aussagen, in dessen Wohnhaus es ebenfalls zu einem Brand gekommen sein soll. Das Gericht will dazu weitere Informationen einholen. Ein Beginn der Plädoyers im Juni gilt als unwahrscheinlich, da die polizeiliche Auswertung weiterhin andauert.
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