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Konzert von Moor Mother und SumacBedrohliche Musik für eine bedrohliche Welt

Sie waren maximal laut: Die Dichterin und Musikerin Moor Mother und die Post-Metal-Band Sumac traten in Berlin auf. Die gemeinsame Platte folgt diese Woche.

Drastisch, intensiv, politisch: Moor Mother und Sumac standen im Berliner Bi Nuu gemeinsam auf der Bühne Foto: CTM

Wenn man verschiedene Weisen der Herstellung von musikalischer Intensität auf einer Bühne zusammenbringt und sie sich dann gegenseitig potenzieren, kracht es mitunter ganz gewaltig. Die Musikerin und Spoken-Word-Poetin Camae Ayewa macht seit fast fünfzehn Jahren unter dem Namen Moor Mother Musik in verschiedenen Konstellationen. Allen Ergebnissen dieser Zusammenarbeiten ist gemeinsam, dass sie auf verschiedenen Wegen ein Maximallevel an Energie, Anspannung und Präsenz erreichen. Im Bi Nuu am Schlesischen Tor spielte sie am Donnerstagabend mit der Post-Metal-Band Sumac ein Konzert, das das Publikum in einer knappen Stunde umfassend niederdrückte.

Moor Mother nimmt die Einflüsse für ihre Klang- und Textkunst aus vielen Genres und Gebieten und klingt trotzdem unvergleichbar. Auf ihren ersten Soloalben touchierte die Musik immer wieder die Grenze zur Reizüberflutung: Spoken-Word-Passagen, verfremdete Stimmen, Hip-Hop-Elemente, rohe oder absichtlich aus dem Takt geratene Beats, Geräuschkulissen, Industrial-Anklänge und wummernde Bässe bildeten dichte Klangflächen, die eher an Montagen als an klassische Songs erinnerten.

Es folgten Alben mit der Free-Jazz-Band Irreversible Entanglements und Gastauftritte beim Art Ensemble of Chicago und dem Industrial-Dub-Projekt Zonal. Auf den Begriff bringen lässt sich diese Musik nicht. Aber es gibt doch ein verbindendes Moment, und das ist neben der Stimme Ayewas eine Wut, die sich aus der Erinnerung an die und dem Wissen von der Gewaltgeschichte des eigenen Landes speist.

Unterschiedliche musikalische Universen

Vor dem Konzert – die gemeinsame Platte wird erst diese Woche erscheinen – hätte man vermuten können, dass hier etwas unverbunden neben dem anderen stehen bleiben würde. Das Gegenteil war der Fall. Eine Band und eine Sängerin aus unterschiedlichen musikalischen Universen brachten ihre jeweiligen Techniken zusammen und rissen in der Folge dann gemeinsam alles ein.

Der Sound von ­Sumac, der das Gerüst bildete, ist unheimlich präzise. Schlagzeuger Nick Yacyshyn spielt millimetergenau, die Gitarre von Aaron Turner, dem früheren Sänger der stilbildenden Post-Metal-Band Isis, klingt fies uneinladend, die Musik generell abweisend und Vereinzelung befördernd. Die Härte kommt hier nicht nur aus der Lautstärke oder der Massivität des Sounds, sondern aus seiner Abgeriegeltheit. Man soll nicht mitmachen können.

In diese trockene, eiskalte Szenario speiste Moor Mother dann ihren Text ein. Es begann mit dunklem Genuschel, elektronisch verfremdet, das bald in Schreien überging. Man musste die Lyrics nicht verstehen, vieles strudelte im umfassenden Lärm des Abends einfach weg, aber man konnte trotzdem ahnen, was los ist, auch wenn immer wieder nur einzelne, durchaus metalaffine Sätze durchdrangen: „The sky is falling“, „There will be blood.“ Sumac spielen ihre Musik maximal laut, also konkret und zugleich abstrakt, Moor Mother vermittelt eine sehr unmittelbare Wut, die einen trifft und überzeugt, auch wenn man die Erfahrungen, die hier verhandelt werden, nicht teilt.

Politische Musik, im vorbewussten Sinne

Was in dem Sprachstrom an diesem Abend thematisiert und geschrien, woran erinnert wurde, war, wie gesagt, akustisch kaum zu verstehen. Aber das Gesprochene und Gesungene wurde spürbar, als in ihrer Drastik überraschende Intensität. Was Sumac und Moor Mother auf der Bühne herstellten, war politisch in einem weiteren, vorbewussten Sinne. Politische Musik heißt hier, die Wahrnehmungskanäle zu öffnen, mit klanglicher Gewalt.

Man konnte sich in das apokalyptische Bild, das hier gezeichnet wurde, nicht solidarisch einklinken. Politische Musik, die keine Verbündeten will, sondern sagt, was geschehen ist und was geschieht. Und man musste nicht viel assoziieren, um den Abend als eine adäquate künstlerische Antwort auf den momentanen laufenden Siegeszug des Faschismus zu verstehen und zu spüren.

Das Bedrohliche dieser Musik ist das Bedrohliche der Welt. Oder, wie Moor Mother auf „Analog ­Fluids of Sonic Black Holes“ schrie: „You think this hell won’t come for you?“ Leider nicht mehr, nein.

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