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Lohnersatz für pflegende AngehörigeEs braucht mehr Entlastung!

Luisa Faust
Kommentar von Luisa Faust

Sozialleistungen für privat Pflegende sind gut, aber nicht die ganze Lösung. Das Pflegesystem ist überlastet. Es braucht Geld und Fachkräfte.

Vielen Angehörigen bleibt oft gar keine Wahl, als selbst zu pflegen, weil das Pflegesystem hoffnungslos überlastet ist Foto: Werner Otto/imago

D ie Idee stammt zwar nicht von ihr, aber sie geht in die richtige Richtung. Familienministerin Karin Prien (CDU) schlägt vor, dass pflegende Angehörige Sozialleistungen bekommen sollen, ähnlich wie das Elterngeld. Schon ihre Vorgängerin, die Grünenpolitikerin Lisa Paus, hatte diese Vision, scheiterte letztendlich aber an der Umsetzung. Wie Paus bleibt auch Prien noch recht vage. So bleibt unklar, wie viel Geld über welche Zeitstrecken und an wen gezahlt werden soll.

Es seien viele Varianten denkbar, meinte die Ministerin, die den Plan umgehend an die Bedingung, er müsse auch finanzierbar sein, knüpfte und sich damit praktisch selbst gleich wieder den Wind aus den Segeln nahm. Pflegende finanziell zu entlasten, ist auf jeden Fall ein richtiger Schritt, auch um den Fachkräftemangel in einer alternden Gesellschaft aufzufangen. Aber dieser Schritt reicht nicht. Es muss aber auch mehr Geld ins Pflegesystem fließen.

Schon jetzt haben Angehörige oft gar keine Wahl, als selbst zu pflegen, weil das Pflegesystem hoffnungslos überlastet ist. Diese Situation dürfte sich noch zuspitzen, denn viele Pflegeheime müssen schließen, weil sie nicht wirtschaftlich sind. Etwas mehr finanzielle Absicherung für Menschen, die hier für ihre Angehörigen einspringen, löst auch keine bereits bestehende Ungerechtigkeiten. Denn wie so oft, sind es vor allem die Frauen, die die Sorgearbeit übernehmen. In 60 bis 80 Prozent der Fälle pflegen sie.

Ein Pflegegeld, das so wie das Elterngeld abhängig vom Nettoeinkommen wäre, würde außerdem Menschen, die weniger verdienen, auch weniger entlasten, was ungerecht wäre, denn sie leisten ja die gleiche Arbeit, wie ein Spitzenverdiener, der seinen Angehörigen pflegt. Die gesamtgesellschaftliche Aufgabe Pflege darf nicht privatisiert werden, professionelle Pflege und Hilfe muss erhalten bleiben – und dafür braucht es Geld, nicht nur die Verlagerung von Verantwortung. Diejenigen, die im Privaten diese Aufgabe übernehmen, sollten unbürokratisch und gerecht unterstützt werden.

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Luisa Faust
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18 Kommentare

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  • Ich habe beruflich mit dem Thema zu tun, bin aber auch selbst pflegender Angehöriger. Für mich ist ganz klar, dass Menschen in ihren Familien und im engeren sozialen Umfeld sich gegenseitig helfen. Und zwar ohne Bezahlung. Wenn es ein gewisses Maß nicht übersteigt, ist das eine Selbstverständlichkeit. Und da sollen auch nicht Andere dafür aufkommen müssen. Das Pflegegeld im bisherigen System sorgt dafür, dass Milliarden Euro aus den Beiträgen an Menschen mit Pflegegrad ausgezahlt werden, die aber gar keine Pflege brauchen oder erhalten. Das ist Unsinn. Wenn jemand z.B. seine Arbeitszeit reduziert, um einen Angehörigen zu pflegen, kann man über den Lohnersatz nachdenken. Aber wenn die pflegende Person in Rente, arbeitslos oder Privatier ist, sollte auch kein Geld für Pflege fließen. Der erste Schritt wäre aber immer zu prüfen, ob jemand tatsächlich gepflegt wird und in welchem Umfang. Dann sollte man eher in die Entlastung und Betreuung der pflegenden Angehörigen investieren. Ich selbst würde im Leben nicht auf die Idee kommen, dass mir "der Staat" Geld dafür bezahlt, dass ich mich um meine Mutter kümmere.

