Von der Leyens Pläne: Angriff auf die EU-Lieferketten-Richtlinie
Die EU-Kommission will Bürokratieabbau. Umwelt und-Menschenrechtsorganisationen befürchten eine Aushöhlung des Regelwerks.
![Minengebiet inmitten von grünem Wald Minengebiet inmitten von grünem Wald](https://taz.de/picture/7527657/14/37563704-1.jpeg)
So ähnlich wie das bereits geltende deutsche Lieferkettengesetz verpflichtet die EU-Richtlinie große Unternehmen ab 2027 eigentlich, sich um die Menschenrechte der Beschäftigten ihrer Zulieferer im Ausland zu kümmern.
Hiesige Firmen sollen dann mitverantwortlich dafür sein, dass Beschäftigte von Zulieferern Mindestlohn und Mindesturlaub erhalten sowie dass ihre Arbeitssicherheit gewährleistet ist. Diese Regeln einhalten müssen ab 2027 zunächst EU-Unternehmen mit mehr als 5.000 Arbeitnehmenden. Später sinkt die Obergrenze auf 1.000 Personen.
Das alles trat erst im vergangenen Sommer in Kraft. Doch seitdem hat sich die Wirtschaftslage verschlechtert, weshalb viele Unternehmen und ihre Verbände nun Kostensenkungen verlangen. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen will diesen Forderungen teilweise entgegenkommen. Am Mittwoch veröffentlichte sie ihr „Arbeitsprogramm“ für 2025.
Wirtschaftslobby will, dass weniger Unternehmen von den Pflichten betroffen sind
Demnach sollen die Kosten für Firmen um bis zu 35 Prozent sinken, indem Regelungen „vereinfacht“ werden. Für die letzte Februar-Woche hat von der Leyen ein „Omnibus“ Paket angekündigt, das unter anderem die EU-Lieferkettenrichtlinie (CSDDD) und die Richtlinie zur Berichterstattung von Unternehmen über Nachhaltigkeit betrifft.
Was darin genau stehen wird, ist bisher nicht bekannt. Nach Einschätzung der europäischen Grünen weiß es auch die Kommission selbst noch nicht. Angeblich plant der federführende EU-Kommissar Valdis Dombrovskis tiefere Einschnitte als der ebenfalls zuständige Justizkommissar Michael McGrath.
Klar ist dagegen, dass die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA), die die Lieferkettengesetze immer bekämpft hat, nun einen neuen Versuch startet. Sie will die EU-Richtlinie auf Unternehmen mit mehr als 5.000 Leuten und nur auf die wichtigsten Zulieferer beschränkt sehen.
Außerdem fordert die BDA, die zivilrechtliche Haftung hiesiger Firmen zu „löschen“. Sie könnten dann kaum noch vor Gericht verklagt werden, wenn sie gegen Menschenrechte verstoßen. Parallel verlangt der Bundesverband der Deutschen Industrie mit seinen Partnern in Italien und Frankreich, die Umsetzung der CSDDD zu verschieben und die Firmen von der Erfüllung der Ziele des Klimavertrags von Paris zu entbinden.
„SPD und Grüne müssen standhaft bleiben“
Druck in Richtung der Aushöhlung der Richtlinie mache auch die Europäische Volkspartei unter ihrem Vorsitzenden Manfred Weber (CSU), beklagt die Initiative Lieferkettengesetz, der neben Misereor 90 weitere Nichtregierungsorganisationen angehören. Armin Paasch bittet deshalb: „SPD und Grüne müssen standhaft bleiben.“ Die eine oder die andere Partei könne in der nächsten Bundesregierung verhindern, dass die CSDDD falle, so Paasch. Wobei auch schon Politiker der SPD und Grünen Zweifel am Sinn der EU-Richtlinie äußerten.
Hinsichtlich der EU-Richtlinie zur Berichterstattung über Nachhaltigkeit (CSRD) befürchtet Eva Kleemann von Germanwatch, die Pflicht der Unternehmen könne entfallen, über die konkreten Folgen ihrer Geschäftsaktivitäten für die Menschenrechte und die Umwelt zu berichten.
Übrig blieben dann möglicherweise nur noch Berichte zu den finanziellen Folgen von Nachhaltigkeitspolitik für die Firmen selbst. Der Beirat für Nachhaltige Finanzen beim Bundesfinanzministerium spricht sich währenddessen dafür aus, die CSRD zu erhalten, jedoch zu vereinfachen, indem beispielsweise die Zahl der zu berichtenden Daten reduziert werde.
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