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Die Antifa-Hexe

Rosa Ray ist eine Neuköllner Stadthexe. Ihre Magie richtet sich gegen Gentrifizierung, rassistische Cops und rechte Hetzer

taz: Sie sind eine anarchistische Stadthexe. Was heißt das?

Rosa Ray: Meine Hexerei ist eine Praxis, die dem Abbau von Ungerechtigkeitssystemen und der Stärkung von solidarischen Netzwerken dient, die auf Mitgefühl für alle Wesen basieren – außer Faschisten, Tech-Bros, Terfs, Swerfs und der Polizei.

taz: Wie geht das praktisch?

Ray: Ich besuche oft Friedhöfe und örtliche Sehenswürdigkeiten, um Opfergaben für die radikalen Geister der Stadt wie Anita Berber, Rosa Luxemburg und Audre Lorde zu hinterlassen. Außerdem kümmere ich mich um das Unkraut, füttere Vögel und treffe mich bei Voll- und Neumond mit anderen Hexen zu Ritualen.

taz: Wie kann man sich diese Rituale vorstellen?

Ray: Auf die Einzelheiten kann ich nicht eingehen. Das ist ein Geheimnis, das nur diejenigen kennen, die an den Ritualen teilnehmen. Über die privaten Praktiken zu sprechen, würde das heilige Band zu meinem Hexenzirkel brechen.

taz: Verstehe. Und wo trifft Ihre Magie auf die Straße?

Ray: In der Vergangenheit habe ich antikapitalistische Magie gegen die Entwicklungen in der Warschauer Straße angewandt, einen Zauber, um alle Blockaden im Jobcenter zu beseitigen, damit die Ressourcen diejenigen erreichen, die sie am meisten brauchen, kollektive Bannzauber gegen gewalttätige, rassistische Polizisten oder – mein persönlicher Favorit – ein Zauber, um AfD-Anhänger*innen zu verwirren, damit sie sich auf dem Weg zu Demos immer verlaufen.

taz: Hat es funktioniert?

Ray: Ja! Aber oft nur sehr kurzfristig und oberflächlich. Nachhaltiger Wandel braucht einen fundierteren und radikaleren Ansatz. Meistens hat mich der Schadenzauber nur blind vor Hass und Wut über die Ungerechtigkeit des Systems gemacht – was nicht sehr effektiv und ziemlich unangenehm ist.

taz: Jetzt wenden Sie sich der positiven Hexerei für eine bessere Gesellschaft zu.

Rosa Ray

ist Hexe, Anthropologin, Schriftstellerin und Erotik-Alchemistin. Ihre Praxis umfasst Tarot-Lesungen, Traumarbeit und Rituale.

Ray: Genau. Ich unterstütze meine Mitstreiterinnen dabei, in ihre eigene Kraft zu kommen, spreche Schutzzauber für De­mons­tran­t*in­nen und nutze die Macht der radikalen Vorstellungskraft, damit wir uns eine andere Welt erträumen können.

taz: Walpurgisnacht und Beltane (Frühlingsanfang) stehen vor der Tür. Was verbinden Sie damit?

Ray: Es ist eine Zeit, in der Hexen mutig aus dem Schatten treten, Raum einnehmen und gemeinsam feiern. Ich mache immer etwas anderes, von Protesten über Sexmagie-Rituale bis hin zu psychedelischen Abenteuern. Dieses Jahr nehme ich an der „Take Back the Night“-Demo teil und an Beltane gehe ich mit meinem Hexenzirkel in einen Wald, um den Geistern des Landes Opfergaben zu bringen und das Erblühen des Frühlings zu feiern. Lilly Schröder

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