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Rot-Grün kann in Hamburg weiterregieren

Die Koalitionäre büßen deutlich Stimmen ein, während sich die CDU von ihrem Negativ­rekord 2020 erholt. FDP stürzt als einzige Oppositionspartei ab. AfD bleibt einstellig

Nicht so schlimm wie befürchtet: Bürgermeister Tschentscher umjubelt auf der SPD-Wahlparty Foto: Fo­to:­ Christian Charisius/dpa

Aus Hamburg Gernot Knödler

Die rot-grüne Koalition in Hamburg könnte nach der Bürgerschaftswahl vom Sonntag weiterregieren. Nach der vereinfachten Auszählung kommen beide Parteien zusammen auf eine Mehrheit der Sitze im Landesparlament, verlieren aber ihre bisherige Zweidrittelmehrheit. Weil die CDU ihr Ergebnis fast verdoppelte, wäre auch eine rot-schwarze Koalition möglich.

Eine vereinfachte Auszählung gibt es, weil Hamburger fünf Stimmen auf die Landeslisten der Parteien verteilen können und fünf auf die Direktkandidaten in den Wahlkreisen. Vereinfacht werden nur die Landeslisten ausgezählt, die über das Sitzverhältnis in der Bürgerschaft entscheiden.

SPD und Grüne haben 5,6 und 5,8 Prozentpunkte verloren und landen bei 33,6 respektive 18,3 Prozent. Damit verschlechtert sich das Sitzverhältnis für die Grünen – aber nicht so, dass sich das auf die Anzahl der Senatorenposten auswirken dürfte. Der Fraktionschef der Grünen, Dominik Lorenzen, rechnete am Wahlabend vor, dass die SPD weiter zwei Drittel der Senatoren stellen würde.

Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) will zwar auch mit der CDU sprechen, hatte im Vorfeld aber deutlich gemacht, dass er das rot-grüne Bündnis gerne weiterführen würde. Die Christdemokraten sammelten 19,6 Prozent der Stimmen – gegenüber ihrem Negativrekord von 2020 mit 11,2 Prozent.

Rot-Grün ergäbe auch aus Wählersicht Sinn: Bei der Nachwahlerhebung von Infratest dimap zeigten sich 61 Prozent zufrieden mit dem Senat, also der Arbeit des Bündnisses, wenn auch 5 Prozentpunkte weniger als vor fünf Jahren. Das gilt noch mehr für den Ersten Bürgermeister Tschentscher: Bei einer einer Direktwahl hätten ihm 66 Prozent ihre Stimme gegeben, Katharina Fegebank von den Grünen 16 Prozent und dem CDU-Kandidaten Dennis Thering 14 Prozent.

Großer Jubel herrschte bei den Linken, die sich um 2,3 Prozentpunkte auf 11,4 Prozent verbesserten. Sie nahmen vor allem den Grünen Stimmen ab und mobilisierten bisherige Nichtwähler. Die Linken-Abspaltung BSW scheint der Linken nicht geschadet zu haben, obwohl die Wagenknecht-Partei immerhin auf 1,8 Prozent kam. Immerhin, weil die Gründung eine Landesverbandes erst in letzter Minute gelungen war, nachdem zwei konkurrierende Gruppen versucht hatten, einen solchen zu gründen.

Die AfD, die sich um 2,4 Prozentpunkte auf 7,7 Prozent verbesserte, verfehlte ihr Ziel, zweistellig zu werden. Bundes­sprecher Tino Chrupalla erklärte das damit, dass sich seine Partei nun mal in Großstädten ­schwertue und eher auf dem Lande gewählt werde. Profitiert hat die AfD vor allem von 10.000 Nichtwählern. Von der Linken konnte sie doppelt so viele Stimmen (2.000) abziehen wie von der CDU und den Grünen (1.000).

Bei einer Direktwahl hätten 66 Prozent für Peter Tschentscher gestimmt

Die FDP hatte zwar vor der Wahl mächtig gekämpft und am laufenden Meter Pressemitteilungen versandt. Dennoch sackte sie von 4,97 auf 2,2 Prozent. Schuld dürften die Querelen im Landesverband gewesen sein. Zudem wechselte ihre einzige Abgeordnete in der Bürgerschaft, Anna von Treuenfels-Frowein, die ein Direktmandat gewonnen hatte, kurz vor der Wahl zur CDU.

Die wichtigsten Themen waren Infratest dimap zufolge Sicherheit und Ordnung, Wohnen und Wirtschaftswachstum. 2020 waren es noch Umwelt und Klima sowie Verkehr. Beim Wohnen konnte der Senat mit hohen Genehmigungszahlen und einer Mietpreisbremse aufwarten, auch wenn die Neuvertragsmieten weiter stiegen. Beim Thema Sicherheit reagierte er mit Waffenverbotszonen und Extra­streifen am Hauptbahnhof auf Kritik der CDU.

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