    • @Minchi:

      Das Gegenteil ist richtig. Wenn Sie sich um ihre Mutter kümmern oder um ihre Kinder oder ehrenamtlich Kinder trainieren, dann ist das ein wertvoller Dienst für die Allgemeinheit. Nur deshalb funktioniert unsere Gesellschaft überhaupt. Das muss auch mit Geld verfolgen werden. Sonst zählt das nichts z.B. Bei Arbeitslosigkeit, bei der Rente etc. Dazu müssten nur die, die im Augenblick Geld scheffeln ohne Ende und der Gesellschaft damit teilweise sogar schaden, auf etwas Geld verzichten. Beispielsweise ist alleine das Vermögen der 500 reichsten Personen Deutschlands von 2020-2024 um 500 Mrd.€ Gestiegen. Wenn das nur 300 Mrd.€ Gestiegen, würden weder die verarmen, noch unsere Wirtschaft zusammenbrechen.



      Oder wenn man Amazon, das genausoviel Umsatz macht sie VW in Deutschland, auch genauso hoch besteuert, also mit 5 Mrd. Statt der bisherigen weniger als 100 Mill.



      Wenn man dort etwas mehr Gerechtigkeit walten lässt, können auch Personen, die für die Allgemeinheit arbeiten, gerecht entlohnt werden.

  • Was nie thematisiert wird, ist wo das ganze Geld, dass in die Pflege fliesdt, eigentlich hingeht. In die Pflegekräfte wohl nicht. Ich habe mal versucht, herauszubekommen, wofür das Geld, dass für das Pflegeheim, in dem mein Vater lag, eigentlich ausgegeben wurde. Keine Chance. Theoretisch hätte man dafür fast eine ganze Pflegekraft bezahlen können. Nicht nur die vielleicht 30 Minuten, die sich tatsächlich jemand um ihn gekümmert hat. Ich vermute, dass irgendwer sich damit eine goldene Nase verdient. Um so mehr als eine nachvollziehbare Aufstellung, wofür das Geld ausgegeben wird, nicht zu bekommen war.

    • @DemokratieKoennteSoSchoenSein:

      Es dauert etwa 2 Minuten um eine ungefähre Aufschlüsselung der Kosten im Internet zu finden. Der größte Posten ist das Pflegepersonal, dann kommen Wohnkosten, Lebensmittel, Energiekosten, Instandhaltung usw. usw. Wenn Du also einen Vergleich ziehst, musst Du zu den Kosten der Pflegekraft (die dann aber nicht 24/7 zur Verfügung steht, 6 Wochen Urlaub hat und ab und zu auch mal krank ist) noch die Miete, Energiekosten, Lebensmittel usw. für die Wohnung Deines Vaters dazu rechnen.

      • @Minchi:

        Habe ich alles gemacht. Trotzdem k dann man so gerade mal 40-60% der Kosten erklären. Denn für die einzelne Person ist die Pflegekraft ja auch höchsten s 30-120 Pro Tag da. Lebensmittel sind so in der Grösse 10-20€ pro T



        Tag, wenn man es ganz grosszügig rechnet, Energiekosten 40-100 € pro Monat, ganz großzügig. Sie können mir gerne einen Link schicken, der 2600-4000€ pro Monat erklärt.

  • "Es braucht Geld und Fachkräfte. "

    Super Idee! Leider haben wir eine Regierung, die die Austeritätspolitik der letzten Regierung noch verschärfen will. Und da die meisten Pflegekräfte aus dem Ausland kommen, ist es vielleicht auch nicht so hilfreich, dass mindestens AfD, cdsU und sPD (und auch die zu Recht untergegangene FDP) die Stimmung gegen MigrantInnen so weit gebracht haben, dass die sich inzwischen mancherorts nicht mehr auf die Straße wagen können.

    Also ich sehe da schwarz. Wenn nicht schwarz-braun.

    • @Jalella:

      Ja, Austrrizätspolitik kann man das nennen. Man sollte nur erwähnen, dass die gemacht wird, weil man es den Reichsten erlaubt, sich einen ungerecht hihen Anteil vom erarbeiteten Wohlstand zu behmen. So hat das Vermlgen alleine der reichsten 500 Personen in Deutschland zwischen 2020 und 2024 um 500 Mrd.€ zugenommen. Von 600 Mrd.€ auf 1100 Mrd.€, also um 80%. Wenn man nur 5% davon als Vermögensabgabe erheben würde, wären das 55 Mrd.€ und man hätte keinen Grund mehr für eine Austeritätspolitik.

