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Spanien senkt WochenarbeitszeitWeniger schuften fürs gleiche Geld

Spaniens Linkskoalition senkt die Arbeitszeit pro Woche auf 37,5 Stunden – bei vollem Lohnausgleich. Unternehmer und die rechte Opposition sind dagegen.

Süßwaren-Handwerksbetrieb in Andalusien, Spanien Foto: María José López/imago

Madrid taz | Während es in Deutschland Diskussionen um eine Verlängerung der Lebensarbeitszeit gibt und im einst krisengeschüttelten Griechenland vergangenen Sommer die Sechs-Tage-Woche wieder eingeführt wurde, geht Spaniens Regierung in die entgegengesetzte Richtung. Die Linkskoalition unter dem Sozialisten Pedro Sánchez verkündete am Dienstagnachmittag nach der Kabinettssitzung eine Verkürzung der regulären Wochenarbeitszeit von 40 auf 37,5 Stunden bei vollem Lohnausgleich.

Der Gesetzesentwurf wurde zuvor mit den beiden großen Gewerkschaften des Landes, der postkommunistischen CCOO und der sozialdemokratischen UGT ausgehandelt. Die Arbeitgeberverbände stimmten nicht zu. Sie zogen sich aus den elf Monate andauernden Verhandlungen mit der Regierung zurück. Auch innerhalb des Kabinetts kam es immer wieder zu Meinungsverschiedenheiten zwischen Arbeitsministerin Yolanda Díaz, Kommunistin und bei den letzten Wahlen Spitzenkandidatin des linksalternativen Wahlbündnisses Sumar, und ihrem sozialistischen Kollegen im Wirtschaftsressort, Carlos Cuerpo Caballero. Díaz setzte sich durch.

Jetzt muss die Regierung Sánchez eine Mehrheit für das Gesetz im Parlament finden, damit die 37,5-Stundenwoche wie versprochen vor Jahresende in Kraft tritt. Die rechte Opposition aus der konservativen Partido Popular (PP) und die rechtsextreme VOX kündigten bereits an, dagegen zu stimmen. Fortschrittliche Regionalparteien sehen das Gesetz der Koalition aus der sozialistischen PSOE und der linksalternativen Sumar positiv.

Damit hängt alles an den Stimmen der beiden nationalistischen Mitte-Rechts-Parteien aus dem Baskenland und Katalonien, die Baskisch Nationalistische Partei (PNV) und Junts rund um den sich noch immer im Exil befindenden ehemaligen katalanischen Präsidenten Carles Puigdemont. Beide gelten als unternehmernah.

Öffentlicher Dienst hat bereits 37,5-Stunden-Woche

Zwölf Millionen Beschäftigte im Privatsektor würden von der kürzeren Arbeitszeit profitieren. Beamte und Angestellte im öffentlichen Dienst arbeiten bereits 37,5-Stunden-Woche. In einigen Großbetrieben ist dies – so die Tarifverträge – ebenfalls schon der Fall.

Das Gesetz, das einer Forderung der Gewerkschaften Rechnung trägt, geht auf die Initiative von Arbeitsministerin Díaz zurück. „Die Verkürzung des Arbeitstages wird die Produktivität in unserem Land verbessern“, verteidigt sie den Vorstoß gegenüber den Unternehmerverbänden, die genau das Gegenteil befürchten. Laut Díaz mache es „keinen Sinn, Stunden über Stunden bei der Arbeit zu verbringen“ es gehe „vielmehr darum, effizient zu sein.“

Neben der Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohnausgleich enthält das Gesetz weitere Maßnahmen. Teilzeitbeschäftigte werden entsprechend höhere Löhne erhalten, damit auch sie so am Lohnausgleich teilhaben. Das betrifft überwiegend weibliche Beschäftigte. Außerdem muss die Zeiterfassung in den Betrieben und Büros auf digitale und nicht manipulierbar Einrichtungen umgestellt werden.

Die Strafen für unterlassene Arbeitszeiterfassung werden verschärft, mit einer Geldbuße pro Arbeitnehmer – statt einer pro Unternehmen. Die Beschäftigten haben künftig auch das Recht, sich in ihrer Freizeit digital völlig auszuklinken, um Unternehmen daran zu hindern, mit den Mitarbeitern außerhalb der Arbeitszeit Kontakt aufzunehmen.

Mindestlohn um 54 Prozent erhöht

Es ist nicht die erste Reform des Arbeitsmarktes von Ministerin Díaz, einer auf Arbeitsrecht spezialisierten Anwältin. So schränkte sie mit Erfolg die Teilzeitarbeit und prekäre Kurzverträge ein und der Mindestlohn wurde in mehreren Schritten um 54 Prozent von 736 auf 1134 Euro bei 14 Monatslöhnen, erhöht.

Auch diese Maßnahmen wurden von der rechten Opposition scharf kritisiert. Sie würden zu mehr Arbeitslosigkeit führen. Genau das Gegenteil ist der Fall. Mit 21,86 Millionen arbeiten in Spanien so viele Menschen wie nie zuvor, mehr denn je haben einen Festvertrag.

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1 Kommentar

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  • Das ist Politik, die tatsächlich rechte Wahlerfolge zurückdrängen kann und die Spirale, die EU weit Arbeitnehmende immer mehr arbeiten und zahlen lässt für noch mehr Unternehmergewinne stoppt. Fatalerweise waren es ja auch in Deutschland SPD und Grüne, die weder Vermögenssteuer n8ch Klimageld durchsetzten und mit der Inflation dann wieder Geringverdiener bis Mittelstand die größten Einbußen hatten und genau das treibt Wähler zu den Rechten, mitnichten angeblich zu softe Migrationspolitik.