Tarifeinigung bei der BVG: Die Politik muss noch mal ran
Der neue Manteltarif für die BVG-Beschäftigten macht gerade den stressigen Job als FahrerIn etwas attraktiver. Aber das wird noch nicht reichen.
V or 10 oder gar 20 Jahren wären die Personalprobleme, mit denen die BVG aktuell zu kämpfen hat, nicht vorstellbar gewesen: Die Arbeitslosigkeit war deutlich höher als heute, und wenn jemand die Chance hatte, für den öffentlichen Arbeitgeber Bus zu fahren, griffen sie oder er dankbar zu. Mittlerweile müssen sich die Verkehrsbetriebe auf die Hinterbeine stellen, um neue KollegInnen zu rekrutieren und Lücken im Personalbestand zu schließen. Die vielen kleinen und größeren Annehmlichkeiten, die Verdi nun im neuen Manteltarifvertrag ausgehandelt hat, sind also letztlich auch im Sinne des Vorstands, weil sie die Arbeitsplätze attraktiver machen.
Gerade hinter dem Lenkrad eines Berliner Busses sitzt nämlich niemand einfach nur, weil das so viel Spaß macht: Der Job ist stressig und belastend, das können auch die Fahrgäste immer wieder gut beobachten. Erträglicher für das aktuelle Personal – und interessanter für EinsteigerInnen – wird er, wenn am Ende dafür mehr Pausen, Urlaubsgeld oder zusätzliche freie Tage winken.
Das alles gibt es natürlich nicht kostenlos. Auch wenn es bei dieser Tarifrunde nicht um die Gehälter ging, ist trotzdem eine Menge Geld im Spiel: 70 Millionen Euro für zwei Jahre laut BVG-Vorstand. Viel, viel mehr hätte es der Chefetage zufolge gekostet, wenn sie auch eine Kernforderung der Verdi-VerhandlerInnen erfüllt hätte: die Ausweitung der sogenannten Wendezeiten auf standardmäßig 10 Minuten. Der Gewerkschaft war das besonders wichtig, weil diese kurzen Verschnaufpausen zwischen Hin- und Rückweg etwa auf einer Buslinie schon jetzt oft von verkehrsbedingten Verspätungen aufgefressen werden.
Völlig nachvollziehbar: Was ist das für ein Job, in dem man zwischendurch nicht mal Zeit hat, aufs Klo zu gehen? Die BVG hatte jedoch von Anfang an gesagt, man werde in diesem Punkt sehr hart verhandeln. Wenn tausende Beschäftigte längere Pausen haben, muss dafür eben ingesamt mehr Personal eingestellt werden. Das ist dann nicht mehr nur ein Rekrutierungsproblem, sondern ein handfestes finanzielles.
Verdi hat das Argument ganz offensichtlich weitgehend geschluckt. „Durchschnittlich sechs Minuten“, wie jetzt die Kompromissformel lautet, ist eben doch nur ein Minifortschritt und weit vom selbst gesteckten Ziel entfernt. Allerdings soll ein wissenschaftlich begleiteter Modellversuch einen gesichtswahrenden Ausweg bieten: Zusammen mit dem Management will man testen, ob es nicht stressärmer für die FahrerInnen ist, wenn Bus und Tram nicht mehr einem rigiden Fahrplan hinterherfahren, sondern einfach dafür gesorgt wird, dass alle soundsoviel Minuten einer oder eine fährt.
Kein intuitives Modell
Besonders intuitiv ist das Modell „Takt statt Fahrplan“ jedenfalls nicht: Man verhindert damit vielleicht, dass die gelben Busse in einer Schlange hintereinanderherzuckeln, wie es heute oft genug vorkommt. Aber bleiben dafür dann Fahrzeuge regelmäßig – zum absehbaren Unmut der Passagiere – an einer Haltesstelle stehen und warten, bis es weiter vorne im Linienverlauf wieder vorangeht? Klingt wenig überzeugend, aber nun ja, prüfen schadet nichts.
Eines der Hauptprobleme, das auch die den Arbeitskampf unterstützenden KlimaaktivistInnen von Fridays for Future immer betont haben, liegt eben immer noch darin begründet, dass der ÖPNV keine Vorrangstellung im Stadtverkehr genießt – von den wenigen, gerne auch zugeparkten Busspuren mal abgesehen. Wenn die Politik hier endlich für besseres Durchkommen sorgte, würden sich am Ende nicht nur die Fahrgäste und das Klima freuen, sondern auch ganz besonders die FahrerInnen.
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