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Pupsende Wale in KriegszeitenWal der Waffen

Heiko Werning
Kommentar von Heiko Werning

An sich ist der Walpups als Phänomen bekannt. Doch in Zeiten des neuen Kalten und hybriden Krieges ist die Entschlüsselung nicht so einfach.

Grindwale, schwimmen und pupsen im Meer vor Schottland herum Foto: imago

V ielleicht sind einfach alle ein wenig überreizt in letzter Zeit. Also nicht erschrecken, wenn wir jetzt von einer zu Schottland gehörenden Hebrideninsel namens Raasay sprechen müssen – keine Sorge, weder hat Donald Trump bislang Besitzanspruch auf sie erhoben, noch hat er die angrenzende Meerenge The Minch in Mar-a-Lago umbenannt.

Und auch Putin hat nichts damit zu tun, obwohl die britische Navy genau das vermutet hat, als sie dort ein seltsames Geräusch unter Wasser registrierte. Wir raten mal: ein seltsames, blubbernd-knatterndes Geräusch. Eine Quelle aus dem Umfeld der Navy sagte dazu dem Boulevardblatt Sun: „Wir nehmen die Sache sehr ernst. Wir müssen vom Schlimmsten ausgehen.“

Das wäre eine russische Unterwasserdrohne, die „ein Abhörgerät auf dem Meeresgrund abgesetzt hat“, um die „akustischen Signaturen“ der britischen Atom-U-Boote „aufzuzeichnen und so leichter aufspüren und die Besatzungen in Gefahr bringen zu können“.

Erst wurde das Geräusch bemerkt, als es sich aus der Meerenge auf die hohe See hinausbewegte, Tage später kehrte es wieder zurück. Nach all den beschädigten Unterwasserkabeln, Spionageschiffen und gesprengten Pipelines scheint eine russische Unterwasserdrohne kein abwegiger Gedanke zu sein.

Krill & Co

Des Rätsels Lösung war dann allerdings doch ganz anders. Es hätte jedoch schon ein Blick auf die Touristenkarte der Region gereicht, um auf die richtige Spur zu führen, denn just an jener Meeresstelle sind dort zwei große Bartenwale aufgemalt.

Die fressen bekanntlich haufenweise Krill & Co. Was aber mitunter passiert, wenn man sich den Bauch randvoll schlägt, kennt man aus eigener misslicher Erfahrung: Es knattert und müffelt. Das ist bei Walen nicht anders als beim Menschen, Verdauung produziert Gase, und die müssen raus. Der Wal pupst.

Was Erwachsene sich nicht zu fragen trauen, interessiert Kinder brennend.

„Auch Wale pupsen von Zeit zu Zeit“, beantwortet das Zentrum für Marine-Umweltwissenschaften der Universität Bremen daher auf seiner Website eine drängende Kinderfrage, „die Gase werden unter Wasser abgegeben und können, da sie zum Teil aus Faulgasen bestehen, auch unangenehm riechen.“

Bestens dokumentiert

Der Walpups ist also bekannt. Aber: „Welche Geräusche Walblähungen erzeugen können, ist wissenschaftlich noch nicht weiter untersucht worden.“ Jetzt weiß man offensichtlich mehr. So hat die angespannte Lage derzeit also auch ihr Gutes.

Wodurch der Wal übrigens mit dem Hering gleichzieht, dessen Gepupse bestens dokumentiert und entschlüsselt ist. Es dient, so wird vermutet, sogar auch der Kommunikation. Von wegen „stumm wie ein Fisch“.

Womöglich bedienen die Wale sich auch dieser Art der Unterhaltung? Und statt einer U-Boot-Attacke hat die Navy Wal-Gossip über diese verrückten Wesen da draußen an Land belauscht? Eine Überlegung, die den Markt für Walgesänge um eine interessante Nuance bereichern könnte.

Andererseits: Noch vor wenigen Monaten schwamm ein russischer Spionagewal durch die Nordsee. Der fiel auf, weil er ein Kamerageschirr trug. Womöglich erstatten die Tiere jetzt sicherheitshalber akustisch Bericht?

So oder so kann lässt sich guten Gewissens festhalten: An der Unterwasserdrohnen-Meldung war wirklich etwas faul!

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Heiko Werning
Autor
Heiko Werning ist Reptilienforscher aus Berufung, Froschbeschützer aus Notwendigkeit, Schriftsteller aus Gründen und Liedermacher aus Leidenschaft. Er studierte Technischen Umweltschutz und Geographie an der TU Berlin. Er tritt sonntags bei der Berliner „Reformbühne Heim & Welt“ und donnerstags bei den Weddinger „Brauseboys“ auf und schreibt regelmäßig für Taz und Titanic. Letzte Buchveröffentlichung: „Vom Wedding verweht“ (Edition Tiamat).
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