: Nächstes Zerwürfnis beim Hamburger BSW
Nach dem Wahldebakel trat der Vorsitzende Jochen Brack zurück und warf seinem Co-Vorsitzenden vor, er habe ihn nicht unterstützt. Der verweist auf fehlendes Budget
Von Kaija Kutter
Ernüchternd war das Ergebnis des Bündnisses Sahra Wagenknecht (BSW) bei der Hamburg-Wahl. Nur 1,8 Prozent der Stimmen konnte die Liste mit Psychiater Jochen Brack an der Spitze auf sich verbuchen. Der trat prompt von seinem Posten als Vorsitzender zurück. „Hiermit übernehme ich auch die Verantwortung für das schlechte Wahlergebnis, wenn es hilft“, schrieb er laut Hamburger Abendblatt an Parteifreunde.
Und wie die Zeit berichtet, ließ er schon am Sonntag bei der Wahlparty im Schanzenviertel durchblicken, dass er die Schuld auch in den Reihen seiner Partei sieht. Viel zu spät und zu wenig Wahlmaterial habe die Bundespartei aus Berlin geschickt. Außer der Hamburg-Spitzenkandidatin für den Bundestag, Żaklin Nastić, sei niemand aus der Parteispitze gekommen, um beim Wahlkampf zu helfen. Auch hätte die Partei nicht so wählerisch sein sollen, was die Aufnahme neuer Mitglieder angeht. „Das geht in Richtung Sektierertum, dafür stehe ich nicht.“
Die BSW-„Rebellen“ Dejan Lazić und Norbert Weber, die stets die restriktive Aufnahmepraxis durch den Bundesvorstand kritisierten, sehen sich nun bestätigt. „Auch wenn keiner mit uns direkt spricht, hinter vorgehaltener Hand hören wir, wir hätten recht gehabt“, sagt Lazić.
Laut Abendblatt erhob Brack zudem in einer Erklärung an die rund 30 Mitglieder harte Vorwürfe gegen seinen Co-Vorsitzenden Konstantin Eulenburg. Der habe die Kandidatur von Żaklin Nastić für den Bundestag zunächst verhindern wollen. Die Arbeit des Vorstands sei seither „geprägt durch Diffamierungen“. Weil Nastić doch aufgestellt wurde, habe Eulenburg Brack dann jegliche Unterstützung im Hamburger Bürgerschaftswahlkampf versagt.
In der Tat gab es auf Hamburgs Straßen keine Plakate von Spitzenkandidat Brack. Ein Programm für die Wahl existiert zwar, wurde aber kaum verbreitet. Laut Brack sei es ein Fehler gewesen, nicht schneller neue Mitglieder aufzunehmen. Diese Aufgabe müsse endlich an die Landesverbände delegiert werden. Nicht zufrieden sei er auch mit der Positionierung des BSW in der Migration.
Gegenüber der taz wollte sich Brack nicht näher äußern. „Ich bestätige nur meinen Rücktritt“, sagte er. Rückfragen müssten an den noch amtierenden Co-Vorsitzenden Konstantin Eulenburg gerichtet werden.
Konstantin Eulenburg wies den Vorwurf der fehlenden Unterstützung zurück. „Wir hatten kein Budget aufgrund der vorgezogenen Neuwahlen für die Hamburg-Wahl.“ Der als Fotograf tätige Eulenburg habe selbst Fotos für den Wahlkampf in seinem Studio gemacht, „auch von Herrn Brack“. Man habe auch einen Flyer gemacht mit Fotos von allen Kandidaten für die Bürgerschaftswahl. BSW-Plakate habe es nur zur Bundestagswahl gegeben, 1.200 bis 1.400 normale und 120 Großplakate. Zudem sei der Hamburger Landesverband erst im Dezember gegründet worden. „Es war einfach zu früh.“
Auch dass er Nastić Kandidatur zum Bundestag habe verhindern wollen, „stimmt nicht“, sagt Eulenburg. Ihre Kandidatenkür im Januar war in der Tat skurril. Wie berichtet, gab das BSW am Tag zuvor eine Presseklärung heraus, dass Nastić eine „politische Pause“ plane und Eulenburg statt ihrer antrete, die am Folgetag Makulatur war, weil sie doch antrat. Eulenburg sagte damals, es habe ein Missverständnis gegeben.
Dejan Lazic, Hamburger BSW-„Rebell“
Der verbliebene Landes-Chef will nun nach vorn schauen, und um Ostern zum Parteitag laden, um Bracks Nachfolge zu wählen. Auch wolle man nun mit dem Bundesvorstand sprechen und zügig weitere Mitglieder aufnehmen. „Wir brauchen Leute mit Energie, die Bock haben.“
Aus der Berliner BSW-Zentrale heißt es, Hamburg hätte schon ein Budget gehabt, „allerdings kein besonders großes“. Die meisten Ressourcen seien in die Bundestagswahl geflossen. Der Vize-Vorsitzende Amid Rabieh erklärte, angesichts der Hürden im Parteienrecht sei es leicht, junge Parteien zum Stolpern zu bringen. In Hamburg hätten zwei Mitglieder „professionell und mit viel Einsatz systematisch daran gearbeitet“, das BSW zu beschädigen. Dank der Medien sei ihnen das teilweise gelungen. Nun gelte es, den Landesverband in „ruhiges Fahrwasser“ zu bringen und „mittelfristig“ auch in Hamburg zur politischen Alternative zu werden.
Kritiker Dejan Lazić sieht indes den Hauptgrund für das Scheitern darin, dass das BSW in Hamburg und auch bundesweit viel zu wenig Mitglieder hat. „Man kann ohne Basis keinen Wahlkampf führen.“ Sie seien dabei, sich mit anderen Kritikern zu vernetzen. „Entweder die Partei wird demokratisiert oder sie löst sich auf.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen