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Kampfbegriffe der Väterrechtler

An vielen Familiengerichten finden Gewaltopfer kaum Gehör. Liegt das auch an der Weiterbildung für Richter? Eine Dozentin in Sachsen greift rechte Argumente auf

Fa­mi­li­en­rich­te­r*in­nen treffen schwierige, weitreichende Entscheidungen: Ihre Weiterbildung übernimmt in Sachsen teils eine Dozentin mit Nähe zu sogenannten Männerrechtlern Foto: Fo­to: David-Wolfgang Ebener/dpa

Von Matthias Meisner

Seit Längerem werden die Zustände an vielen Familiengerichten in Deutschland kritisiert. Im November berichtete die taz über eine Studie, laut der Kinder und Mütter kein oder nur unzureichend Gehör bei Jugendämtern und Familiengerichten finden, wenn sie Opfer von Gewalt werden.

Umso erstaunlicher ist es, dass seit Jahren bei den staatlichen Fortbildungen der Justiz eine Akteurin mitwirkt, die in ihren Veröffentlichungen immer wieder mit Argumenten der Väterrechtsbewegung operiert.

Sachsen, zuständig für die Organisation der jährlichen Tagung „Praktische Fragen des Familienrechts“ an der Deutschen Richterakademie, hat erstmals im Jahr 2015 Katharina Behrend aus Lemgo als Vortragende verpflichtet, und nun entschieden, Behrend auch für die nächste Tagung im April im brandenburgischen Wustrau zu buchen.

Behrend spricht bei diesen Tagungen beispielsweise zum Thema „Missbrauchsverdacht als Trumpfkarte?!“ Und es fallen bei den Vorträgen Stichworte wie „Kind als Waffe im Trennungskrieg“ und „Entfremdung“.

Behrend entspreche den Anforderungen des Weiterbildungszentrums, heißt es aus Dresden. „Eine hervorragende Referentin“, schwärmt der Tagungsleiter, der Grimmaer Familienrichter Mathias Zschiebsch.

Dabei sind Fragen mehr als angebracht: Denn die Lektüre der Aufsätze von Behrend fördert viele positive Positionierungen zum sogenannten Parental Alienation Syndrom (PAS) zutage – zu deutsch: Eltern-Kind-Entfremdung. Dabei handelt es sich um einen Kampfbegriff der Väterrechtsbewegung. Er geht auf die These des US-Kinderpsychologen Richard Gardner zurück, der meinte, Elternteile – meist die Mutter – würden ihr Kind bewusst oder unbewusst beeinflussen, um sich Vorteile in Sorge- beziehungsweise Umgangsrechtsverfahren zu erstreiten.

Behrend will laut eigener Aussage ein „Erklärungsmodell“ zu den Voraussetzungen erarbeiten, „unter denen dieses Syndrom entsteht“. Sie befürchtet, dass der Anteil von PAS-Kindern „zukünftig kräftig anwachsen wird“. 2000 schrieb sie gemeinsam mit ihrem früheren Professor Uwe Jopt, Gardners Wunsch nach Aufnahme in den US-amerikanischen Leitfaden psychischer Störungen, kurz DSM, möge rasch in Erfüllung gehen, das Syndrom würde damit weltweit anerkannt als behandlungsbedürftige Persönlichkeitsstörung.

Jopt war früher Behrends Professor in Bielefeld, mit ihm gemeinsam hat sie in Lemgo ein Beratungsinstitut aufgebaut. Er wird in der Correctiv-Recherche „Väterrechtler auf dem Vormarsch“ aus dem Jahr 2023 zu den wichtigen Akteuren der Szene gerechnet.

Behrend nimmt auf ihre alten Veröffentlichungen nach wie vor Bezug. Sie behauptet allerdings neuerdings, sie kritisiere das PAS-Konzept „seit jeher als unpsychologisch“. Sie behauptet auch, der Beschluss des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahre 2023, laut dem PAS „keine hinreichend tragfähige Grundlage für eine am Kindeswohl orientierte Entscheidung“ biete, entspreche ihrer Auffassung „exakt“. Diesen Widerspruch zwischen ihren eigenen Aussagen löst sie nicht auf.

Der Direktor der Deutschen Richterakademie, Oliver Servas, verteidigt die Fortbildung in Wustrau als „geschützten Raum zum kollegialen länderübergreifenden Austausch“. Für die Auswahl der Tagungsleitung und der Referenten im konkreten Fall zeichne das sächsische Justizministerium verantwortlich, sagte Servas auf Anfrage der taz: „Die Akademie stellt insoweit lediglich die Tagungsstätte zur Verfügung.“

Als das Deutsche Institut für Menschenrechte im Dezember in seinem Monitor „Gewalt gegen Frauen“ die systematische und verpflichtende Fortbildung der Justiz zum Thema anmahnte, dürfte es sich das nicht so vorgestellt haben, wie es bei den Vorträgen an der Deutschen Richterakademie mit Behrend abläuft.

Der Familienrechtler Ludwig Salgo aus Frankfurt am Main sagte der taz, eine lautstark agierende Lobby „erfindet ständig neue Namen, um das Konzept ,PAS‘ zu retten“. Bei Behrend fehle jede Selbstkritik dazu. Verantwortliche für die Richterfortbildung „dürfen bei der Auswahl von Referenten solche Umstände nicht unbeachtet lassen“.

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