      • @DemokratieKoennteSoSchoenSein:

        Die Theorie und die Praxis



        Diese "von oben nach unten" Verteilung habe ich noch nie erlebt und ich denke ich werde sie auch nie erleben. Ihre Darstellung mag also moralisch richtig sein, doch was nutzt dies, wenn es nie geschieht. Also muss das Geld dann doch wieder wo anders herkommen.

        • @Hans Dampf:

          Hat es in der Geschichte immer mal wieder gegeben. Die oben nehmen sich solange soviel wie sie kriegen können, bis es nicht mehr geht. D.h. bis sie Angst davor haben, dass ihnen Schlimmeres passieren könnte als nur 5% Vermögensverlust. Ich denke, wir kommen so langsam an diesen Punkt.

          In jede m Fall sind inzwischen eine deutliche Mehrheit der Bevölkerung für eine Milliardärssteuer. Und ne länger die nicht kommt, desto mehr werden dann nicht bei den Milliadäre Halt machen wollen.

          Das Schuldenpaket von 500 Milliarden war die letzte Patrone. Wenn man merkt, dass auch die nicht reichen, wird die Frage lauten: Lassen wir unser Land zerfallen oder beteiligen wir die etwas stärker, die in den letzten Jahren unglaublich reich geworden sind?

          Das Argument, Reiche nicht stärker zu besteuern, war ja immer, dass, wenn man das tut, alles zusammenbricht. Wenn man nun aber sieht, dass alles zusammenbricht, wenn man das nicht tut, werden auch etablierte Parteien das wirklich machen müssen. Oder sie sehen zu, wie die AfD immer stärker wird.Und

          Und das Schuldenpaket wird nichts gross rausreissen. Denn das sind auf 12 Jahren gerechnet,



          gerade mal 42 Mrd. Pro Jahr minus 15-25 Mrd. Zinsen

  • Die Leute leisten die gleiche Arbeit wie Pflegehelfer, sie sollten daher auch bezahlt werden wie Pflegehelfer. Wer eine Ausbildung in dem Bereich vorweisen kann entsprechend mehr.



    Wenn keine Angehörigen da wären, müsste die Allgemeinheit es ja auch irgendwie hinbekommen, entsprechende Pflegekräfte zu organisieren.



    Die Auszahlungen sollten einzig am Pflegegrad bemessen werden, nicht daran, wer die Arbeit macht.

    • @Herma Huhn:

      Ein Pflegehelfer betreut in einem Heim durchschnittlich 10 Bewohner. Dann müsste die Auszahlung entspechend gequotelt werden.

      Ich finde es schon bedauerlich, dass "die Allgemeinheit" diese Lasten tragen soll. Zunächst mal ist es doch die Angelegenheit der zu pflgenden Person, hierfür Zeit Arbeitslebens entsprechende Rücklagen zu bilden.

      • @DiMa:

        In ihrer Rechnung stecken ein paar Fehler:



        1) für eine 24h-Schicht braucht es 3 Pfleger, wenn man Urlaub/Krankheit mitrechnet eher sogar 4.



        2) Neben den Pflegern kommen noch die Kosten für Servicepersonal, Verwaltung, etc. hinzu.



        3) Es kommen sämtliche Umlagekosten (Strom/Wasser/Heizung/Miet- oder Tilungskosten/...) hinzu.



        Bei der häuslichen Pflege wird aber auch alles gemacht, insofern ist der Vorschlag von Herma Huhn nachvollziehbar.



        Wobei ich meine nicht den gleichen Satz, aber deutlich mehr als bisher.

      • @DiMa:

        Da privat Pflegende 24/7 deutlich mehr als 40 Stunden zusammenbekommen, dürfte selbst mit der "quotelung" noch einiges an Entlastung zusammenkommen.



        Und für die Rücklagen ist die Pflegeversicherung zuständig, die wir doch alle gemäß unserer Möglichkeiten zahlen.

  • Definitiv ein guter Ansatz; der Vorteil an einem zu Kindergeld ähnlichen System wäre weniger bürokratischer Aufwand für die pflegenden.



    Neben mehr Menschen, die professionell pflegen (bei besseren Arbeitsbedingungen ohne Doppelschichten o.ä.) braucht es schnelle Hilfe! Bei mir hat es Monate gedauert, bis ich einen Pflegegrad und zumindest etwas professionelle Pflege bekommen habe - GdB und Eingliederungshilfe, sowie Ärzte, die Hausbesuche machen brauchten noch länger, während meine Angehörigen und ich mit der Situation komplett überfordert waren und gleichzeitig noch irgendwelche Anträge ausfüllen mussten. Lieber hilft man ein bis zwei Menschen zu viel, als 10 Menschen zu wenig und allen zu spät.

