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Arbeitskampf bei der BVGBVG-Fah­re­r:in­nen lassen sich nicht abspeisen

Nach jeder Verhandlungsrunde holt Verdi ein Stimmungsbild bei den Beschäftigten ein. Das fällt auch nach dem dritten Angebot ziemlich eindeutig aus.

Bald wieder Streik angesagt? Die Stimmung der BVG-Faher:innen ist auf jedenfall kämpferisch… Foto: dpa | Carsten Koall

Berlin taz | Überzeugungsarbeit wolle er keine leisten, stellt Ekkehardt Spiegel klar, bevor er loszieht, um seine Kol­le­g:in­nen zu befragen. Bevor der Busfahrer und Gewerkschafter das neue Angebot ihres Arbeitgebers vorstellen kann, kommt ihm die Kollegin schon zuvor. „Abgelehnt“, sagt sie knapp, aber freundlich. Spiegel macht einen weiteren Strich auf seinem Zettel in der Spalte „Druck erhöhen / Warnstreik“.

Es ist Donnerstagmittag, ein Tag nach der letzten Verhandlungsrunde zwischen Verdi und der BVG. Das Ergebnis der achtstündigen Sitzung ist ein neues, nachgebessertes Angebot des Arbeitgebers. Eine kürzere Laufzeit, statt vier Jahren, bietet die BVG nun 30 Monate. Auch bei der Schichtzulage hat sie ein paar Euro im Vergleich zum letzten Angebot draufgepackt. Wie auch schon in den drei Verhandlungsrunden zuvor leitet Verdi durch sogenannte Hofverantwortliche das Ergebnis an die Belegschaft weiter und holt dabei gleich ein Stimmungsbild ein – Angebot annehmen oder Druck erhöhen?

Spiegel, selbst Busfahrer, ist einer dieser Hofverantwortlichen. Seit drei Uhr ist er auf den Beinen, hat bereits vor dem Frühdienst mit zahlreichen Kol­le­g:in­nen auf dem Betriebshof in Lichtenberg gesprochen. Der Bahnhof Schöneweide ist seine letzte Station für heute. Hier am Umsteigeknotenpunkt laufen mehrere Bus- und Tramlinien zusammen, die meisten Fah­re­r:in­nen machen hier kurz Pause, bevor sie wieder die nächste Linie fahren.

Die eingangs beschriebene Szene wiederholt sich noch einige Male. „Weitermachen natürlich, das Angebot ist eine Unverschämtheit“, sagt ein grauhaariger Kollege, der gerade aus einer Tram steigt. Spiegel fragt einen Busfahrer, auch hier muss er das Angebot nicht einmal vorstellen. „Klar, weiterverhandeln. Da ist noch mehr drin“, antwortet der Fahrer.

Diese Rückkopplung mit der Belegschaft ist ein neues Element in den Tarifverhandlungen mit der BVG. Mit dem System will Verdi die Belegschaft stärker in den Arbeitskampf mit einbeziehen. Für viele Beschäftigten eine willkommene Gelegenheit, um sicherzustellen, dass die Gewerkschaft nicht vorzeitig einknickt. „Viele Kollegen waren enttäuscht, dass letztes Jahr nicht mehr gekämpft worden ist“, erinnert Spiegel an die Verhandlungen zum Manteltarifvertrag.

Das scheint gut zu funktionieren. Fast alle Befragten hatten eine starke Meinung zum neuen Angebot. „Durch die Rückkopplung ist eine extreme Mobilisierung da“, sagt Spiegel. Wenig überraschend, in den letzten drei Runden gab es nur wenige Gegenstimmen. So auch dieses Mal. In der Spalte bei „Angebot annehmen“, findet sich noch kein Strich. Am Montag will Verdi über einen neuen Warnstreik entscheiden. Wenn es nach den Beschäftigten geht, scheint dieser unausweichlich.

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5 Kommentare

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  • Mann sollte die BVG privatisieren, das geht in anderen Städten auch sehr gut. Vor allem sind wir dann nicht jedesmal aufs neue erpressbar. Den einzigen den es trifft sind Arbeiter die zur Arbeit müssen und jedesmal Probleme bekommen. Die Lohnvorstellungen sind nicht mehr nachvollziehbar. Die sind in der heutigen Zeit schon unverschämt.

    • @Bernd See:

      Als jemand, der für einen privat(isiert)en Anbieter arbeitet, hier die durchschnittlichen Arbeitszeiten und Löhne.



      13,2h am Tag, 6,1 Tage die Woche, Stundenlohn 18,06€ brutto, was im Monat 3017,24€ ergab. Netto ca. 45%. Mein Durchschnitt letzten Januar.

      Das darf erwartet werden, wenn auch die BVG privatisiert wird. Wieviel Beschäftigte wollen das dann durchziehen? Hinzu kommt ein Streikverbot, aus neoliberalen "Geschäftsinteressen". Da kündigen dann 75% der Belegschaft, und es gibt niemanden, der freiwillig dafür arbeiten soll, dass der Chef und die Führungsetage ihren jährlichen Porsche kaufen können, während andere am Hungertuch nagen müssen. Oder ist das etwa in Ordnung, Hauptsache Bus und Bahn bringt einen rechtzeitig zur Arbeit?

      Und wenn das Personal fehlt, ist der gewöhnliche Arbeiter dauerhaft erpresst.

      Aber so ist das, wenn die Wirtschaft auf immer mehr Leistung getrimmt ist, bei stagnierender oder schwindender, arbeitsfähiger Bevölkerung. Geb also nicht der Belegschaft schuld, sondern dem Neoliberalismus.

  • Sorry, aber bei diesem Streik fehlt den Bewohnern dieser Stadt absolut das Verständnis, nicht die Angebote der BVG sind eine Unverschämtheit, sondern die Forderung der Mitarbeiter. Ich finde es einfach nicht in Ordnung, dass hier die halbe Stadt in Geiselhaft genommen wird, wo wir so dringend Menschen animieren müssen auf die Öffis umzusteigen. Und es wurden schon extrem gute Angebote gemacht, etwas wovon andere nur träumen können. Wie gesagt, 0 Verständnis

    • @Impe:

      Vielleicht schauen Sie mal im Internet nach, was Angestellte im öffentlichen Nahverkehr so verdienen und was so typische Arbeitszeiten sind.

      Aber bevor ich hier die Mitleidskarte ziehe: Es handelt sich um einen Arbeitskampf. In Zeiten von Arbeitskräftemangel sitzen die Arbeitnehmer am längeren Hebel. Muss man sich jetzt halt dran gewöhnen, dass sie Verhandlungs-, weil Streikmacht haben und die Lohnabschlüsse eben dann vorteilhafter ausfallen.

      Wie viel "Verständnis" Sie dafür haben, ist daher erst einmal unerheblich.

  • Wenn es so entschieden ist, sage ich auch als Fahrgast: Solidarität!