: Rechtsextreme Staatsdienstler
Nach der Hochstufung der AfD fordern Grüne und Linke ein konsequentes Vorgehen gegen Mitglieder der Partei mit Beamtenstatus. Mit einem Vorstoß des Senats ist derzeit aber nicht zu rechnen
Von Nicolai Kary
Ist eine Tätigkeit im Staatsdienst vereinbar mit der Mitgliedschaft in einer rechtsextremen Partei? Seit der Neueinstufung der Gesamt-AfD durch den Verfassungsschutz als „gesichert rechtsextremistisch“ stellt sich diese Frage bundesweit mit neuer Dringlichkeit. Als erste Bundesländer kündigten Bayern und Hessen an, die Vereinbarkeit einer Tätigkeit im öffentlichen Dienst mit einer AfD-Mitgliedschaft prüfen zu wollen. Ein länderübergreifendes einheitliches Vorgehen sei angezeigt, forderte Hessens Innenminister Roman Poseck (CDU).
In Berlin fordern nicht zuletzt die Grünen und die Linke endlich ein konsequentes Vorgehen und eine Strategie für den Umgang mit Rechtsextremismus im öffentlichen Dienst. Wer im öffentlichen Dienst des Landes Berlin arbeite, trage „Verantwortung für unsere freiheitlich-demokratische Grundordnung“, teilen die Grünen-Landesvorsitzenden Nina Stahr und Philmon Ghirmai mit. Insbesondere in sicherheitsrelevanten Bereichen seien Mitglieder einer rechtsextremen Partei „nicht hinnehmbar“. Der Senat müsse verhindern, dass Berliner:innen Lehrkräften oder Polizist:innen gegenüberstehen und „nicht wissen, ob diese Mitglied einer gesichert rechtsextremistischen Organisation sind“.
Niklas Schrader, der innenpolitische Sprecher der Linksfraktion, geht hier grundsätzlich zwar mit, warnt aber davor, „sämtliche Beschäftigte anlasslos vom Verfassungsschutz zu überprüfen“ oder eine Entlassung aus dem Dienst „allein von der Einstufung eines Geheimdienstes abhängig zu machen“. Schrader sagt: „Wenn man das zu Ende denkt, landet man beim Radikalenerlass der 70er Jahre.“ Der 1972 verabschiedete Erlass zielte offiziell darauf ab, sowohl Links- als auch Rechtsextreme aus dem öffentlichen Dienst fernzuhalten. In der Praxis traf er fast ausschließlich Linke. Die schwarz-rote Landesregierung hält sich unterdessen zurück mit Bewertungen der Vorstöße aus Bayern und Hessen.
Zumindest vorläufig dürfte jedenfalls seitens des Senats mit vergleichbaren Initiativen nicht zu rechnen sein. So verweist die für Beamt:innen in der Landesverwaltung zuständige Senatsfinanzverwaltung auf Nachfrage lediglich auf den im Landesbeamtengesetz vorgeschriebenen Diensteid auf das Grundgesetz und die Verfassung von Berlin zu erfüllen. Ob verbeamtete Polizist:innen, Verwaltungsangestellte oder Lehrkräfte: „Sollte gegen diesen Grundsatz nachweislich verstoßen werden, wären im Einzelfall entsprechende Disziplinarmaßnahmen zu prüfen“, so ein Sprecher von Finanzsenator Stefan Evers (CDU). Eine Verpflichtung, dem Arbeitgeber die Parteimitgliedschaft mitzuteilen, bestehe freilich nicht.
Die Senatsinnenverwaltung ließ eine taz-Anfrage unbeantwortet. Gegenüber dem RBB hatte Innensenatorin Iris Spranger (SPD) zuvor aber auch nur auf die Frühjahrstagung der Innenministerkonferenz im Juni verwiesen. Dort soll über mögliche Folgen der Höherstufung der AfD für deren Mitglieder im Staatsdienst diskutiert werden.
Der Rechtswissenschaftler Felix Hanschmann von der Bucerius Law School in Hamburg ist skeptisch. Er geht zwar davon aus, dass die Einstufung des Verfassungsschutzes Einzelfallprüfungen bei Beamt:innen erleichtere. Zudem könne die Mitgliedschaft in der Partei „bei der Einstellung Anlass für eine entsprechende Prüfung sein“, sagt Hanschmann zur taz. Ob jedoch allein die Einstufung der AfD als „gesichert rechtsextremistisch“ schon ausreiche, um generell von einer Unvereinbarkeit der Mitgliedschaft in der Partei und einer Tätigkeit im öffentlichen Dienst auszugehen, sei fraglich. Letztlich komme es auf die einzelnen Beamt:innen und deren konkretes Amt an, so Hanschmann.

Immerhin eines hat die Höherstufung der AfD auch in Berlin schon gebracht: Die Debatte um ein mögliches Verbot der Partei ist in vollem Gange. Auf der Regierungsseite preschen hier vor allem die Sozialdemokrat:innen vor. „Sollte die Einstufung der AfD auch vor Gericht Bestand haben, müssen wir die notwendigen Konsequenzen ziehen“, sagt SPD-Landeschefin Nicola Böcker-Giannini. Wie SPD-Fraktionschef Raed Saleh fordern auch Böcker-Giannini und ihr Co-Vorsitzender Martin Hikel, mit konkreten Vorbereitungen für ein AfD-Verbotsverfahren zu beginnen. Saleh nennt es „unausweichlich“.
Etwas gedämpfter ist der diesbezügliche Elan bei der CDU. Zwar erklärte Berlins Regierender Bürgermeister Kai Wegner am Montag bei einer Schülerdiskussion zum 80. Jahrestag des Kriegsendes, er wünsche sich „nichts mehr“, als „dass es die AfD morgen nicht mehr geben würde“. Zugleich plädiert der CDU-Politiker aber dafür, erst einmal „genau zu prüfen, welche Erfolgsaussichten wir mit einem Verbotsverfahren haben“. Damit liegt er im Grunde auf einer Linie mit CDU-Justizsenatorin Felor Badenberg, die bereits am Wochenende mit Blick auf ein Verbotsverfahren wissen ließ: „Zum jetzigen Zeitpunkt stellt sich die Frage nicht.“
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