  • Die Idee ist grundsätzlich schön, aber bei der derzeitigen Lage der Sozialkassen wahrscheinlich nicht finanzierbar.



    Entlastend wäre für Angehörige z.b. schon allein eine entbuerokratisierung der Anträge. Pflegegeld, Tagespflege, Verhinderungspflege, Kurzzeitpflege- alles muss extra beantragt werden. Jede kleinste Pflegeleistung wird extra berechnet. Warum gibt es nicht ein Zeitbudget und Patienten bzw. Angehörige und Pflegedienst vereinbaren, was in dieser Zeit gemacht wird, bspw. 20 Minuten oder 30 Minuten pro Tag. Gäbe viel mehr Flexibilität.

  • Ein Pflegegeld 3.000,- netto bezahlen - wg. Gerechtigkeit Spitzenverdiener?

    "Ein Pflegegeld, das so wie das Elterngeld abhängig vom Nettoeinkommen wäre, würde außerdem Menschen, die weniger verdienen, auch weniger entlasten, was ungerecht wäre, denn sie leisten ja die gleiche Arbeit, wie ein Spitzenverdiener, der seinen Angehörigen pflegt."

    Bitte mal erklären, wo denn dieses Geld herkommen soll? Es sind ja nicht alles Spitzenverdiener und leisten dann entsprechende Sozialabgaben?

    Die Spitzenverdiener "lassen pflegen". Privat in entsprechenden Pflegeheimen oder zu Hause.

    In den anderen Pflegeheimen sind vor allem immer mehr Sozialfälle (wohl über 30%), bei denen der Staat die Kosten teilweise oder ganz übernimmt, die aber wirtschaftlich nicht ausreichen? Daher auch Schließungen.

    Aber: 80% der zu Pflegenden lebt zu Hause und wird dort meist von Frauen/Müttern gepflegt. Über 4.000.000 Menschen.

    Wenn wir hier bspw. die o.g. 3.000,- EUR mtl. ansetzen würden > 144 Mrd. EUR. > Da ist noch nicht sparsam/digital verwaltet...macht 387,- EUR/Arbeitnehmer monatlich höhere Sozialabgaben.



    Glauben Sie daran?



    Männer, Kinder, Enkel werden die Aufgaben zusätzlich übernehmen müssen...

    • @Ansichtssache:

      Männer, Kinder, Enkel werden die Aufgaben zusätzlich übernehmen müssen..

      Wer kann sich das leisten, man muss ja auch noch den Lebensunterhalt für sich und seine Familie erwirtschaften. Darauf können die wenigsten verzichten. Und wie oft wohnen Kinder und Enkel noch nebenan. Und die müssen ja auch arbeiten und sich wiederum um die eigenen Kinder kümmern. Da bleibt keine Zeit. Nee, das wird nix.

  • Das Problem ist: Pflege in Einrichtungen ist heute meist entweder teuer oder unmenschlich. Und der Artikel bringt ja auch schön eines der Hauptprobleme zum Ausdruck: je unwirtschaftlicher die Einrichtungen werden, um so mehr wird auf Angehörige abgewälzt.

    Doch meiner Meinung nach könnten bestimmte Technologien zur Linderung des Pflegenotstands beitragen. Nein, keine Roboter, die Pflegebedürftige bespaßen! Sondern Geräte, die schwere, kraft- und zeitraubende und unangenehme Arbeiten vereinfachen und gerade mehr Zeit für die menschliche Seite der Pflege verleihen.

    Immer besser werden z.B. Apparaturen, die Patienten aufrichten können, was sonst oft zu Rückenproblemen bei Pflegenden führt. In China und Südkorea gibt es außerdem sogenannte Automatic Toileting Aid Systems, die das Windelwechseln unnötig machen, sondern sozusagen eine mobile Toilette darstellen, die am Bett aufgestellt wird. Gibt auch mehr Privatsphäre für die Patienten.

    2023 erschien eine Studie von Jeong-Bae Ko et al., die herausfand, dass solche Hilfsmittel in Südkorea den Alltag von Pflegenden wesentlich verbessern können. In Europa scheinen diese Lösungen weiterhin verpönt zu sein.